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Dat Ding an meinem Kopp

Ein fünfjähriger Neffe fragte mich: "Wann ziehste dat Ding an Deinem Kopp denn wieder aus?"
Ich: "So schnell wohl nicht mehr, nur beim Schlafen."
Er, sichtlich verwirrt: "Bevor Du in den Sarg kommst und vergraben wirst, ziehst Du es aber aus, oder?"
Ich: "Wenn ich noch fähig dazu bin, zieh ich es vorher aus, versprochen!"
Da war er beruhigt...


Ich wurde 1970 geboren und verlebte eine normale Kindheit und Jugendzeit mit allem was dazu gehört – inklusive normalem Gehör. Mit fast 17 Jahren erlitt ich während der Ausübung eines Ferienjobs einen Unfall, bei dem ich mit dem Kopf in eine sich automatisch schließende Stahltür geriet. An meinem Kopf war kaputt, was kaputt sein konnte. Ich möchte die interessierten Leser hier und jetzt nicht mit einem ellenlangen und mit ärztlichen Fachbegriffen gespickten Unfallbericht erschlagen. Deswegen und zum besseren Verständnis meines Berichtes nur soviel: Wenn man nach den vorangehenden Sätzen ein bisschen kombiniert, kann man sich ohne große Mühe zusammenreimen, dass es nicht gut um mich stand. Die Tür setzte genau hinter meinen Ohren an, zertrümmerte regelrecht meine Felsbeine und nahm mir damit mein bis dahin normal funktionierendes Gehör, rechts komplett und links bis auf geringe Hörreste. Meine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit versuchte ich mit einem Hörgerät zu kompensieren, was mehr schlecht als recht ging, einigermaßen halt.

Vom Cochlear Implantat hörte ich erstmals vor ca. 15 Jahren während eines tinnitusbedingten Klinikaufenthaltes in Düren bei Professor Banfai. Mein Interesse für so ein Ding im Kopp war damals eher gering, trotzdem informierte ich mich grob und erfuhr, dass die Forschung CI-mäßig damals noch in den Kinderschuhen steckte und außerdem ausschließlich komplett taube Menschen für sowas in Frage kamen. Die Sache war vorläufig also gegessen. Vor etwa drei Jahren wurde mein Interesse durch einen Zeitungsartikel neu geweckt und ich forschte intensiver. Aha, mittlerweile kamen also auch an Taubheit grenzende Patienten in Frage und die Forschung hatte offensichtlich die ganzen Jahre auch nicht geschlafen.

Im März 2005 begab ich mich zu einer Voruntersuchung in eine Klinik in Wohnortnähe. Es folgten Computer-Tomographie, Kernspin-Tomographie, Hör- und Gleichgewichtstests und ein abschließendes Gespräch mit dem verantwortlichen Professor. Dieser teilte mir mit, dass ich CI-geeignet sei – allerdings nur links! Ich sollte also mein verbliebenes Restgehör hergeben für eine Innenohrprothese, die mein Hörgerätehören laut des Professors um Längen in den Schatten stellt, aber natürlich auch dem Risiko, dass es nicht so funktioniert wie geplant, aus welchem Grund auch immer und ich völlig ohne Gehör dastehe. Die interessierten Leser können sich sicher gut vorstellen, dass ich mein rechtes, sowieso verlorenes Ohr sofort her gegeben hätte für eine Implantation, aber links? Kurz: Ich bin sicher kein zimperlicher Mensch, das war aber ein Risiko, das ich nicht eingehen wollte. Mein Ohrenarzt empfahl mir eine zweite Voruntersuchung. Nicht in irgendeiner Klinik, sondern in einer ganz bestimmten. Er sprach von zwei medizinisch leicht voneinander abweichenden „CI-Schulen“ und von unterschiedlichen Ansichten von Operateuren bezüglich der Machbarkeit einer CI-Operation. Im September 2005 machte ich mich auf den Weg nach Freiburg in die dortige Universitätsklinik bzw. zu Professor Laszig um mich ein zweites Mal voruntersuchen zu lassen, vor allem ausgerichtet auf mein rechtes Ohr. Alles lief ähnlich wie beim ersten Mal, die Röntgenbilder, die ich im Gepäck hatte, genügten vorerst - dazu später mehr! Auf einen Promontoriumstest verzichtete man beim ersten Mal komplett. In Freiburg wurde dieser an meinem favorisierten rechten Ohr durchgeführt und zwar nicht der einfache, bei dem ein Teil aufs Trommelfell gelegt wird, sondern der, bei dem das Trommelfell durchstochen wird und eine Elektrode in der Nähe des Hörnervs platziert wird. Ergebnis der zweiten Voruntersuchung: Das linke Ohr wurde auch in Freiburg als das grundsätzlich besser geeignete bezeichnet. Es spräche laut den vorliegenden Röntgenbildern eigentlich auch nichts gegen eine Implantation rechts, wenn der Promontoriumstest nicht dermaßen schlecht ausgefallen wäre. Ich habe mich schon damit abgefunden, mein linkes Ohr und damit vielleicht auch meine spärlichen Hörreste opfern zu müssen, da klopfte es an meiner Zimmertür und Professor Laszig höchstpersönlich und allein trat ein. Dass er sich zu mir an einen kleinen Tisch setzte und wir da saßen wie in einer Kneipe sozusagen, verblüffte mich sehr. Nicht nur, weil er ein über die deutschen Grenzen hinaus anerkannter HNO- bzw. CI-Fachmann ist, sondern auch, weil er ein paar Wochen vorher das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam. Er wollte Details meiner Unfall-Geschichte wissen und zeigte Verständnis für mein Zögern, mein „gutes“ linkes Ohr hergeben zu wollen. Nachdem er noch mal die Bilder meiner ersten Voruntersuchung inspizierte, legte er diese mit einem unzufriedenen Blick wieder auf den Tisch und beauftragte einen herbeigerufenen Assistenzarzt, neue, bessere Bilder anfertigen zu lassen. Er verabschiedete sich dann nach gut 30 Minuten (!) mit dem Kommentar: „Ihr favorisiertes rechtes Ohr ist noch nicht verloren!“. Ich war von den Socken... Eine Stunde später wurde ich in die „Röhre“ geschoben und neue Bilder meines Hauptes, diesmal hochauflösend und dreidimensional, wurden hergestellt. Nach dem Studium der neuen Kernspinaufnahmen teilte mir Professor Laszig mit, dass er die Implantation rechts empfiehlt! Wie ich später erfuhr, war eine Dame aus dem Westerwald nicht ganz unschuldig am Interesse Professor Laszigs an meiner Geschichte. Ute, herzlichen Dank auch von dieser Stelle aus!

Im März 2006 nahm ich die 380 Kilometer nach Freiburg erneut in Angriff, um mich implantieren zu lassen. Mit angezogener Handbremse übrigens, nicht nur, weil das laut „CI-Gemeinde“ die einzig und allein empfehlenswerte Einstellung ist, sondern weil mein fast 20 Jahre taubes rechtes Ohr und das damit einher gehende lange „Brachliegen“ des Hörnervs, die ganzen anderen Umstände meines Unfalls und last but not least der miese Promontoriumstest alles andere als gute Voraussetzungen waren, auch wenn ich in Professor Laszig einen Könner „engagiert“ hatte. Ganz ohne Hoffnung war ich natürlich auch nicht! Die Freiburger Verantwortlichen ließen mich ein umfangreiches Untersuchungsprogramm bereits in heimischen Gefilden nach genauem Zeitplan absolvieren. Blutentnahme, Blutuntersuchung und das Röntgen der Lunge waren also bereits erledigt, so dass nach Ankunft in der Klinik nur noch Blutdruck gemessen wurde und ein Gespräch mit dem Anästhesiearzt und eines mit Professor Laszig anstanden. Am anderen Morgen war es dann soweit. Um 7.30 Uhr wurde ich in den OP-Saal geschoben und 5 Minuten später war ich „weg“. Aufgeregt oder gar ängstlich war ich übrigens nicht, hatte ich doch stets im Hinterkopf, dass das, was jetzt kommt, verglichen mit dem, was ich schon mitgemacht habe, sozusagen ein Mondscheinspaziergang ist...

