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Meine Erfahrungen auf dem Weg zum Cochlea Implantat

Von Anita

Als ich im Frühjahr 2009 nach einem grippalen Infekt bemerkte, dass ich trotz meiner Hörgeräte, die ich damals seit fünf Jahren nach einer sich schleichend entwickelten Schwerhörigkeit trug, auf der rechten Seite schlechter hörte, als ich es gewohnt war und ich zudem an Schwindel litt, suchte ich meinen HNO auf. Aber wie das Leben manchmal so spielt, war mein langjähriger Arzt im Urlaub und die Vertretung schickte mich ohne etwas zu unternehmen wieder nach Hause. Ich suchte die HNO-Ambulanz in meiner Heimatstadt auf, doch diese steckte damals noch in den Kinderschuhen und unternahm auch nichts. Also wartete ich ab, bis mein Arzt wieder da war. Dieser war fassungslos, was mir widerfahren war und riet mir nach einer Untersuchung, es mit Tabletten zu versuchen (die nicht mehr anschlugen) und mich in einer auf Cochlea Implantaten (CI) spezialisierten Klinik untersuchen zu lassen. Ich hörte das erste Mal etwas von einem CI und recherchierte im Internet.

Ich bin, aus welchen Gründen auch immer, als erstes auf Michaels Ohrenseite gestoßen und fand dort liebe und nette Worte. Ich las mich ein und meine Angst wurde weniger, so dass ich die mir empfohlenen Kliniken abtelefonierte und in Magdeburg schnell einen Termin erhielt. Ich reiste mit meinem Mann an und habe mich dort von Anfang an sehr gut aufgehoben gefühlt. Als die Untersuchungen ergaben, dass ich für ein CI geeignet bin, habe ich mich schließlich dort implantieren lassen, das war im August 2009. Im Oktober 2011 folge dann ebenfalls in Magdeburg die zweite Seite, da sich auch das linke Gehör innerhalb von zwei Jahren verschlechtert hatte.

Ich habe mir damals relativ wenig Sorgen gemacht, was hätten sein können (ich hatte nur Angst vor der Narkose). Ich wusste nur eins: Ich wollte die Chance nutzen, wieder besser hören/verstehen zu können und ich wollte das Gefühl nicht missen, gebraucht zu werden. Letzteres beziehe ich auf die Arbeit. Denn ich hatte Angst, aufgrund meiner Schwerhörigkeit irgendwann nicht mehr arbeitsfähig sein zu können. Dies wollte ich unbedingt verhindern.

Da ich noch ein Restgehör im Tieftonbereich hatte, entschied man sich jeweils für das EAS-System. Ich vertraute den Ärzten und habe es nicht bereut. Ich kam ziemlich schnell ins Hören und fühlte mich wie ein kleines Kind. Ich lernte täglich neue Geräusche (wieder) kennen und auch das Sprachverstehen war fast von Anfang an gegeben. Mein Mann, meine Eltern, alle freuten sich mit mir mit!

Meine erste „Anpassungsreha“, wie ich sie nenne, damit sind die 20 Tage, die man je Ohr für das Hörenlernen mit Implantaten von der Krankenkasse genehmigt bekommt, gemeint, habe ich stationär in der HNO-Uniklinik in Magdeburg verbracht. Immer in regelmäßigen Abständen auf zwei Jahre verteilt für ein paar Tage. Dort hat man spielerisch das Hören mit mir trainiert und ich bekam für den Nachmittag „Höraufgaben“, wie z.B. „achten Sie auf bestimmte Geräusche“ „hören Sie den Unterschied zwischen Frauen- und Männerstimmen“…

Nach der zweiten Implantation war ich im CIR-Halberstadt, welches mit der Uniklinik Magdeburg zusammenarbeitet. Dort hat es mir sogar noch besser gefallen, da man mehr Kontakt zu Gleichbetroffenen hatte und die Therapien abwechslungsreicher und moderner gestaltet hatte. Auch schlief ich nicht im Krankenhaus, sondern wie in einer Art Wohngemeinschaft.

Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Ich war im Jahre 2016 in Bad Nauheim zur Reha, da ich an akutem Hörstress litt. Wie es dazu kam? Ich bin auf der Arbeit zwar offen mit meiner Hörbeeinträchtigung umgegangen, aber es hat sich zu viel angestaut: Großraumbüro, zu viel Arbeit (da ich schlecht nein sagen konnte) usw. Ich habe halt immer so „normal“ wie nur möglich sein wollen. Das ging natürlich nicht auf Dauer und zum Glück hörte ich auf die Warnsignale meines Körpers und habe die Reißleine gezogen: Eine Reha. Das war mein Glück. Während der Reha lernte ich, wie man sich entspannen kann, welche Rechte ich auf der Arbeit als Hörgeschädigte habe und bekam Tipps für den Alltag, sogenanntes Kommunikationstraining.

Bepackt mit jeder Menge Infos hat sich aufgrund dessen mein Arbeitsumfeld deutlich verbessert. Ich bin in ein kleineres Büro umgezogen und habe meine Kollegen mal so richtig aufgeklärt, was es heißt, hörgeschädigt zu sein (mit Beispielen, die ich während der Reha erhielt). Vielen ist erst dann so richtig bewusst geworden, was ich tagtäglich leiste.

