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Mein Werdegang zu besserem Hören

Von Manuela Josten

Ich heiße Manuela, bin 60 Jahre alt und bin seit meiner Jugendzeit schwerhörig. Mit Anfang 20 bekam ich meine ersten Hörgeräte. Das war damals noch ein Unding für mich.

Da ich auch schon eine Brille tragen musste, fühlte ich mich mit den Hörgeräten wie eine alte Frau. Ich habe mich geschämt und die Hörgeräte lagen mehr in der Schublade, als sie in meinen Ohren sein sollten. Lieber galt ich als „dumm“, weil ich vieles einfach nicht mehr mitbekommen habe.

Lange Zeit konnte ich mich damit auch durchmogeln. Meine Ausbildung zur Krankenpflegehelferin habe ich zwar geschafft, lag aber im unteren Drittel mit den Noten, da ich eben Mühe hatte, dem Unterricht zu folgen. Irgendwann waren es meine Kollegen leid, mir immer alles doppelt und dreifach zu erklären, da ich ja vieles nicht auf Anhieb verstanden habe.

Also habe ich mich dazu durchgerungen und die Hörgeräte getragen. Lange Haare waren für mich Pflicht, schließlich sollte keiner mitbekommen, dass ich Hörgeräte trage. Telefonieren klappte aber gar nicht mit den Geräten, also musste ich zumindest auf einer Seite das Hörgerät ablegen, um telefonieren zu können. Ich stand dann ziemlich unter Stress, da ich jedes Mal Sorge hatte, etwas falsch zu verstehen, was bei telefonischen Medikamenten- Anordnungen sehr schwierig war. Auch zum Blutdruckmessen musste ich beide Geräte ablegen, da das Stethoskop nicht auf die Hörgeräte passte.

Ich wurde immer nervöser, litt unter Schlafstörungen und hatte immer panische Angst etwas falsch zu machen. Die Folge waren mehrere Hörstürze und dazu Krankenhausaufenthalte. Mein Hörvermögen verschlechterte sich zusehends. Ich brauchte immer stärkere Hörgeräte, kam aber nie sehr lange mit den Geräten zurecht, mein Hörproblem verschlimmerte sich immer weiter.

Trotz Hilfsmitteln, wie Lichtsignalanlage, Kopfhörer zum Telefonieren und Ablesen vom Mundbild fühlte ich mich immer mehr ausgeschlossen von meiner Umwelt.

Dann kam der große Gau mit Anfang 45 Jahren. Ich erkrankte an Brustkrebs. Mehrere Operationen mit Amputation der rechten Brust und anschließender Chemo haben mein Restgehör derart in Mitleidenschaft gezogen, dass ich mich total hilflos fühlte. 

Nach 2 1/2 jähriger Leidenszeit mit einjähriger Herceptin Therapie, wurde bei der Abschlussuntersuchung erneuter Brustkrebs festgestellt. Dieses Mal bekam ich nach der Operation 36 Bestrahlungen. Ich war verzweifelt. Meine Kinder waren bei der Ersterkrankung 10 und 13 Jahre alt.

Vom Vater meiner Kinder hatte ich mich einige Jahre vorher getrennt, sodass ich die Kinder mehr oder weniger allein erzogen habe. Danach lernte ich meinen zweiten Mann kennen, der mir dann auch eine große Stütze war. Nach Abschluss meiner ganzen Behandlungen und Hoffnung auf eine bessere Zukunft, erkrankte mein Mann an einer akuten Leukämie.

Das Schicksal war einfach nicht gerecht! Es war eine super schwere Zeit, aber mein Mann wurde wieder gesund. Leider hat unsere Ehe dem nicht standgehalten. Ich zog mit meinem jüngeren Sohn in eine neue Wohnung. Mein älterer Sohn, hat schon früh auf eigenen Beinen gestanden. Ich bin eine Kämpferin und habe versucht mich nie unterkriegen zu lassen.

Durch Zufall las ich einen Bericht im Internet von einer Frau, die sich ein Cochlea-Implantat einsetzen  ließ. Ich hatte vorher noch nie davon gehört. Cochlea-Implantat, was ist das? Also recherchierte ich im Internet, was ich darüber finden konnte. Leider hat mir mein damaliger HNO-Arzt nie etwas darüber erzählt, obwohl ich über 20 Jahre bei ihm in Behandlung war und ich mich eigentlich sehr gut bei ihm aufgehoben fühlte.

Kurze Zeit später kontaktierte ich den HNO Professor unserer hiesigen Klinik und bat um einen Termin. Ich wollte wissen, ob ich für so eine Operation in Frage käme. Der Prozessor meinte, ich wäre eine ideale Kandidatin dafür.

Meine Freude war groß. Also habe ich mich etwa zwei Monate später, als alle Formalitäten und Kostenübernahme der Krankenkasse geklärt waren, operieren lassen. Die Operation verlief gut und nach sechs Wochen war dann die Erstanpassung. Alles hörte sich erst einmal fremd an. Wie Micky-Maus Stimmen und ich war sehr skeptisch, ob ich wirklich einmal damit richtig hören konnte.

Sechs Monate später war es dann soweit, es funktionierte. Ich war total glücklich. Danach gründete ich in meiner damaligen Stadt eine Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte und gehörlose Menschen und erhielt riesigen Zulauf. Die Gruppe gibt es auch heute noch, nur bin ich vor sechs Jahren umgezogen und habe die Gruppe abgegeben. Drei Jahre nach der Erstimplantation habe ich mein anderes Ohr operieren lassen.

Mittlerweile möchte ich meine CI‘s nicht mehr missen. Sie haben mir ein großes Stück meiner Selbständigkeit zurückgegeben. Ich höre heute Dinge, die ich Jahrzehnte nicht mehr wahrgenommen habe, wie das Gezwitscher der Vögel, oder das Ticken meiner Uhr. Erst da ist mir richtig bewusst geworden, was alles durch meine Hörschädigung verloren gegangen war.

Das war nun eine grobe Zusammenfassung meines Werdeganges. Vielleicht interessiert es ja und ich kann anderen Menschen Mut machen. Herzliche Grüße aus dem schönen Ort Xanten vom Niederrhein

Manuela Josten
August 2019