Die OP dauerte 2,5 Stunden und fand unter erschwerten Bedingungen statt, wie ich später auf den Rechnungen, die ich an die für mich zuständige Berufsgenossenschaft weiterleitete, nachlesen konnte. Nach dem Aufwachen ging es mir relativ gut, später im Zimmer war es nicht anders, kein Schwindel oder Schmerz, am Abend konnte ich statt eines eigentlich vorgesehenen Breis schon wieder feste Nahrung zu mir nehmen, vorsichtig allerdings, weil ich im Kiefer- und Schläfenbereich der operierten Seite ein leichtes Druckgefühl beim Kauen spürte. Gegen 23.00 Uhr des selben Tages trat jemand auf den Plan, an den ich gar nicht mehr gedacht hatte. Mein alter Freund Tinnitus machte sich bemerkbar und zwar dermaßen laut, orkanmäßig sozusagen und von der einen auf die andere Minute, dass ich fast aus dem Bett gefallen wäre... Ich hatte schon vor der OP Tinnitus, erträglichen Tinnitus, aber was er jetzt veranstaltete, war ziemlich heftig... Am anderen und den nächsten Tagen ließ er deutlich nach, ganz auf den alten Level wollte er aber anscheinend nicht zurück. Dies geschah erst mit der Erstanpassung, ein paar Tage danach nahm ich ihn auf dem operierten rechten Ohr fast gar nicht mehr wahr, nur noch, wenn ich den Sprachprozessor ausschaltete. Ob das damit zu erklären ist, dass der Hörnerv anderes zu tun hat als illusorischen Rabatz ans Hirn zu leiten, wenn das CI in Betrieb ist, weiß ich nicht. Intraoperativ wurde das Implantat erfolgreich auf Funtionsfähigkeit geprüft und ein NRT sagte, dass der Hörnerv reagiert. Die Bilder einer Röntgenuntersuchung drei Tage nach der OP zeigten, dass die 22 Elektroden des Nucleus Freedom-Implantats einen perfekten Platz in meiner Hörschnecke gefunden hatten. Einen Tag vor meiner Abreise schickte man mich ins nahegelegene ICF (Implant Centrum Freiburg), um das Implantat kurz anzutesten. Ein Techniker schickte zwei kurze Töne an den SP. Ich hörte beide und erkannte sogar, dass es ein hoher und ein tiefer war. Wow!

Als ich Professor Laszig kurz darauf erzählte, dass der Techniker im ICF sagte, dass dieses Antesten eigentlich nicht üblich sei, antwortete er trocken: „Dann war das halt das erste Mal und, was psychologisch ungeheuer wichtig ist, sie fahren nun mit einem guten Gefühl nach Hause!“

Nach genau einer Woche trat ich dann die Heimreise an. Im Gepäck hatte ich auch den Termin für meine Erstanpassung. Dieser war nicht wie andernorts üblich nach vier bis sechs Wochen sondern erst nach zehn! Massive Kapazitätsprobleme vor allem im Wohnhausbereich des ICF gab man an. Man arbeite daran... Naja, dachte ich mir, dann kann das Teil wenigstens ordentlich einwachsen! Fazit der „OP-Woche“: Tinnitus und lange Wartezeit bis zur Erstanpassung waren die einzigen negativen Punkte. Der Rest hätte kaum besser laufen können!



Erstanpassung

Ende Mai begab ich mich also erneut nach Freiburg ins dortige ICF. Nachdem ich mein Zimmer bezogen habe, bekam ich einen Stundenplan für die kommenden fünf Tage. Dann begab ich mich zu Otmar Gerber zu meiner ersten Anpassung. Er hatte bereits alles vorbereitet, der dunkelbraune Freedom-Sprachprozessor lag vor mir und war auch schon mit einem ersten Grundprogrammm, das er MAP nannte, versorgt. Diese MAP konnte er anhand der bereits oben erwähnten intraoperativ ermittelten NRT-Daten erstellen. Nach einer kurzen Erklärung des SP hängte er ihn mir ans Ohr, verband ihn per Magnet mit dem Implantat und schaltete ihn mit einem Mausklick ein. Mein allererster Eindruck war, dass sich Geräusche so ähnlich anhörten wie die Töne, die mein alter Freund Tinnitus verursachte. Ich fragte mich in den ersten Minuten und Stunden also hauptsächlich, ob es sich bei einem Geräusch um einen realen oder um einen eingebildeten Tinnitus-Ton handelte. Sprache hörte sich wie bei den meisten CI-Patienten blechern, hohl und dumpf an. Mickey Mouse war zwar auch ein bisschen mit von der Partie, die Schlagworte bei mir waren aber blechern, hohl und dumpf. Die interessierten Leser stellen sich einfach ein dumpfes Gespräch mit Mickey Mouse in einer großen Blechdose vor. Ich glaube, das kommt der Sache sehr Nahe. Mit Otmar Gerber konnte ich mich trotz des ungewohnten Klanges seiner Stimme von Anfang an fast normal unterhalten – nur mit CI und ohne Hörgerät wohlgemerkt! Das wunderte mich skeptischen Vogel schon ein bisschen. Ich gebe gerne zu, dass ich das so nicht erwartet hatte, man denke an den miserablen Promontoriumstest, die fast 20-jährige Taubheit meines rechten Ohres und die Tatsache, dass nach meinem Unfall die Felsbeine hinter beiden, vor allem dem rechten Ohr sozusagen Matsch waren! Ach ja: Den „Aha-Effekt“ erlebte ich ja bereits bei dem kurzen Antesten wenige Tage nach der Operation. Vergessen werde ich diese erste Anpassungsstunde aber sicher nicht mehr, sie hat einen festen Platz in meinem Hirn – unlöschbar! Zusätzlich zu den täglichen Anpassungen des SP gab es in den nächsten Tagen noch Hörschwellenmessungen bei Dr. Thomas Wesarg und Therapiestunden bei Verena Reuss. Auf eigene Faust trainierte ich mein Gehör durch Spaziergänge durch Stadt und Natur sowie mit einem CD-Player, den ich mir nach zwei Tagen schon zusammen mit einer Hörbuch-CD geben ließ. Ein gewisser „kleiner Prinz“ war dann nicht nur in den nächsten Tagen meiner Erstanpassunswoche mein Hör-Trainingspartner sondern auch in der ersten Zeit zu Hause. Erwähnenswert zu dieser Erstanpassungswoche ist noch folgendes: Die Einstellung des ersten Tages war mir am zweiten Tag schon zu leise und wurde bis zu meiner Abreise täglich (!) lauter gestellt. Die Damen und Herren des ICF sagten, dass dies normal sei, weil sich nach den ersten wahrgenommenen Tönen um die Elektroden wohl so eine Art Gewebe bilden würde, genau erklären konnten sie es nicht, noch nicht, wie sie sagten. Diese Sache interessiere brennend und gehöre deswegen zu den wichtigeren zu erforschenden CI-Fragen. Teil zwei des „Abenteuers CI“ hatte ich mit dieser Woche dann also auch hinter mir.

Die paar Tage der nun folgenden Pfingstwoche hatte ich mir frei genommen. Dann ging ich wieder zur Arbeit, mit CI und ohne Hörgerät. Das Hörgerät schaltete ich anfangs ab und zu hinzu, in manchen Situationen fühlte ich mich damit sicherer, im Straßenverkehr etwa. Heute, fast acht Wochen nach der Erstanpassung bin ich so gut wie ausschließlich per CI online. Erstens, weil sich das Hören mit Hörgerät mittlerweile grauenhaft anhört und es in Verbindung mit CI eh nur noch die zweite Geige spielt. Zweitens, weil es meiner Meinung nach besser ist, dass sich das Hirn schnellstmöglich ausschließlich mit dem CI befasst und sich daran gewöhnt. Es gibt wohlgemerkt auch andere Meinungen dazu! Und drittens, weil mein Hören mit CI jetzt schon deutlich besser ist als es mit einem Hörgerät jemals war, vor allem das Sprachverständnis.

Nachsorge:

Ich habe mich natürlich im Vorfeld der Operation mit dem Thema Nachsorge befasst und auch damals schon Entscheidungen getroffen. Die einwöchige Erstanpassung fand trotz der relativ weiten Entfernung in Freiburg statt. Aufgrund der oben bereits beschriebenen Tatsache, dass der SP anfangs derart häufig mit lauteren Programmen versorgt werden muss, was wohl eher Regel denn Ausnahme ist, glaube ich empfehlen zu können, dass die erste Woche nach Möglichkeit stationär und am Stück absolviert werden sollte. Es sei denn, das Haus, in dem angepasst wird, befindet sich um die Ecke.

Zeitnah nach der Erstanpassungswoche hab ich mich für ein einmal die Woche stattfindendes ca. einstündiges ambulantes Hörtraining bei Ingrid Eikmeier-Stindt in heimischen Gefilden entschieden. Stefan Saul kümmert sich um die Anpassungen meines SP, die im selben Gebäude stattfinden und zwar grob gesagt alle vier Wochen, bei Bedarf auch häufiger. Beide arbeiten unter dem Dach des Implant-Zentrums Rhein-Mosel-Lahn. Von meiner Hörlehrerin bekam und bekomme ich Hausaufgaben in Form von Hörtrainings-CD's und dem Üben in bestimmten Hörsituationen mit nach Hause. Zusätzlich besorgte ich mir Hörbücher und probierte Musik-CD's, die ich mit normalem Gehör noch hörte, 20 Jahre alte Schinken also... Ich habe mich bewusst für diese ambulante Art der Nachsorge entschieden, weil ich es für effektiver halte, Gelerntes eine Zeitlang sacken zu lassen und zusätzlich seinem normalen Alltag nachgehen zu können. Kurz: Üben nach einem Stundenplan, nach einem eigenen aber, jederzeit änderbar. Ich möchte ein mehrwöchiges Rehaprogramm in einer entsprechenden Klinik nicht schlecht reden oder herabqualifizieren, auch diese Form der Nachsorge hat sicher Freunde. Ich hatte kompetente Ratgeber, habe mir selbst ausgiebig Gedanken darüber gemacht und bin letztendlich den Weg der ambulanten Reha gegangen, gehe ihn noch und hab es bis jetzt nicht bereut!

