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Feuerwehrmann sein mit Cochlea Implantat,
geht das überhaupt?

Ich habe es mir gerade auf dem Sofa gemütlich gemacht und schaue meine Lieblingssendung, als keine fünf Minuten später der Einsatzalarm per SMS mein Handy laut schrillen lässt. Erschrocken schaue ich eine Sekunde auf mein Handy, um das Einsatzstichwort abzufragen: F 1Y, Dachstuhlbrand, Personen in Gefahr. Ich springe auf, verlasse das gemütliche Sofa, schlüpfe in meine Schuhe, rufe meinen Eltern „Einsatz!“ zu und brause mit dem Auto zu unserem Feuerwehrhaus im Ort. Meine Feuerwehrkameradinnen und -kameraden und ich sind sehr aufgeregt, trotzdem laufen alle erforderlichen Schritte geordnet und koordiniert ab, um die Gefahr an der Einsatzstelle möglichst schnell zu beseitigen.

Ich heiße Jan Röhrig, bin 23 Jahre alt und von Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig. Im Alter von 4 Jahren habe ich mein erstes Cochlea Implantat bekommen. Fortan trage ich auf dem linken Ohr ein Hörgerät und auf dem rechten Ohr das CI, welches 2016 wegen eines Ausfalls reimplantiert werden musste.

Ich bin ehrenamtlicher Feuerwehrmann bei der freiwilligen Feuerwehr in meinem Ort und im Besitz des goldenen Rettungsschwimmscheins. Um den Rettungsschwimmschein aktuell zu halten, gehe ich regelmäßig ins Schwimmtraining und lege alle zwei Jahre eine Wiederholungsprüfung ab. Als Feuerwehrmann nehme ich an zwei bis drei Lehrgängen im Jahr teil, um auf dem aktuellen Stand von Rettungsstrategien zu bleiben.

Jetzt könnten sich einige fragen: “Wie kann man denn als Schwerhöriger Feuerwehrmann sein?! Auf Einsätzen ist doch so viel Lärm, da versteht man ja gar nichts!“. Das ist gar nicht mal so weit von der Realität entfernt. Es stimmt, ich habe eine Menge Hürden zu überwinden, was mich allerdings nicht davon abhält, anderen Menschen in ihrer Not zu helfen.

Es beginnt beim Sprechen über die Funkgeräte. Die Sprachqualität ist tatsächlich so miserabel, dass selbst meine guthörenden Kameradinnen und Kameraden oftmals nur die Hälfte verstehen. Sie können sich allerdings etwas damit behelfen, dass es beim Sprechen über Funk bestimmte Vorgaben bzw. festgelegte Ausdrucksweisen gibt, an die sich jeder halten muss. Ich allerdings verstehe nahezu 0 %, maximal ein Wort pro Meldung. Mit einem solch schlechten Sprachverstehen über Funk ist es mir auch nicht möglich, selbst zu funken. Da bei der Feuerwehr die kleinste taktische Einheit, der Trupp, aus zwei Einsatzkräften besteht und nur ein Funkgerät bekommt, funkt immer mein Truppkamerad und übersetzt das Wichtigste für mich. Viele Informationen werden auch über Handzeichen übermittelt. Sind die Entfernungen klein, kann teilweise auch auf den Funk verzichtet werden und der Einheitsführer kann mir direkt lautsprachlich Befehle erteilen.

Trotzdem kommt es natürlich auch vor, dass ich einen Befehl nicht wahrnehme und für einen Moment nicht weiß, was ich tun soll. In diesem Fall versuche ich entweder, nochmal nachzufragen oder ich sehe, was die anderen Kameraden/innen tun und ich unterstütze sie dabei.

Neben der schlechten Funkqualität ist auch der Lärm an der Einsatzstelle eine große Herausforderung für mich. Es laufen die Fahrzeugmotoren, Stromerzeuger und Feuerlöschkreiselpumpen auf Hochtouren. Außerdem zischt auch das aus dem Schlauch spritzende Wasser sehr laut. Dummerweise liegt der Frequenzbereich dieses Zischgeräuschs sehr nah am Frequenzbereich von Sprache, sodass mir in dieser Situation deutliches Sprechen allein nicht hilft. Hier hilft tatsächlich fast nur sehr lautes Sprechen und Rufen sowie ein halbwegs erkennbares Mundbild. Ich bin also sehr auf die Sprachqualität meiner Kameradinnen und Kameraden angewiesen und bin ihnen sehr dankbar, dass sie selbst in dieser Ausnahme- und Stresssituation – wie sie jeder Einsatz darstellt – an meine Schwerhörigkeit denken und Rücksicht nehmen.

