Jedes neue Wort ist ein Wunder - Unser Erfahrungsbericht
Von Olga Catanese
Der holprige Weg bis zur Diagnose
Angefangen hat es bei uns, wie bei vielen anderen, mit einem auffälligen Hörscreening unserer Tochter A.. Ich habe mir damals nichts dabei gedacht, da ich von vielen ähnlichen Fällen hörte, die in der Kontrolle dann ein unauffälliges Ergebnis hatten. Schließlich gab es bei uns in der Familie bisher niemanden mit einer Schwerhörigkeit. Auch andere Risikofaktoren gab es bei uns nicht. Nach vier Wochen gingen wir dann zum niedergelassenen HNO-Arzt, der auch ein negatives Ergebnis (OAEs negativ) gemessen hat. Wir wurden vertröstet. Da die Bogengänge noch zu eng sein könnten und das Ergebnis somit falsch negativ sein kann, sollten wir in einem Monat wieder kommen. Unser Kinderarzt hat eine Vorstellung beim Pädaudiologen empfohlen. Rund eine Woche später waren wir bei dem Pädaudiologen Dr. T.. Nach einer nicht einmal fünf Minuten andauernden Messung kam die Entwarnung. OAEs waren da und der Test somit unauffällig. Wir sollten sicherheitshalber in einem Monat zum BERA-Test kommen. Wir waren glücklich und erleichtert.
Trotzdem haben wir angefangen unsere Tochter genauer zu beobachten. Sie zeigte keine Hörreaktionen im Alltag, auch nicht bei sehr lauten Geräuschen (z.B. beim Zusammendrücken einer Plastikflasche neben dem Ohr). Kurz vor der geplanten BERA-Testung platzte ein Luftballon in der Nähe meiner Tochter, was auch keinerlei Reaktionen bei ihr auslöste. Die BERA wurde dann von Dr. T. durchgeführt. Sie war gleichfalls unauffällig. Auf meine Frage, warum sie keine Hörreaktionen zeigt, hieß es, dass sie noch zu klein sei. Während sie schlief, hat er am Ohr mit einer lauten Rassel stimuliert. Die Grimasse, die sie dabei machte, wurde als positive Reaktion gewertet. Wiederum gingen wir glücklich nach Hause.
Auch in den nächsten Monaten kamen keine Hörreaktionen. Ich habe mir eingeredet, dass sie nicht so schreckhaft ist. Sonst entwickelte sie sich prächtig, war stets glücklich und sehr aufmerksam. In ihrem achten Lebensmonat ging ich wieder zu Dr. T., weil A. auch nicht auf ihren Namen reagierte. Es fiel uns auch auf, dass wenn sie im Zimmer alleine war und nach uns suchte, krabbelte Sie, nach dem sie gerufen wurde, in eine entgegengesetzte Richtung und nicht zum Rufenden.
Die Vorstellung bei Dr. T. wurde mit der Ironie, dass sie vielleicht nicht auf die Eltern hören wolle, begleitet. Er hat in der Untersuchung von der Seite mit den Glöckchen geklingelt, wobei sie sich umgedreht hatte. Den Hinweis, dass sie das Glöckchen von der Seite gesehen haben könnte, wurde abgewiesen. Es würde kein Sinn machen, einen Hörtest zu machen, da sie viel Ohrschmalz hatte. Wir sollten die Ohren zwei Wochen lang auswaschen und dann wieder kommen. Nach zwei Wochen wurden OAEs gemacht. Sie waren auffällig. Mittels Thympanometrie konnte ein Mittelohrproblem ausgeschlossen werden. Wir sollten nach seinem Urlaub in zwei Wochen wieder kommen. Vielleicht war der Test ja falsch, hieß es. Bei den übrigen Vorstellungen war kein Test mehr möglich, da die Kleine nicht mehr schlafen wollte.