Vorläufiges Fazit:

Mit Fertigstellung dieses Berichtes bin ich ein paar Tage mehr als sieben Wochen erstangepasst. Ich bin, wie oben schon einmal erwähnt, so gut wie ausschließlich per CI online. Auch heute noch ist alles ein bisschen zu dumpf und teilweise verwaschen, aber bei weitem nicht mehr in der Form wie in den ersten Wochen. Man merkt förmlich, wie sich dieses Dumpfe, dieses Hohle und Blecherne beim Hören regelrecht auflöst ähnlich einem Zuckerwürfel in einem Wasserglas. Mein aktuelles Hörbuch („Die Säulen der Erde“ von Ken Follett) verstehe ich zu 90 Prozent, telefonieren per Festnetz mit mir bekannten Personen klappt ebenfalls einigermaßen. Den Freiburger Einsilber-Worttest machte ich vor einer Woche bereits und zwar mit 60 Prozent bei 65 dB und 95 Prozent bei 75 dB. Ich weiß, dass diese Werte nach so kurzer Zeit nicht schlecht sind, bin aber weit davon entfernt, damit zu protzen. Ich möchte den interessierten Lesern vielmehr nahe bringen, was möglich ist, auch bei nicht so tollen Voraussetzungen. Erwähnt muss in diesem Zusammenhang natürlich immer wieder werden, dass ich fast 17 Jahre normal gehört habe, auch wenn dies bereits 20 Jahre zurück liegt. Nach wie vor ziemlich schlecht bzw. unnatürlich kommen bei mir vor allen Dingen der Straßenverkehr sowie ein paar wenige Alltagsgeräusche, etwa meine Türklingel oder mein Rasenmäher rüber. Oder ist es vielleicht so, dass der Klang dieser Geräusche per CI natürlicher ist, als ich denke, weil ich das wahre Klingen dieser Töne schlicht und einfach vergessen habe? Ich weiß es nicht! Beim Verstehen von Sprache spielt der Klang der Stimme meines Gegenüber, ob im Radio, Fernsehen oder in natura eine große Rolle und natürlich, ob ich mit der Quelle verbunden bin (Idealzustand), relativ nah dran bin oder ein paar Meter oder noch weiter davon entfernt, genau so die Schallfähigkeit von Räumen.

Ich denke sagen zu können, dass meine Entscheidung für das CI richtig war. Vieles, woran zu Hörgerätezeiten nicht ansatzweise zu denken war, ist nach so kurzer Zeit schon wieder möglich. Ich wage gar nicht daran zu denken was noch kommt, wenn die Entwicklung meines von vielen schon abgeschriebenen rechten Ohres bzw. des Implantates dahinter so weitergeht.

Ich hätte diesen Bericht noch viel ausführlicher verfassen können, noch viel mehr ins Detail gehen können. Ich lasse das aber jetzt mal so stehen und versichere den interessierten Lesern, dass ich bei Interesse an Einzelheiten meiner Geschichte auch gerne ins Detail gehe. Kurz: Ich möchte mein Wissen und meine Erfahrungen gerne weitergeben, mit diesem Bericht und auch darüber hinaus, nicht zuletzt deswegen, weil ich im Vorfeld meiner Implantation selbst so viel Hilfsbereitschaft erfahren durfte. Danken möchte ich allen, die direkt und indirekt in meinen Fall verwickelt waren und sind und mir mit Rat und Tat stets zur Seite standen und noch stehen. Ein ganz besonderer Dank in Richtung Freiburg. Mein Gefühl sagt mir, dass Professor Laszig bei der Implantation außergewöhnlich gute Arbeit geleistet hat. Weil ich glaube sagen zu können, dass ein zweites CI nur eine Frage der Zeit ist, von dieser Stelle aus der Ruf in den Breisgau: „Wenn, dann in Freiburg, Operation und auch Erstanpassung. 380 km hin, 380 km her!“

Patrick Paul
Im Grüngürtel 44
56294 Münstermaifeld
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Tel./Fax: 02605/960284

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„Ein Jahr Hören mit CI“ - Erfahrungsbericht Teil 3

Rehabilitationsmaßnahme vom 13.03.–14.04.2006 in der Baumrainklinik Bad Berleburg

Die Zeit des „Neuen Hörens“ verlief bisher wie ein Traum für mich. Nun kam die Rehabilitationsmaßnahme in der Baumrainklinik Bad Berleburg. Mein Kostenträger, die BFA, bewilligte mir eine vierwöchige Dauer. Diese wurde auf Empfehlung der Klinikleitung um eine Woche verlängert. Täglich gab es Hörtraining in der Gruppe, Einzelhörtraining mit den Therapeutinnen und ein Hörtraining alleine im Zimmer an einem Computer mit speziellen Programmen zum Hörtraining. Trainiert wurde auch das Hörtraining im Störlärm und mit Hintergrundgeräuschen. Diese Übungen waren anstrengend und auch die Schwierigsten. Ich bin dabei jedes Mal an meine „Hörgrenzen" gestoßen. Das ist auch wichtig, damit ich mich und auch mein „neu gewonnenes“ Hörvermögen richtig einschätzen und anwenden kann. Umfangreich war auch das Telefontraining mit verschieden Telefonen. Dadurch wird individuell herausgefunden, mit welchem Telefon der Patient am besten telefonieren kann. Die Zusatzgeräte und Technischen Hilfsmittel für das CI wurden mir ausführlich vorgestellt und erklärt. Wichtig war für mich besonders, dass ich durch die Anschaffung eines Mikro Link Freedom meine vorhandene Micolinkanlage auch mit dem CI benutzen kann.

Ein umfangreiches Sportprogramm und Vorträge zu allgemeinen Gesundheitsthemen gab es auch noch. Auch die Massagen und ausgiebigen Wanderungen in dem schönen Wittgensteiner Land taten gut. Es war immer ein sehr abwechslungsreicher und angenehmer Tagesablauf.

Der Schwerpunkt der Rehabilitationsmaßnahme lag aber eindeutig beim Hörtraining. Durch das tägliche Hörtraining konnte ich mein Sprachverstehen in ruhiger Umgebung nochmals verbessern. So steigerte sich das Sprachverstehen mit Absehen von Beginn bis Ende der Rehabilitationsmaßnahme von 74 auf 90 Wörtern/Minute und ohne Absehen von 73 auf 83 Wörtern/Minute. Ein für mich absolut phänomenales Ergebnis. Es wurde bei mir auch eine sichtbare psycho-physische Stabilisierung erreicht.

Durch den „Implantat - Ingenieur“ Herrn Bellagnech wurde die Einstellung meines Sprachprozessors und die Programmwahl noch erweitert bzw. verbessert. In der Rehabilitationsmaßnahme gab es einen regen Austausch der Patienten untereinander, wodurch eine angenehme Atmosphäre entstand.

Es bleibt festzustellen, dass Dr. Zeh und sein Team in ihrer einmaligen Art und Fachkompetenz für uns CI - Patienten das „Bestmögliche“ sind.

Das tägliche Leben mit dem CI


Arbeit: Vor Beginn meiner Rehabilitationsmaßnahme arbeitete ich zwei Wochen mit vier, dann zwei Wochen mit sechs Arbeitstunden sowie vier Wochen in „normaler“ Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag. Diese Wiedereingliederung ins Arbeitsleben verlief ohne Probleme. Gestärkt durch die sehr gelungene, umfangreiche Rehabilitationsmaßnahme in der Baumrainklinik und wieder mit gewachsenem Selbstvertrauen ging es nun wieder zurück ins Arbeitsleben. Der Arbeitgeber war auch sehr erfreut, dass ich durch die gelungene Operation mit der anschließenden Rehabilitationsmaßnahme nun wieder zu meiner „alten Stärke“ und Arbeitsweise zurückgefunden habe. Überhaupt bleibt für mich festzustellen, dass ich während meiner ganzen „Leidenzeit“ Unterstützung und Rückhalt durch meinen Arbeitgeber, und hier besonders durch meinen Amtsleiter und den zuständigen Dezernenten der Stadtverwaltung, bekommen habe. Da für mich Kommunikation, Telefonieren und die Teilnahme an Gesprächen und Besprechungen wieder gut möglich ist, setzte mich der Arbeitgeber wieder in mein „altes“ Tätigkeitsfeld als Bauleiter im Hochbaubereich ein. Da ich ja wieder meine alte Tätigkeit ausüben kann, bekam ich nun auch wieder eine angemessene Gehaltsvergütung. Diese wurde mir vor zwei Jahren wegen der fortschreitenden Hörverschlechterung und der dadurch veränderten Tätigkeit vom Arbeitgeber gekürzt. So kann ich dank des CI wieder meinen seit 17 Jahren „geliebten“ Beruf ausüben. Als Vertreter der Schwerbeschädigten bin ich nun wieder im Personalrat aktiv, den ich vor zwei Jahren verlassen hatte. Dort setze ich mich für die Belange von schwerbeschädigten Mitarbeiter/innen ein.