Diese Zeit möchte ich nicht missen, zumal ich sehr nette Menschen kennenlernen durfte, mit denen ich heute noch Kontakt habe. Es hat sich 2017 eine Selbsthilfegruppe in Braunschweig gegründet, in der ich aktiv beschäftigt bin und in der auch eben eine Bekanntschaft aus der Reha Mitglied ist. Des Weiteren habe ich mich dem CIV Nord angeschlossen, weil eben dieser für meinen Wohnbereich zuständig ist (sorry Michael, nimm’s mir bitte nicht krumm). Diese Gemeinschaft gibt mir immer ein Gefühl von Geborgenheit, wie in einer Großfamilie, was ich sehr genieße. Ich habe das Glück, einen sehr verständnisvollen Ehemann sowie einen Familien- und Freundeskreis zu haben, den man nur selten an die Hörschädigung erinnern muss. Das fällt natürlich in dieser Gemeinschaft so gut wie weg, da ein Jeder automatisch so mit einem spricht, wie man es gerne hätte und ein Jeder dieselben Probleme hat. J

Anfang 2018 besuchte uns in der Selbsthilfegruppe eine Ärztin aus der Braunschweiger Klinik, die damals noch in Magdeburg gearbeitet hatte. Sie erkannte mich gleich wieder und wir kamen nett ins Gespräch. Ich erzählte ihr, dass ich auf dem rechten Ohr zunehmend den Eindruck habe, dass etwas nicht stimmt. Sie lud mich spontan zu sich in die Sprechstunde ein und schlug mir nach einigen Untersuchen vor, es während einer weiteren Reha mal zu probieren, die Akustikkomponente ausschalten zu lassen. Also trat ich im Sommer 2018 meine Reha in St. Wendel an.

Das Abschalten der Akustikkomponente hat mich seinerzeit noch zu sehr überfordert (vielleicht war ich emotional auch noch nicht so weit, da ich meinem Restgehör nachtrauerte), so dass mir die Reha diesbezüglich nicht wirklich viel gebracht hat. Was ich aber definitiv von dort mitgenommen habe, ist der Mut, den ich von abermals netten Mitpatientinnen mit auf dem Weg bekommen habe, nämlich mich für eine Weiterbildungsmaßnahme anzumelden. Ich hatte schon seit etwa zwei Jahren mit dem Gedanken gespielt, mich aber aufgrund der Höreinschränkung nie getraut. Aber es ist möglich! Ein Fernstudium ist für mich die optimale Wahl gewesen. Ich konnte Zuhause lernen, ich bekam alles per E-Mail und habe die Prüfung kürzlich erfolgreich abgeschlossen. Die Universität in Jena war sogar so hilfsbereit, mir für die Präsenztage, an denen ich teilnahm, eine Höranlage zur Verfügung zu stellen. So konnte ich dem Unterricht im Hörsaal besser folgen. Ich hatte die Uni vorher per E-Mail kontaktiert und die Hilfsbereitschaft der Technikabteilung macht mich immer noch ganz sprachlos.

In der Zwischenzeit sind meine CI-Techniker meiner betreuenden Klinik sowie meine Wenigkeit auf einem guten Weg, auch ohne Akustikkomponente annähernd die Hörerfolge zu verzeichnen, die ich einst mit der vollen EAS-Unterstützung hatte. Dies bedarf besonderer Geduld von beiden Seiten, aber es lohnt sich. Gut Ding braucht manchmal Weile.

Ich habe im Sommer sogar eine zweite Herausforderung gemeistert. Ich habe einen zweiwöchigen Englischkurs absolviert. Es brachte mich hart an meine Grenzen, aber es war machbar. Auch, weil ich die Gelegenheit genutzt hatte, den Lehrer vorher persönlich zu kontaktieren. Er hatte kein Problem damit, wenn ich mal eine Pause nur für mich brauchte oder ich eine Gruppenarbeit „abgelehnt“ habe, weil eben nichts mehr ging. Ich war gleichzeitig stolz auf mich, dass ich eben diesen Kurs besucht habe, gleichzeitig hat er mir aber auch bewusst gemacht, dass ich heute keine Chance mehr hätte, einem Schulunterricht „einfach so“ zu folgen. Von der Tafel abschreiben und nebenbei hören fiel mir immens schwer. Vielleicht wäre es mir mit Hilfe des Roger Selects, den ich nun mein Eigen nennen darf (er befand sich zur Zeit des Kurses noch in der Beantragung), einfacher gefallen. Dieses „Helferlein“ bereichert meinen Alltag immens. Auf der Arbeit nutze ich ihn zum Skypen und nehme ihn für kleinere Besprechungen mit. Unterwegs bekommt ihn z.B. mein Mann umgehängt, so dass ich ihn besser verstehe und entspannt neben ihm gehen kann, ohne zusätzlich von den Lippen absehen zu müssen. Auch kann man ihn prima an den Fernseher anschließen.

Fazit: Ich liebe meine CI’s und bereue es nicht einen Tag. Natürlich gibt es immer wieder mal Momente, wo man mitunter nicht so gut versteht, sei es durch Stress oder zu lauter Umgebung. Das stimmt mich dann natürlich auch manchmal etwas traurig, aber das vergeht zum Glück immer recht schnell wieder. Vor allem, wenn ich mir dann vor Augen halte, was für tolle Sachen (wie z.B. Rockkonzerte) mir noch bevorstehen und was ich schon alles geschafft habe.

Getreu dem Motto: Die Dinge, die man falsch gemacht hat, bereut man nicht so sehr, wie die, die man erst gar nicht versucht hat!

LG
Anita