Schließlich wurden wir in die Uniklinik zur BERA unter Sedierung eingewiesen. Mit 10,5 Monaten wurden dann erstmals der Verdacht und dann die Diagnose einer Innenohrschwerhörigkeit gestellt. Mit 11,5 Monaten erfolgte eine Hörgeräte-Versorgung, die leider auch keinen Benefit brachte und mit 13,5 Monaten wurde unsere Tochter beidseits mit CIs in der Uniklinik Frankfurt versorgt.
Es war ein sehr holpriger Weg bis zur Diagnose. Die ganze Zeit haben wir tatsächlich geglaubt, dass unser Kind hört. Nach der Diagnosestellung suchten wir wieder Dr. T auf. Alle Vorwürfe wurden natürlich abgewiesen. Unsere Bitte, die BERA Kurve zu sehen, wurde leider nicht erfüllt, da Dr. T sie nicht im PC gespeichert habe...
Das erste Hören
Vor einem Jahr am 22.01.2018 war die Erstanpassung. Darauf haben wir sehnsüchtig gewartet. Es war jedoch leider unspektakulär. Unsere Tochter zeigte keine Reaktionen. Auch bei den wöchentlichen Einstellungen vier Wochen danach wurde keine eindeutige Reaktion gesehen. Wir waren verzweifelt, als wir in die ratlosen Augen unserer wirklich kompetenten Audiologin der Uniklinik sahen. Sie hat uns immer wieder gesagt, dass es nicht ungewöhnlich ist, überzeugend klang es jedoch nicht.
Auf einmal hatte A. angefangen zu reagieren. Es wurde dann immer mehr. Sie hat eigentlich schon immer lautiert. Auch das Plappern wie „amamam“ oder „bababa“ konnte sie schon vor der Versorgung. Auch das wurde mehr. Circa drei Monate nach der Erstanpassung kam das erste „wau wau“ zum Hund auf der Straße. Kurz darauf das Wort Papa zu ihrem Papa und ab dann ging es aufwärts.
Die Sprachentwicklung
Man sollte noch erwähnen, dass wir keine einfache Familie sind, was die Sprachförderung bei Schwerhörigkeit betrifft. Unsere große Tochter, normalhörend, spricht mit ihren fünf Jahren drei Sprachen (Muttersprache Russisch, Vatersprache Italienisch und Deutsch aus dem Umfeld). Es stand für uns nicht zur Diskussion, dass wir unsere Muttersprachen an unsere Kinder weitergeben wollen, bevor wir ein taubes Kind bekamen. Es war letztlich keine leichte Entscheidung. Aufgrund der emotionalen Sprachkomponente haben wir uns entschieden, dass Russisch als Muttersprache bestehen bleibt. Da der Papa mit der großen Schwester italienisch spricht, fanden wir es unfair ihr gegenüber mit italienisch aufzuhören, da sie es dann natürlich vergessen würde.
Die Entscheidung fiel letztendlich, dass wir es so weiter machen wie bisher und die Sprachentwicklung von A. beobachten. Sollten Schwierigkeiten auftreten, würden wir alle auf Deutsch umsteigen. Heute, ein Jahr nach der Erstanpassung, spricht A. Zwei-Wort-Sätze in Russisch, einzelne Wörter in Italienisch und versteht immer mehr. Die Sprachentwicklung in Deutsch geht auch gut voran. Seit bald sechs Monaten geht sie in die Kinderkrippe und hört und lernt dort Deutsch.
Insgesamt sind wir sehr glücklich über ihre Entwicklung und die Chance, die CIs mit sich bringen. Noch wissen wir nicht genau wohin die Reise geht, aber wir sind offen für alles. A. trägt ihre CIs sehr gerne, fordert sie morgens ein und rennt zu uns, wenn die Spule abfällt.
Jedes neue Wort, das sie sagt, ist ein Wunder. Die Sprache ist noch sehr undeutlich, aber selbst das wird immer besser.
Olga Catanese
Januar 2019