Privat: Gestärkt durch mein neues Hörvermögen sind die alltäglichen kommunikativen Lebenssituationen für mich gut zu bewältigen. Gerade die Angst vor der Kommunikation bzw. dem Nichtverstehen in diesen Situationen war immer sehr belastend für mich. Es ist immer wieder schön, sich an den alltäglichen Geräuschen zu erfreuen. Besonders freut es mich immer wieder, wenn ich das Gezwitscher von Vögeln höre. Fernsehsendungen ohne Untertitel, Ausnahme bilden Spielfilme mit starker Geräuschkulisse, sind für mich gut zu verstehen. Sogar das Hören von Musik, sogar beim Autofahren, ist wieder alltäglich geworden. Zu Feierlichkeiten, von denen ich mich früher immer zurückgezogen habe, gehe ich heute wieder sehr gerne hin. Dies alles hat dazu beigetragen, dass ich aus der Isolation meines Privatlebens zurück ins Leben gefunden habe.

Selbsthilfegruppe


Bereits vor meiner CI - Operation war ich der Selbsthilfegruppe der Hörgeschädigten Bad Berleburg/Siegen beigetreten, jedoch nahm ich noch nicht aktiv am Vereinsleben teil. Dies änderte sich nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme. Inzwischen bin ich im Vorstand der Selbsthilfegruppe aktiv. Der regelmäßige Austausch und Kontakt zu Gleichbetroffenen ist mir wichtig. Gerade unter Gleichbetroffenen treffen wir Hörgeschädigten auf Verständnis und Hilfe, die es in unserer heutigen Gesellschaft für uns nicht überall gibt. Inzwischen konnte ich andere Hörgeschädigte, die vor der Frage stehen: „CI Ja oder Nein“, beraten und meine mit dem CI gemachten Erfahrungen weitergeben.
Nachsorge, Seminare und CI-Rehabilitationsklinik
Bisher fuhr ich alle sechs Monate zur Kontrolluntersuchung in die Medizinische Hochschule Hannover. Dort wurden das Implantat und der Sprachprozessor kontrolliert. Das Verstehen wurde durch Hörtraining mit und ohne Absehen kontrolliert und eine Untersuchung des Ohres wurde ebenfalls durchgeführt.

Anfang Mai war ich zwei Tage auf dem Technikseminar der HCIG in Hannover. Dies war sehr interessant und informativ. Dort traf ich auf einige mir bereits bekannte bzw. vertraute Menschen und konnte noch einige neue Kontakte knüpfen.

Im September war das Patientenseminar in der Baumrainklinik Bad Berleburg. Dies war auch ein sehr informativer Tag. Es fand ein reger Austausch statt. Auch hier traf ich sehr viele, mir bereits bekannte Hörgeschädigte und es war ein harmonischer Tag miteinander. Das Klinikteam ist mir ja bereits vertraut und ans Herz gewachsen. Auf dem Patientenseminar wurde auch von Dr. Zeh die Veränderung der CI-Rehabilitation von der Baumrainklinik zur Kaiserbergklinik nach Bad Nauheim bekannt gegeben.

Im November war ich zu Besuch in der Kaiserbergklinik in Bad Nauheim. Dort konnte ich mich von den Möglichkeiten der CI-Rehabilitation in einer „neuen“ Klinik persönlich überzeugen. Es gibt dort, wie vorher in der Baumrainklinik, eine sehr gute technische Ausstattung für die bewährte CI-Rehabilitation von Dr. Zeh und seinem Team. Hohe fachliche Kompetenz und eine erstklassige Zusammenarbeit ist bei dem CI-Rehabilitationsteam um Dr. Zeh ohnehin garantiert.

Wegen Problemen mit meinem Freedom – Sprachprozessor war ich im November/Dezember im CIC Rhein-Main in Friedberg. Dort konnte Herr Bellagnech diese Probleme beseitigen. Das CIC ist eine erstklassige Adresse für uns CI-Träger. CI-Patienten können sich mit Problemen immer an das CIC Rhein-Main in Friedberg wenden. Auch war der Einblick, den ich in die dort stattfindende CI-Rehabilitation mit Kindern gewann, sehr interessant. Die Nähe und Zusammenarbeit des CIC Rhein–Main mit der Kaiserbergklinik in Bad Nauheim ermöglicht es, dass Herr Bellagnech für uns CI-Patienten auch während einer Rehabilitationsmaßnahme da ist. Für uns CI - Träger ist Herr Bellagnech mit seiner Fachkompetenz, dem technischen Wissen und dem Verständnis für unsere Probleme, ohnehin „unbezahlbar“.

Fazit meines Besuches in dem neuen „CI-Mekka“ Bad Nauheim/Friedberg: Wir CI – Patienten sind dort bei diesen Fachleuten immer in guten Händen.

Mein Fazit nach „1 Jahr Hören mit CI“


Die nicht einfache Entscheidung zu der CI-Operation hat sich für mich mehr als gelohnt. Der Gewinn an Hörvermögen und damit verbunden an Lebensqualität, Lebensfreude und Selbstvertrauen, ist phantastisch. Trotz allem bin und bleibe ich, trotz des CI, immer noch sehr stark hörbehindert. Auch weiß ich, dass ich immer von einer gut funktionierenden CI-Technik abhängig sein werde. Was sich für mich seit meiner CI - Operation alles zum Positiven verändert hat, ist schon unbeschreiblich schön, deshalb ist heute nach „1 Jahr Hören mit CI“ mein Lebensmotto: DAS LEBEN IST SCHÖN!

 

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Mein Weg…

Mein Name ist Gisela Kettnus-Mistrali ich bin 43 Jahre alt und lebe mit meinen beiden (mal mehr oder auch mal weniger) pflegeleichten Teenagern, in Bitburg. Also, Eifel live!

Dies ist mein zweiter Erfahrungsbericht zum Thema CI. Meinen ersten Erfahrungsbericht schrieb ich, knapp anderthalb Jahre nach meiner ersten CI Implantation. Dieser erschien allerdings auch nur, in der Firmeninternen "Schau mal rein" Zeitung von Advanced Bionics. Für alle, die diesen Bericht nicht kennen, hier noch ein paar persönliche Informationen zu meinem Weg zum ersten CI.

Ich wurde hörend geboren und hatte auch, laut Aussage meiner Eltern, keine allzu häufigen Kinderkrankheiten, wie z.B. Mittelohrentzündungen oder andere Erkrankungen, die das Gehör hätten schädigen können. Auch andere Störeinflüsse, wie z.B. Discobesuche oder stän-dige laute Musik, gab es nicht im Übermaß. Jedenfalls nicht so, dass es den extremen Hörverlust im Laufe der Jahre, erklären würde.

Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Aachen und meine erste Berufstätigkeit führte mich nach Düsseldorf. Dort hatte ich einen Chef, der ein sehr gut akzentuiertes Hochdeutsch und zudem auch laut sprach. Ich war Anfang 20 und merkte eigentlich nur, dass ich ab und an Verständigungsschwierigkeiten am Telefon hatte. Aber…ich schob das auf die Störgeräusche von außen. Dann wollte ich Karriere machen und wechselte den Betrieb. Ich bekam einen Vorgesetzten, der sehr schnell sprach und zudem auch nuschelte.

Nach 5 Tagen waren wir beide am Ende unserer Nerven. Ich war zu dem Zeitpunkt für Personalplanung, Dispositionen, Einkauf etc. zuständig und machte so ziemlich alles falsch, was ich nur falsch machen konnte. Ich sprach meinen Chef auf unser Kommunikationsproblem an und er meinte, wir hätten kein Kommunikationsproblem, sondern ICH hätte ein "Hörproblem". DAS fand ich natürlich lächerlich…...(der Mensch war nämlich wirklich äußerst schmierig), trotz alledem, Gisela ging zum HNO - Arzt. Dessen lapidarer Kommentar, "Ich wundere mich, dass Sie mit Ihrem Gehör noch nicht von einer Straßenbahn überfahren worden sind." Ich bekam mein erstes Hörgerät, rechts, denn das war mein "besseres Ohr".

In den 80igern waren Hörgeräteakustiker im Dienstleistungsbereich noch ganz weit zurück. Viele von Ihnen werden das ganz sicher bestätigen können. Ich bekam mein Hörgerät angepasst und Danke und Auf Wiedersehen, das war es! Es wurde mir in keinster Weise erklärt, warum ich rechts ein Hörgerät tragen soll, obwohl ich links viel schlechter hörte. Ich wusste auch nicht, dass zu der Zeit die Krankenkassen kein zweites Hörgerät zahlten, da ich eine Erwachsene mit ausgebildetem vollem Sprachbild war. Von aufmunternden Worten ganz zu schweigen.

Und Ich?? Tja, ich war Anfang 20 und ein Hörgerät? Unvorstellbar!! Ich wollte leben und mich ständig neu verlieben und Spaß haben. Aber das mit Hörgerät? Nein, denn ich SCHÄMTE mich.

