Die Angst war mein größter Feind
Von Stella Müller-Rößler
Als Angstpatientin über viele Jahre kam für mich nie eine CI Operation/Implantation in Frage, ich hätte nicht einmal die Voruntersuchungen überstanden. Ich hatte Todesangst vor dem Blutabnehmen, meine älteste Phobie, und Panik alleine bei dem Gedanken an einen Krankenhausaufenthalt. Der Gedanke an eine Kopfoperation löste Millionen Ängste aus. Zudem machte ich den „Fehler" mir so eine CI-Operation auf Youtube im Internet anzusehen. Naja, zumindest die ersten Minuten. Grauselig, sowas würde ich nie nie nie machen lassen.
Über die Jahre ließ aber wegen meiner Meniere-Erkrankung mein Hörvermögen mehr und mehr nach und ich kam immer mehr in eine soziale Isolation. Meinen Beruf als Psychologin hatte ich aufgegeben. Mit dem Nichthören wuchsen meine Ängste. Zum Schluss konnte ich nicht einmal mehr das Haus verlassen. Generalisierte Angststörung und Agoraphobie.
Es wurde Zeit, mir professionelle Hilfe zu holen. Mit Hilfe einer Psychotherapeutin, die mit kognitiver Verhaltenstherapie arbeitete, lernte ich ganz peu a peu, mich meinen Ängsten zu stellen, statt sie zu vermeiden und mich davor zu verstecken. Es sollte drei Jahre dauern, bis ich wieder ein Café besuchen konnte, überhaupt auch mal etwas alleine tun konnte... und nun wurde es Zeit, mich meinem größten Angstgegner zu stellen... Ich ließ mir Blut abnehmen.... Immer etwas mehr traute ich mir zu... Mein HNO sagte mir zu der Zeit, dass man mit Hörgeräten nicht mehr viel für mich tun könnte.
Auch hatte ich mit den Geräten nur noch „Huddel", Pfeifen, Rückkopplungen, weil sie am „Anschlag" waren, schwere Gehörgangentzündungen und allerhand Probleme mit dem Handling.
Ende Gelände.
Ich beschloss, mir die Unterlagen von Freiburg kommen zu lassen für eine CI-Voruntersuchung. Zwei Tage... Klinik.. Uff.. Freiburg war im Internet empfohlen worden und auch mein HNO Arzt gab grünes Licht.
Der Tag der Untersuchungen rückte näher...für mich eine wirklich schwere Prüfung. Beim Zugang legen fürs MRT bin ich dann auch prompt kollabiert... Mit dem anschließenden Beruhigungsmittel dann, war aber wenigstens der Aufenthalt in der engen Röhre kein Problem mehr für mich. Ich schwebte ein wenig davon und dachte an Palmen und blauen Himmel... Wie auf dem Plakat im MRT Raum. Alle anderen Untersuchungen erschienen mir dagegen wie ein Kinderspiel.
Einige Wochen später dann der Kliniktermin bei 31 Grad im Mai.... Alle Schwestern sehr freundlich, alle nett... heiß, aber mit schönem Ausblick aus dem 7. Stock der Uniklinik Freiburg.
Vor der OP musste ich beim Zugang legen natürlich nochmals kollabieren, was die OP ein wenig verzögerte... Das mit der Sensibilität bei Angstpatientin könnten die Pflegenden vielleicht noch ein wenig verbessern. Mein Mann wartete ungeduldig auf Station, weil ich viel später zurückkam als geplant.
ABER: alles war gut verlaufen...Verband saß...keine Übelkeit oder Schwindel. Nach nur 4 Tagen konnte ich die Klinik verlassen (ich werde in diesem Leben Kliniken nicht wirklich lieben lernen) und auch der Heilungsprozess verlief super. Geschafft!
Die Erstanpassung im ICF (Implant Centrum Freiburg) und das Hören lernen kosteten mich zwar irre viel Kraft (ich musste nach den Übungs- und Testeinheiten immer sehr viel schlafen), aber es ging erstaunlich gut und schnell voran. Für mich war toll, dass bei den ICF Terminen zwischen zwei und fünf Tagen immer eine Begleitperson dabei sein konnte. So konnte mein Mann bei mir sein, mir assistieren und abends haben wir dann die umliegende Gastronomieszene getestet und sind im Schwarzwald spazieren gegangen.
Im April des darauffolgenden Jahres ließ ich mir dann, auch in Freiburg, das zweite CI implantieren. Diesmal zwar mit etwas mehr Komplikationen und auch drei heftigen Schwindeltagen, aber es hat geklappt.
Heute, ein gutes Jahr später bin ich enorm froh, dass ich es geschafft habe, trotz aller schweren Ängste und Widrigkeiten.
Klar, 10 Jahre früher wäre gut gewesen. So lange hatte ich es immer wieder weggeschoben. Aber inzwischen gab es Kanso, also eine "single unit", man hat nur noch den Knopf am Kopf, gar nichts mehr hinterm Ohr. Wie für mich gemacht. Meine zwei Kansos sind mein größter Schatz, und um keinen Preis würde ich sie wieder hergeben.
Die Hörreise ist beschwerlich, die Operation kein Kinderspiel, aber ich würde es doch immer wieder machen lassen.
Das PLUS an Lebensqualität ist enorm! Ich trau mich wieder so viel mehr, versteh so viel mehr... und auch das Vogelgezwitscher ist wieder da... Sogar Musikhören und Telefonieren gehen wieder. Zwar bleibt es sehr anstrengend für mich, aber es geht!
Ich bin dankbar für die Möglichkeiten, die mir durch die CI eröffnet werden.
Juni 2019
Stella Müller-Rößler