Noch schwieriger wird die Kommunikation bei Nachteinsätzen. Zwar wird die Einsatzstelle ausgeleuchtet, aber wir können nicht jeden kleinsten Winkel mit Licht fluten. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Mundbilder im Schatten sind praktisch nutzlos für mich. Hinzu kommt, dass die Mundbilder im stroboskopartigen Aufleuchten des Blaulichts der Feuerwehrfahrzeuge noch schwerer zu erkennen sind. Bei Nachteinsätzen bin ich also umso mehr auf Handzeichen und Blickkontakt zu meinen Kameraden/innen angewiesen.

Da die Empfängerspule des Cochlea Implantats bei der Operation an verschiedenen Stellen am Kopf platziert werden kann, bin ich froh darüber, dass diese Spule bei mir an einer Stelle sitzt, wo der Feuerwehrhelm nicht drückt und zu Schmerzen führt. Ich freute mich auch darüber, dass ich als Erster einen der neu eingeführten Feuerwehrhelme mit Kopfweitenschnelleinstellung bekam. Zum Aufsetzen stelle ich den Helm ein wenig weiter, damit die Sendespule (Headpiece) nicht abrutscht. Anschließend kann ich dank der Schnelleinstellung den Helm soweit festziehen, dass er gut sitzt und nicht drückt oder schmerzt! Das war mit den alten Helmen ohne Schnelleinstellung nicht möglich, sodass entweder beim Aufsetzen die Sendespule abrutschte oder der Helm viel zu locker war.

Allen CI- und Hörgeräteträgern dürfte bekannt sein, dass CI´s und Hörgeräte nicht gerne baden gehen. Es gibt zwar schon Lösungen, ich allerdings habe keine wasserdichten Geräte. Zum Glück muss ich mir darüber im Einsatz auch keine großen Gedanken machen, da es quasi einer der obersten Leitsätze bei Einsätzen ist: „Bleib trocken!“. Denn wer sich mit durchnässter Einsatzkleidung dem Feuer zu sehr nähert, wird sprichwörtlich gekocht. Einsatzkleidung schützt nur vor Feuer und Hitze, wenn sie trocken ist! Im Einsatz bedeutet das: Unbedingt darauf achten, dass man andere Kameraden/innen und sich selbst nicht nass macht, sonst heißt es zunächst Game Over. Entweder muss man die Einsatzstelle verlassen oder bekommt Ersatzklamotten. Auch bei Regen muss ich mir keine großen Sorgen machen, da der Feuerwehrhelm meine Blechohren gut schützt und sie somit nicht nass werdensmile.

Zum Glück ist es mir noch nie passiert, dass während des Einsatzes die Batterie vom Hörgerät oder der Akku vom CI den Geist aufgegeben hat. Aber ich denke auch mit einer solchen Situation würde ich mehr oder weniger gut klarkommen. Da an der Einsatzstelle sowieso viele Informationen visuell übermittelt werden, würde ich so lange warten, bis ich kurz nichts zu tun habe, um dann den Akku oder die Batterie zu wechseln. Im Notfall würde ich jemanden anfordern, der mich z.B. am Schlauch ablösen kann. Wir bei der Feuerwehr achten aufeinander und gehen kameradschaftlich miteinander um, sodass wir für alle Probleme auch eine Lösung finden!

ALLE BRAUCHEN DIE FEUERWEHR BRAUCHT DICH

An dieser Stelle möchte ich gerne darauf aufmerksam machen, dass der Großteil aller Feuerwehren in Deutschland freiwillige Feuerwehren sind und nur allein durch ehrenamtliche Feuerwehrfrauen- und Männer überleben können. Ich freue mich darüber, dass es so viele Menschen gibt, die sich freiwillig für andere Menschen in Not einsetzen und keine Gegenleistung dafür erwarten. Umso wichtiger ist es, dass das so bleibt! Deswegen ist die Feuerwehr ständig auf der Suche nach neuen Kameraden und Kameradinnen. Feuerwehrmann oder Frau kann fast jeder werden, selbst eine Behinderung wie bei mir muss kein Ausschlusskriterium sein. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! „Feuerwehrmann sein mit CI, geht das überhaupt? – JA, auf jeden Fall!“

Abschließend würde ich mich besonders über Rückmeldungen von CI- oder Hörgeräteträgern freuen, die ebenfalls Einsatzkräfte bei der Feuerwehr, THW, DLRG, Malteser, Rotes Kreuz oder Polizei sind. Ich glaube, ein Erfahrungsaustausch für Hörgeschädigte ist in diesem Bereich echt selten und darum umso wertvoller, um seinen Einsatzalltag noch erfolgreicher meistern zu können! Rückmeldungen gerne an meine Emailadresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!!

November 2018
Jan Röhrig