Ich wechselte den Betrieb, den nuschelnden Chef und…kam zurecht. Dann zog ich Ende der Achtziger nach Bitburg, heiratete, bekam meinen beiden Kinder und kam nicht mehr zurecht.

Ich fing also an, mein Hörgerät ständig zu tragen, aber ich merkte doch, dass mein Gehör langsam aber stetig immer schlechter wurde. Die Episode "Ehe" war dann auch ziemlich schnell vorbei und da ich mit zwei Kleinkindern nicht mehr im Hotel- bzw. Restaurantfach arbeiten konnte, musste ich mich beruflich neu orientieren.

Ich machte eine Umschulung zur Erzieherin und erhielt im Zuge dessen, mein zweites Hörgerät. Die Krankenkasse finanzierte dies, weil es für mich im Unterricht unerlässlich war.

Natürlich schämte ich mich immer noch, aber…hier in Bitburg gab es eine Hörgeräteakustikerin, damals schon eine ältere Dame, die sehr einfühlsam war. Sie war es auch, die mir die erste Prise Selbstvertrauen, was meine Hörbehinderung betraf, mit auf den Weg gab. Die Haare blieben also kurz und Gisela trug ihre Hörgeräte trotzdem.

Nach Beendigung meiner Umschulung, arbeitete ich unter anderem für das hiesige Jugendamt als sozialpädagogische Familienhilfe. Das bedeutete für mich, dass ich sehr viel und ständig mit Menschen kommunizieren musste. Hier in der Eifel wird noch sehr viel Dialekt gesprochen. Ich selbst spreche es zwar nicht, aber ich hatte auch bis dahin keine Schwierigkeiten die Menschen zu verstehen. Das änderte sich nach und nach.

Ich wechselte in eine Kindertagesstätte und es ging gut bis ca. 1999. Ich stellte fest, dass ich die Klingel schlechter hörte und auch zuhause, meine Kinder und ich?????…wir redeten oftmals aneinander vorbei. Es machte auch keinen Spaß mehr ins Kino zu gehen, Freunde in der Kneipe zu treffen oder an größeren Festivitäten teilzunehmen.

Ich zerriss mich, zeitlich und auch psychisch, um allem und jedem gerecht zu werden. Mein Hörverlust beunruhigte mich, aber…ich ließ es mir nicht anmerken.

Im Jahr 2000 empfahl mir meine HNO - Ärztin den Antrag auf Schwerbehinderung zu stellen. DAFÜR bin ich ihr heute noch dankbar. Denn Sie fand es schon beunruhigend, dass von Seiten meines Arbeitgebers "Atteste" über mein Hörvermögen gewünscht wurden. Sie machte sich schon Sorgen, da war ich noch…blond und blauäugig. Das bin ich auch heute noch, ABER AUCH um einige Erfahrungen reicher.

Jedenfalls kurz gesagt, mit der Einstufung zur Schwerbehinderung, begann eine "Schlammschlacht" ohne gleichen. Ich habe dann, über fast 2 Jahre hinweg, ein "Orkan-Tief" mit Na-men Mobbing erlebt und in der ganzen Zeit, eigentlich für 2 gearbeitet, mich zusammen gerissen, mein Innerstes komplett verschlossen und bei all dem BESTÄNDIG MEIN GEHÖR VERLOREN!

Natürlich gab es dann irgendwann einen ganz großen finalen Knall. Ich war psychisch am Ende und sehr lange, sehr krank.

Nach 8 Monaten Auszeit habe ich dann meine Arbeit in der Kindertagesstätte wieder aufgenommen. Man hatte mir sehr viel nehmen können…ABER NIE mein eigenes Wissen, dass ich einen verdammt guten Job mache UND es liebe mit Kindern zu arbeiten.

Allerdings hatte ich auch niemals zuvor eine solange Auszeit vom Berufsleben gehabt und in diesen 8 Monaten, ist mein Gehör ja auch weiterhin schlechter geworden. Mittlerweile wurde ich aber auch vom Integrationsfachdienst für Hörbehinderte betreut und dies erleichterte mir natürlich die Kommunikation mit meinem Arbeitgeber. Es wurden mir Zugeständnisse in form einer Mikro - Link Anlage gemacht… und das war es!!

Zurück in der Kindertagesstätte merkte ich, (denn mein Gehör wurde schlechter und schlechter) dass ich meine Arbeit nicht mehr schaffte und somit stellte ich einen erneuten Antrag auf Umschulung bei der BFA.

Meinem Arbeitgeber sagte ich erst einmal nichts, ich kam zurecht. Jeder, der langsam sein Gehör verliert weiß, wie viele tausend Tricks es gibt, auf andere Sinne auszuweichen. Als ich merkte, dass meine Sprache litt - ich geriet häufiger ins Stocken, da ich nicht mehr wusste wie man ein Wort ausspricht, wie es sich anhört - begann ich, laut mit mir selber zu reden.

Ich las ununterbrochen, jedem der zuhören wollte, eine Geschichte vor, (die Kinder haben mich geliebt). Zuhause las ich meine Bücher laut, ich sprach mit den Katzen, mit dem Staubsauger, aber ich sprach und es funktionierte. Lippen ablesen war Pflichtprogramm und im kombinieren von Gesprächsinhalten sind wir wahrscheinlich alle spitzenmäßig.

Im Mai 2003 hörte ich dann erstmals vom Cochlea-Implantat. Der HNO-Gutachter der BFA empfahl es mir und gab mir direkt eine Überweisung für Freiburg mit. Ich bat um einen Voruntersuchungstermin und schilderte meine momentane Problematik, besonders den Druck von Seiten meines Arbeitgebers

Im September hatte ich dann den ersten Termin in Freiburg und hatte auch erstmals Gelegenheit mich zu informieren. Kaum zuhause lag eine 6 wöchige "Berufsfindungs-Reha" in der Baumrainklinik in Bad Berleburg vor mir.

Hier hatte ich erstmals das Erlebnis …ES IST VOLLKOMMEN OK NICHTS ZU HÖREN!!! Dem damaligen Chefarzt Dr. Zeh und seinem Team bin ich heute noch dankbar für diese phänomenale Zeit in Bad Berleburg. Ich lernte, dass es kein "Verbrechen" ist, nichts zu verstehen. Hatte man nichts verstanden oder gehört, kein Problem, es wurde wiederholt und auch gerne ein zweites oder drittes Mal. Ich erfuhr nach fast zehnjähriger Taubheit links und kaum noch Hörvermögen rechts, dass ICH Rücksichtnahme ruhig auch mal einfordern darf, dass ich Zeit für mich hatte um gesund zu werden und ich WURDE optimal auf meine CI - Implantation vorbereitet, DENN………… 6 Tage nach der Rückkehr aus Bad Berleburg, hatte ich meinen OP Termin in Freiburg!!

24.11.2003 Aufnahme, OP-TERMIN 25.11.2003

Ich hatte mich in Bad Berleburg über die einzelnen Hersteller von Cochlea Implantaten informiert und hatte mich damals für das Bionic Ear System mit einem Auria von der Firma Advanced Bionics entschieden.

Es war mir damals wichtig zu wissen, dass der Magnet ambulant entfernt werden konnte, es beeindruckte mich auch die Funktionalität des Akkus. Ich wollte keine Batterien mehr wechseln und außerdem finde ich Akkus umweltfreundlicher. TJA und DANN last but not least. Die Eitelkeit spielte natürlich auch eine Rolle, denn in erster Linie bin ich schließlich Frau und der Soundprozessor IN SILBER war der Schickste der damals zu haben war. Silber passt schließlich zu jedem Make up.

Die OP verlief ohne Schwierigkeiten und ich wunderte mich wie schnell ich schon wieder fit war. Freitags, am fünften Tag in Freiburg, durfte ich schon wieder nach Hause. Es kam die Weihnachtszeit und Neujahr, ich hörte mittlerweile auch rechts nichts mehr…aber trotz allem, bis zur Erstanpassung meines Sprachprozessors, die Zeit wurde mir nicht lang. Ich konnte von den Lippen ablesen, wir verständigten uns mit Handzeichen und wenn gar nichts mehr ging, dann eben mit Stift und Papier. Die Freunde und die Familie. Sie alle kamen gut damit zurecht, eigentlich bemerkenswert, da ich nur hörende Menschen kannte. Aber wir hatten uns alle arrangiert und wir haben auch sehr viel, in der Zeit miteinander gelacht.

Grund zum lachen hatten wir mehr als genug, denn meine "Hörausrutscher" waren genial, sehr beliebt und sind mittlerweile schon Legende. Tja und ich gehöre zu den Menschen, die auch gerne über sich selbst lachen.

MIT DEM LACHEN WAR ES DANN IM JANUAR 2004 VORBEI!

Jeder hatte mir zum Thema CI gesagt, dass ich meine Erwartungen nicht zu hoch schrauben sollte, aber ich war dann doch nicht auf dieses elende Erlebnis der Erstanpassung gefasst. Man glaubt doch insgeheim immer, dass man in irgendeiner Form etwas HÖRT. Ich kam mir jedenfalls vor, wie wenn ich auf dem Petersplatz in Rom stände und ringsherum würden alle Glocken Roms läuten. Ein unablässiges Geklingel und das auch noch sehr blechern. Der Techniker in Freiburg beruhigte mich aber, es würde von Einstellung zu Einstellung besser werden. Das Sprachverständnis war am ersten Tag gleich null, der zweite und der dritte Tag waren ähnlich, aber…ab und an konnte ich schon ein Wort erkennen, einen Satz verstehen, bzw. kombinieren.
Alle Menschen die mich im CI-Centrum in Freiburg betreuten, sprachen mir Mut zu, besonders Herr Roth der Techniker, kümmerte sich hervorragend um mich und versicherte mir, dass wäre alles im normalen Bereich. Trotzdem fuhr ich nach fünf Tag in Freiburg total desillusioniert nach Hause. UND FIEL…..IN EIN TIEFES, TIEFES LOCH.

Niemand hier in der Eifel hatte Erfahrung mit CI´s. Kaum jemand wusste überhaupt etwas darüber. Weder Krankenkasse noch HNO-Arzt konnte mir in Sachen Hörtraining weiterhelfen. So stattete ich, da ich ja nicht telefonieren konnte, den Logopädie - Praxen zu Fuß Besuche ab und stieß leider sehr häufig auf Unwissen und totales Desinteresse. Meine Verordnung für Hörtraining war schon lange abgelaufen, als ich durch Zufall über einen ortsansässigen Logopäden, die Adresse von Fr. Valerius in Trier erhielt. Sie praktiziert in Trier als Sprachheilpädagogin und hatte Erfahrung mit CI-Patienten. Ich nahm Kontakt auf und erhielt Hilfe.

Das Hörtraining begann und es war grauenhaft für mich. Ich hatte es mir einfacher vorgestellt, nicht so schwierig, so mühsam. Es hört sich jetzt sehr kitschig an aber… Ich watete die ersten Monate durch ein tiefes Tal der Tränen. Rückblickend kann ich dazu nur sagen, dass ich Fr. Valerius immer dankbar sein werde, denn sie hat nicht nur logopädische Hilfe geleistet, sie war schlicht und einfach mein Rettungsanker, denn es gab in dieser Zeit, Momente in denen ich an meinem Hörverlust verzweifelte……..

Erst nach der zweiten Einstellung, im März in Freiburg, ging es langsam bergauf. Herr Roth versicherte mir nochmals, dass sei alles ganz in Ordnung. Bei mir würde es vielleicht länger dauern, weil….ich links schon so lange nichts mehr gehört hätte, weil es mir psychisch nicht so besonders gut ging, weil, weil, weil…

Ich hatte zuvor immer Berichte in der "Schnecke" gelesen - da war ständig die Rede davon, wie toll doch alles mit CI ist. Ich empfand das nicht als toll, ich hätte es am liebsten an die Wand geschmissen! ES GING ABER WEITER UND ES GING TATSÄCHLICH BERGAUF!

Im April konnte ich schon kleine Sätze ohne Mühe verstehen und einige auch, ohne das Mundbild meines Gegenübers sehen zu müssen. JA und im Mai, hörte ich dann erstmals wieder einen Vogel zwitschern! Das hatte ich seit 20 Jahren nicht mehr gehört.

Es vergingen die letzten Jahre mit Einstellungen, Hörtraining etc. etc. Meinen Beruf konnte ich nicht mehr ausüben, es gab endlose Anträge bei Krankenkassen, Bundesanstalt für Arbeit, dem Deutschen Rentenbund. Es folgten Gutachtertermine über Gutachtertermine. Jeder der davon betroffen war, oder ist, weiß wovon ich rede. Man kann nicht telefonieren und muss alles persönlich erledigen. Mittlerweile war es 2005 UND ICH DER PROFI, für jedes Amt und jeden Antrag, den man stellen kann und sollte.

Allerdings…muss ich auch meine Krankenkasse lobend erwähnen. JA…. auch wenn Sie es nicht glauben. Die Barmer Ersatzkasse in Bitburg hat mich bei allen Anträgen immer unterstützt. Wenn gar nichts mehr ging, haben sie es für mich geregelt. Auch Fr. Valerius und Fr. Poetschke, vom Integrationsfachdienst der Caritas in Trier, waren immer da, wenn es darum ging, ein Telefonat zu erledigen, Anträge zu hinterfragen oder mich zu Gutachtern zu begleiten. Es war eine endlos stressige Zeit. Über all dies könnte ich wohl ein ganzes Buch schreiben, denn das würde hier den Rahmen sprengen.

Und ich bekam auch noch eine Verordnung für ein zweites Cochlea Implantat.

Anfang 2006 wurde ich auf Dauer berentet und kurz danach, kam auch die Ablehnung zur Kostenübernahme für ein zweites CI. Die Gründe, die dort für eine Ablehnung aufgeführt waren, riefen aber den alten Kampfgeist hervor, obwohl ich mich eigentlich, damit hatte abfinden wollen. Denn…ich war ja zufrieden mit meinem CI und kam gut zurecht.
Aber, wie schon erwähnt, die Begründung im Ablehnungsbescheid…sorgte für Grummelei und Ärger ganz tief in meinem Innern UND ich legte Widerspruch ein. Drei Wochen später hatte ich die Zusage für mein zweites CI. Ok, es war toll, aber…ich dachte auch, jetzt geht der ganze Stress von vorne los, nur diesmal nicht links sondern rechts.

Aber Wunder geschehen und diesmal mit dem Namen:

TRIER - DR. KALDENBACH UND TEAM……SOWIE MED-EL!!!

Anfang 2006 ging schon "das Gerücht" durchs "CI-NET", dass Trier nun auch ab 2006 CI implantieren möchte. Ich sprach mit Fr. Valerius darüber und kam zu dem Entschluss, es könnte ja nicht schaden, sich einmal unverbindlich in Trier im Mutterhaus zu informieren. Freiburg war toll, ich danke auch allen dort, aber die Fahrt war immer lang und auch sehr kostenintensiv. Die Kinder sollten auch nicht schon wieder so häufig ohne Mama sein, es war einfach bequemer, denn Trier ist mal gerade 30 km von Bitburg entfernt. Ich war zwar mit meinem Advanced Bionics soweit… vom Hören her zufrieden, hatte aber in den letzten Jahren, einige ungute Erfahrung mit dem Kundenservice gemacht, so dass ich mir sowieso überlegte, rechts ein CI von einem anderen Hersteller implantieren zu lassen. Auch folgende Fragen waren mir wichtig. Ist in Trier jemand vor Ort, der mir bei Problemen sofort weiterhelfen kann, wie sehen die Service - Leistungen anderer Hersteller aus? Ich bekam einen Termin in Trier, Fr. Valerius begleitete mich. Und damit begann MEIN PERSÖNLICHES WUNDER!!!!!

Der verantwortliche Arzt, der für die CI - Zukunft im Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier zuständig ist, war Dr. Kaldenbach. (und mittlerweile ist er Leiter des CIC-Trier…also…HURRA…für alle zukünftigen Patienten). Man nahm sich bei meinem "Schnupper-Termin" sehr viel Zeit für mich und beantwortete alle meine Fragen. Danke aber auch hier, an Dr. Neuberger, der mich als Arzt in der HNO Ambulanz empfangen hat und DER SO SICHER MIT MIR ÜBER CI´S SPRACH, dass mir sofort klar war, dass sie in Trier genau wissen was sie tun und vor allem, was sie erreichen möchten!

Nach dem Erst-Termin dann mit Dr. Kaldenbach und dem Chefarzt der HNO, Herrn Dr. Schwerdtfeger, war für mich auch klar, dass ich mein zweites CI in Trier einsetzen lassen werde UND das ich mich für ein Implantat der Firma MED - EL entscheide. Ausschlaggebend war, wie schon erwähnt, dass ich mich vom Service der Herstellerfirma habe leiten lassen. Von anderen CI-Patienten, die mit Med-El versorgt sind, hatte ich immer nur GUTES gehört und das war der Grund, warum letztendlich rechts ein Med-El und kein Advanced Bionics implantiert werden sollte. Vom Hören her war ich mit AB zwar zufrieden (ich kannte aber auch nun mal nichts anderes) aber…

Da noch einige private Termine Vorrang hatten, vereinbarten wir einen OP - Termin für mein CI rechts, im Oktober. Langsam begann ich mich mit dem Gedanken an ein zweites CI anzufreunden…...aber

Man soll sich ja nie zu früh freuen, dass alles glatt läuft, denn…

Am 22. Juli 2006 (Toller Tag, mein Geburtstag!) funktionierte mein CI links nicht mehr. Ich erneuerte alle austauschbaren Teile der Technik, nichts ging. Dann dachte ich, da es ja sehr heiß war zu der Zeit, nun ja, der Sprachprozessor muss nochmals ins Trockenkissen, er ist evtl. zu feucht geworden. Der 22. Juli war ein Samstag, ich erreichte natürlich auch niemanden in Freiburg, bzw. Hannover, dem Firmensitz von AB. Es war wieder absolute Stille und ich von E-Mails abhängig. Ab Montags ging dann ein Austausch von E-Mails und Sp´s los und hin und her.

ABER.....so ab und an hat man ein "Bauchgefühl", dass einem vermittelt…...das Implantat ist defekt! Vorsorglich schrieb ich Dr. Kaldenbach eine E-Mail und erkundigte mich nach evtl. Re-Implantation……denn ich dachte mir, wenn das Implantat defekt ist, dann fahre ich nicht für meine "linkes Öhrchen" nach Freiburg und habe dann 6 Wochen später die zweite CI -OP rechts in Trier. So "vergnügungssüchtig" bin ich nun auch wieder nicht.

Dr. Kaldenbach hatte da schon mein vollstes Vertrauen und…...ER KÜMMERTE SICH zusammen mit Fr. Rademacher, (Geschäftsführerin der Firma Autec in Trier und freie Mitarbeiterin des Mutterhauses) die später die Einstellungen der CI´S vornehmen sollte. Sie organisierten 2 Mitarbeiter der Firma AB, zwecks Systemüberprüfung meines Implantates. WOW, ich war begeistert. Da war ich noch nicht mal Patientin in Trier und sie hatten auch keine Möglichkeit, Systeme von Advanced Bionics zu überprüfen, ABER ES WURDE MIR GEHOLFEN!

UND …wie sollte es wohl auch sein…...Pechvogel der Woche…………kompletter Systemausfall links. Da war ich schon 10 Tage wieder in absoluter Stille und erfuhr, dass ich nun innerhalb kürzester Zeit, nicht nur ein CI, sondern gleich 2 bekommen würde. Das war erst einmal ein gewaltiger Schock. Nachdem mir das mitgeteilt wurde, wollte ich nur noch Hause, um das zu verarbeiten. Kaum war ich dort angekommen, fand ich schon eine E-Mail von Dr. Kaldenbach auf meinem PC vor, dass ich bitte am nächsten Tag zur Voruntersuchung kommen möchte um dann am Donnerstag die CI - OP links durchzuführen.

Nachdem ich das gelesen hatte, brach meine Welt komplett zusammen. Natürlich wollte ich nicht solange in der Stille leben, aber…innerhalb von 3 Tagen unters Messer??? Jede Angst, die ich irgendwann mal hatte kam wieder hoch und vor allem die Frage, was wird dann, nach der Erstanpassung. Alles wieder von vorne, genauso soviel Ärger, Wut und Trauer, soviel Anstrengung, um noch mal das bis jetzt erreichte "Hörlevel" wieder zu bekommen? Fragen über Fragen und ganz viele Ängste.

Am nächsten Tag war ich aber unterwegs im Mutterhaus UND ES WAR SCHLIMM. Das erste Mal seit Jahren, dass ich mich alleine "durchschlagen" musste, so kurzfristig konnte mich niemand begleiten UND ICH kannte mich im Mutterhaus überhaupt nicht aus. Irgendwann am frühen Nachmittag war es aber geschafft und ich hatte noch die Freude, Herrn priv. Doz. Dr. Müller aus Würzburg, kennen zu lernen. Dr. Kaldenbach hatte an diesem Tag im Mutterhaus, die erste CI - OP in Trier durchgeführt und Herr Dr. Müller war ebenfalls anwesend. Beide besprachen noch einmal den System - Ausfall meines CI´S mit mir und Herr Dr. Müller beruhigte mich etwas, indem er mir einen Teil meiner Ängste nahm und mir sagte, dass ich sicherlich, nicht wieder GANZ BEI NULL anfangen würde.

In diesem Gespräch wurde auch mein Advanced Bionics besprochen und…. es war zwar noch nicht Weihnachten………… ABER …ich durfte mir etwas wünschen. Nämlich ob links wieder Advanced Bionics implantiert werden soll oder evtl. auch ein CI der Firma Med-El. Da ich mich schon rechts für Med-EL entschieden hatte, war es eine Freude zu erfahren, dass ich das System links auch wechseln durfte und ich nahm diese Gelegenheit dankbar wahr.

Der OP - Termin wurde dann auf Freitag, den 04.08.2006 gelegt und die 3 Tage vergingen so im Flug, dass die Angst, vor dem was kommt, sich nicht so richtig breit machen konnte. Freitagmorgen war ich dann auch auf der Station und fühlte mich direkt gut aufgehoben. Ich wurde auf das Zimmer gebracht und wirklich ALLE waren von Anfang an sehr, sehr lieb und äußerst hilfsbereit. Es tat sehr gut, von Dr. Kaldenbach begrüßt zu werden und es gab ein Gefühl von Sicherheit bei der Visite schon einige Ärzte wieder zu sehen, die sich in der Ambulanz um mich gekümmert hatten.

Trotzdem, das mulmige Gefühl ist und war da und WAS BIN ICH DOCH DANKBAR FÜR DIESE BERUHIGUNGS-SCHNÄPSE, die immer so nett vor OP´s gereicht werden! Haare musste ich auch nur wenige lassen und irgendwann war ich schon im OP und lächelte noch Herrn Dr. Müller an….
Das Aufwachen dagegen war nicht so schön. Entgegen der ersten CI - OP links, hatte ich diesmal so richtig Schmerzen und da ich auch sehr schlecht Narkose vertrage, war es eine äußert schlimme Nacht für mich. Trotzdem, es war toll!! Toll??? Wenn man Schmerzen hat und ohne Ende erbricht??

Ja, DENN es war ständig jemand da, der sich um mich gekümmert hat. Ich hatte zwei ganz liebe Damen auf dem Zimmer und irgendwie den Eindruck, dass die Nachtschwester neben mir gestanden hat, auch dass ein Arzt zweimal nach mir geschaut hat, all das ist mir in so guter Erinnerung geblieben, dass ich mich zwar morgens wie gerädert fühlte, aber trotzdem gut. Denn ich wusste…. hier wirst du nicht allein gelassen!!

Ebenso in den nächsten Tagen. Absolut …GOLD…bei der Florence-Nightingale- Weltmeisterschaft (wenn es denn eine geben würde) für das Pflegepersonal der Station 7 HNO Mutterhaus Trier! (Merken sie es sich gut, für Ihre nächste CI - OP)

Ebenso preisverdächtig, das Ärzte - Team, allen voran Herr Dr. Kaldenbach!!!! Ich hatte bis heute noch nicht einmal den Eindruck, dass es (was ja leider in so vielen Krankenhäusern üblich ist) überhaupt Zeiten gab, wo Fragen nicht beantwortet wurden. Es war IMMER Zeit vorhanden! Es gab keine Hoppla - Hopp - Visiten und jeder Arzt, gab sich sehr viel Mühe, mir meine Stille zu erleichtern und auch erträglicher zu machen. Das fand ich schon bemerkens- und auch erwähnenswert, denn die Ärzte dort, hatten ja auch noch keine, oder kaum, Erfahrungen mit CI Patienten gemacht. Dafür möchte ich ihnen allen noch einmal von ganzem Herzen danken.

DANN….kam die lange Zeit zuhause und diese Zeit war wirklich schlimm. Wenn man mit CI wieder hört und dann auf einmal wieder zurück muss, in die Stille komplett eintauchen muss, es war schlimm. Ich musste mich wieder an Lippen ablesen gewöhnen und stellte fest, dass ich das ja gar nicht mehr so perfekt konnte, wie noch vor drei Jahren und ich hatte auch keine Lust mehr dazu. Die Wochen vergingen überhaupt nicht. Es war Sommer und ich machte kaum etwas. Insgesamt hatte ich am Ende …8 Wochen seit Systemausfall links in der Stille verbracht, allerdings, man gewöhnt sich aber, nach einer Zeit, auch wieder gut daran.

TROTZDEM, HABE ICH MICH SELTEN IN MEINEM LEBEN, SO DARÜBER GEFREUT, EINEN MANN WIEDERZUSEHEN, WIE HERRN LEHNING VON MED - EL.

Am Montag den 11.09.2006 begann dann die Reise mit dem achten Weltwunder Med-El. Zusammen mit Fr. J., die drei Tage vor mir operiert worden war, begann die Einstellung, durch Herrn Lehning, Fr. Rademacher und Herrn Dr. Kaldenbach. Ein Freund hatte mich begleitet, weil ich wissen wollte wie seine Stimme mit Med-El klang, ähnlich wie mit Advanced Bionics. Ich ging mit meinem CI "online" und…WOW kein piepsen kein blecherner Klang, was war ich erleichtert. SOFORT Wortverständnis und ein ganz, ganz anderes Hören als mit meinem AB…Ich erhielt noch eine Feineinstellung an diesem Tag, erstes Hörtraining, Audiologie und es klappte schon sehr gut.

TJA UND DANN kam der Dienstag der Drittschönste Tag meines Lebens (wenn man bedenkt, dass ich die Geburt meiner beiden Kinder als erst- und zweitschönsten Tag bezeichne, ist das doch schon was, oder?) Herr Lehning hatte an diesem Tag in Aachen eine Autopanne und konnte erst später kommen. Dr. Kaldenbach fragte mich, ob es mir recht sei, wenn er die Einstellung übernimmt und es war mir recht. Im Nachhinein haben wir es das "Kaldenbach - Programm" getauft!!! Ich wurde eingestellt UND es war NOCH BESSER als ich es erwartet habe. Ich spulte am Vormittag mein Programm ab und registrierte schon so vieles was nicht möglich war mit dem ersten CI von Advanced. Dann wurde am Nachmittag noch ein wenig an dem Programm "gefeilt" und ich wurde ins wirkliche Leben, in die Stadt geschickt.

Was soll ich Ihnen sagen????? Normalerweise neige ich überhaupt nicht zu öffentlichen Heulanfällen, aber diesmal? Ich ging durch die Stadt und hörte differenziert, ein Auto war ein Auto, ich VERSTAND MENSCHEN DIE SICH AUF DER STRAßE UNTERHIELTEN!!! Ein Kind lachte, ein anderes schrie und ich nahm dies alles "normal hörend" wahr.

Mein Ziel war ein großer Buchladen in der Innenstadt. Dort arbeitet eine gute Freundin von mir. Sie war erst einmal geschockt als ich schluchzend vor ihr stand und meinte, Mensch Gisi, jetzt sag´ bitte nicht, dass das neue CI auch wieder Sch…ist?" Als ich dies verneinte, wurde ich gedrückt ohne Ende und einige Kunden haben ganz sicher an unserem Verstand gezweifelt, da wir ein abenteuerliches Tänzchen aufgeführt haben…

Am Tag danach war es eine Freude zu sehen, wie sich Herr Lehning, Fr. Rademacher, Dr. Kaldenbach und alle anderen mit mir gefreut haben. Die Audiologie war ein voller Erfolg meine "Hörkurve" schon so richtig gut, es lief bestens. Ich, die ich seit Jahren größere Menschenansammlungen gemieden hatte, setzte mich am späten Nachmittag mitten in Trier in den Außenbereich eines Gastronomiebetriebes und hörte einer Wahlveranstaltung zu ABSOLUT UNINTERESSANT ABER EGAL. ICH VERSTAND ALLES!!!!!!!

In den nächsten Tagen kam ich aus dem Staunen über mich selbst nicht mehr heraus. Dr. Schwerdtfeger stellte mich z.B. einigen Studenten vor und ich war in der Lage mit diesen Menschen, in einem großen Raum, zu kommunizieren OHNE nachfragen zu müssen. Als ich schließlich nach hause entlassen wurde, fühlte ich mich wie mit einem Sechser im Lotto beschenkt.

Aber, es war nicht so, dass ich mich jetzt unendlich auf das zweite CI freute. Ich sah auch dieser OP mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Alles lief bestens und dann in so kurzer Zeit die nächste OP? Auch jetzt hatte ich wieder Angst. ABER der 9. Oktober rückte unauf-haltsam näher, ich war inzwischen mehrmals noch zur Feineinstellung gewesen und hatte sehr, sehr gute Hörerfolge. Meine Kinder, Freunde und Familie, sie alle hatten sich noch nicht daran gewöhnt, dass ich so gut höre und jetzt evtl. noch besser? Würde es einfacher werden als beim ersten Mal links mit CI? Wie ist es wieder stereo zu hören?

Der 9.10.2006 war da, es gab ein "Schnäpschen" und same procedure as two months ago… Ja und HURRA….es ging mir rechts genauso gut wie bei der ersten CI - OP links. Toll ich wurde noch im Aufwachraum wach, konnte mich direkt mitteilen und da ich diesmal einen anderen "Narkose - Cocktail" erhalten hatte, hielt sich auch die Übelkeit sehr in Grenzen. Sehr schnell war ich wieder fit und auch zuhause. Diesmal wurde mir die Warterei ja nicht so lang, da ich ja links bestens versorgt war.

Zur Erstanpassung (mittlerweile war das Mutterhaus so was wie mein Zweit - Wohnsitz) war ich zwar angespannt aber nicht voller Angst. Es war beruhigend zu wissen, dass ich ja links sehr gut hörte… Allerdings wurde das linke CI am 20.11.06 dann erstmal weggepackt und Gisela ging dann Rechts online!! Es war phänomenal, die ersten Stunden lustig…. Herr Lehning und Dr. Kaldenbach hörten sich "Micky - Maus mäßig" an, Fr. Rademacher seltsamerweise nicht und das war für uns beide dann doch schon sehr lustig. ABER, ich verstand schon Wörter, im Laufe des Tages Sätze und dienstags konnte ich rechts schon kommunizieren. Eine Feineinstellung nach der anderen wurde gemacht und jede einzelne verbesserte mein Hören. Die ersten Wochen trug ich in Absprache mit Fr. Rademacher das CI hauptsächlich rechts und links von Tag zu Tag eine Stunde mehr. Wir haben so das "Stereo - Hören" mit 15 Minuten täglich angefangen und allmählich gesteigert. Das war für mich optimal.

Dann gab es eine sehr gute Nachbetreuung und ich erlebte es, dass es ein (Entschuldigung an alle CI - Techniker, IHR SEID ALLE TOLL) für mein eigenes Hörerlebnis, ein sehr großer Vorteil ist, dass Fr. Rademacher nicht nur Technikerin ist sonder auch Hörgeräteakustik - Meisterin. Hörgeräteakustiker können sehr gut nachempfinden, wenn Patienten von "komischem Klang", schrillem Hören und und und erzählen, Fr. Rademacher weiß was damit anzufangen. Mittlerweile haben wir einen ganz eigenen auf mich persönlich eingestellten Rhythmus gefunden, der hervorragend klappt und sehr harmonisch ist.

Was bleibt noch zu sagen? Mittlerweile habe ich die neuen SP´S von Med-El und vom Hören her??? Ich bin wieder Anfang 20! Ich fühle mich wie zu Zeiten, als meine beginnende Schwerhörigkeit festgestellt wurde. In den ersten Wochen schwebte ich im siebten Himmel. Ich konnte überhaupt nicht genug hören, habe mich nicht "satt hören können", ich war gierig zu hören. Musik. Ein einziger Traum, ich hörte wieder Musik, meine Welt war und ist in Klänge getaucht worden. Aber war ich wirklich im siebten Himmel. Meine ganze Umwelt war begeistert, und fragte ständig, ist das nicht toll, DU MUSST dich doch freuen. Und ich konnte mich irgendwie nicht freuen.

Erst jetzt mit dem sehr guten Hörerfolgen, kam die ganz Trauer über den Hörverlust, die Ertaubung hoch. Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass ich diese Trauerarbeit längst bewältigt hatte, aber nein. Sie schlug zu mit voller Wucht. Doch das Mutterhaus bot mir auch hier wiederum Hilfe in Form von psychologischer Betreuung durch Herrn Dr. Gerhards an und DAS tat mir sehr gut.

Jetzt bin ich stereo online und jeden Tag dafür dankbar, dass ich mich auf das Abenteuer CI eingelassen habe. Es soll nicht blasphemisch klingen, aber oftmals denke ich daran, wie sich der Gelähmte gefühlt haben muss, als Jesus ihm sagte steh´auf und gehe! Das CI ist für mich ein ähnliches Geschenk, eine Aufforderung, eine Möglichkeit am Leben wieder teilnehmen zu können, mit Freude mit Dankbarkeit und mit so vielen unendlich schönen Hörerlebnissen.

Selbstverständlich gibt es jetzt auch Grenzen und auch schwierige Situationen. Meine Kids schätzen es manchmal gar nicht so, dass ich wieder gut höre. Immer dann wenn ich sage, macht die Musik leiser, oder... die Bemerkung kannst du dir sparen, ich habe das sehr wohl gehört. Meine liebsten Freunde vermissen so manches "Anekdötchen", dass ich durch "Nicht-Verstehen" so geleistet habe, aber ALLE sind glücklich, dass es mir so gut geht mit den CI´S.

Am Ende möchte ich noch DANKE sagen. Es ist mir Wichtig!! Einmal sagen zu dürfen,

And the Oscar goes to... Meinen Kindern Alina und Maurice-Philippé, dafür dass sie so geduldig diesen Weg mit mir gegangen sind.

Meinen Freunden, DANKE FÜR ALLES

Meiner Familie, Dem Team um Dr. Zeh, damals in der Baumrainklinik, dem Team Freiburg, besonders Herrn Roth, Fr. Poetschke vom IFD der Caritas in Trier, Fr. Valerius, die beste Sprachtherapeutin überhaupt. Meiner HNO Ärztin vor Ort, Fr. Dr. Herwig -Klein, der Barmer Ersatzkasse Bitburg, besonders Herrn Schmitt.

Michael Schwaninger DANKE für´s Mut machen, Rat geben und Daumen drücken

Herrn Dr. Gehards, Und dann, Med-El, Herrn Lehning, Fr. Rademacher, Herrn priv. doz. Dr. Müller, dem Team des CIC - Trier, ja und zum Schluss dem Menschen, dem ich für seine Einfühlsamkeit, seine Fürsorge und für seine hervorragende medizinische Betreuung, eigentlich gar nicht genug danken kann.

Herrn Dr. T. Kaldenbach, Leiter des CIC Trier (best Doc in town)

Gisela Kettnus-Mistrali

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