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Es ist vollkommen egal, WAS du trägst-

wichtig ist nur, WIE!smile

Von Stäff

Hallöchen, ich bin die Stäff, bin 34 Jahre alt und komme aus der Nähe von Eisenach im wunderschönen Thüringen. Ich trage seit meinem 5. Lebensjahr beidseitig Hörgeräte, seit vier Jahren bin ich rechts mit einem Cochlea Implantat (CI), also bimodal versorgt.

An sich bin ich eine richtige Frohnatur, stets aufmerksam, fair, hilfsbereit, offen und zuverlässig. Ich bin seit 12 Jahren verheiratet und habe zwei Kinder im Alter von 9 und 5 Jahren. Beruflich bin ich als Zahntechnikerin tätig. In meiner Freizeit bin ich viel mit kreativen Sachen beschäftigt. Ich mache sehr gerne Hochsteckfrisuren, gestalte Kerzen, dekoriere gern, zeichne und bastele gerne, oder mache hin und wieder mal ein Gebärden-Musik-Video. Ich höre gern Musik und liebe es, zu tanzen, vor allem, zum Karneval auf der Bühne! Am liebsten aber verbringe ich die Zeit mit meiner Familie, z.B. mit Fahrrad fahren, oder Wandern. Ich habe auch furchtbar gern und viel meine Freunde um mich smile.

Meine Hörgeschichte begann, als ich –schätzungsweise- drei Jahre alt war. Als erstes bemerkte meine Erzieherin, dass irgendetwas mit meinem Gehör nicht stimmt, denn ich reagierte nicht, wenn sie mich von hinten angesprochen hat. Ich selbst sprach nämlich völlig normal (dem Alter entsprechend), weshalb es wahrscheinlich sonst keinem weiter auffiel. Sie machte ein paar - für mich unauffällige - Tests mit mir, um sich wirklich sicher zu sein, dass sie mit ihrer Vermutung keine Pferde scheu macht. Meine Eltern gingen mit mir zum Ohrenarzt.

Dieser schob es auf die Polypen, also wurden mir diese - damals noch ohne Narkose! – entfernt. Dies brachte jedoch keine Besserung, aber uns wurde gesagt, dass sich das schlechte Hören wieder verwachsen würde. Damit gaben sich meine Eltern jedoch nicht zufrieden, sie wollten eine zweite Meinung von einem anderen Arzt und als dann die Wende kam, versuchten sie es bei einem Ohrenarzt in Hessen. Dieser schickte uns in ein Krankenhaus, wo ich unter Narkose untersucht und mir Sekret hinterm Trommelfell entfernt wurde.

Auch dieses Mal wurde mein Gehör nicht besser und dem Krankenhaus fehlte es an weiteren technischen Untersuchungsmöglichkeiten, also überwies man uns an die Uniklinik nach Göttingen, wo man endlich (nachdem wir den ganzen Tag mit Warten verbrachten und ich nur deshalb glücklicherweise vom Chefarzt höchstpersönlich behandelt wurde!) die beidseitig hochgradige Schwerhörigkeit diagnostizierte. Bei mir sind, vermutlich durch eine verschleppte Lungenentzündung im Kleinkindalter, die Flimmerhärchen verklebt. Die Flimmerhärchen sind dafür zuständig, den Schall an den Hörnerv weiter zu leiten. Also hieß es nun für mich, dass ich definitiv eine Hörgeräteversorgung für beide Ohren benötige.

Diese bekam ich dann endlich - im Alter von fünf Jahren. Mein Sprachvermögen hat erstaunlicherweise überhaupt nicht darunter gelitten, obwohl ich in der Sprechlernphase fast gar nichts gehört habe. Ich erinnere mich noch genau an einen der vielen Hörtests in Göttingen: „Wenn es im Kopfhörer piept, hebst du deinen Finger hoch!“…soweit, so gut…allerdings hat die kleine Stefanie verstanden: „Wenn es im Kopfhörer PIEKST, hebst du deinen Finger hoch!“. Damit hatte sich dieser Hörtest für mich erübrigt, ich weigerte mich vehement, den Kopfhörer aufzuziehen, denn schließlich fährt da eine Nadel aus und piekst mir ins Ohr! Das tut doch weh! Nein! Nicht mit mir! Sehr zum Leidwesen meiner Eltern, die extra Urlaub und die weite Fahrt auf sich genommen hatten.

Als ich in die Schule kam, begann ein nicht so schönes Kapitel in meinem Leben. Man hat mich hier - und nicht nur hier - gut und gerne von allen Seiten sehr oft spüren lassen, dass ich „anders“ bin.

Meine Familie und meine zwei Freundinnen standen aber immer hinter mir. Sie gaben mir die nötige Stütze. Mein großer Bruder musste sicher einiges geduldig zurückstecken, weil meine Eltern viel mit mir zu tun hatten und oft mit mir unterwegs waren - was mir heute bewusst ist und mir sehr leidtut. Trotzdem tat das unserer guten Geschwister-Bindung keinen Abriss. Danke, Bruderherz, ich hab‘ dich lieb!

Heute weiß ich, wo ich stehe. Wo ich hingehöre, wer ich bin. Etwas Unsicherheit und Misstrauen wird aber wohl immer bleiben, das hat mich nun mal geprägt und ist nicht mehr zu ändern. Aber ich mag mich so, wie ich bin. Ich fühle mich mit meinem CI total komplett, weil ich einfach viel mehr wahrnehme. Und ganz ehrlich, ich finde, es sieht einfach total cool aus und das passt zu mir. DAS bin ICH! DAS ist STÄFF! Basta!  Ich habe aber die beste Familie und die besten Freunde, die man sich nur wünschen kann und bin ihnen dafür sehr dankbar. Sie akzeptieren mich so, wie ich bin und sind sehr geduldig und verständnisvoll. Heute kann ich endlich ich sein. Ich muss mich nicht mehr schämen, oder verstecken, oder überfreundlich und nervig um Freundschaften betteln. Klar geht es den einen oder anderen hin und wieder mal auf den Keks, wenn man mir ständig etwas wiederholen muss. Aber das geht mir nicht anders, wenn ich mit meiner schwerhörigen Freundin telefoniere. Da ertappe ich mich doch glatt selbst dabei, wie ich nach mehrmaligem Wiederholen genervt bin und muss schmunzeln.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Heute stehe ich zu meiner Schwerhörigkeit, ich trage meine Geräte mit Stolz. Ich gehe offen damit um und ich freue mich, wenn ich von interessierten Menschen angesprochen werde, was ich da hinterm Ohr trage. Und ich nehme mir auch gerne die Zeit und erkläre es. Viele kennen diese Cochlea Implantate gar nicht und sind total fasziniert von der Technik. Und ganz ehrlich, das bin ich auch. Immer und immer wieder.

Aber eins sollte man nicht vergessen: trotz der Hörhilfen wird man nicht so normal hören können, wie es jeder andere Mensch tut. Es wird immer schwierige Situationen geben! Das unterschätzen die meisten Außenstehenden. Sobald es mehr als ein Gesprächspartner ist, wird es schon kritisch, allem folgen zu können. Bei größeren Gruppen oder Treffen habe ich meistens schon ganz verloren. Da komme ich damit nicht mehr hinterher, alles zu verstehen, denn es erfordert höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Konzentriere ich mich auf EINE Person, ist das okay.

Aber wenn es zu dunkel ist, um Lippen abzulesen, ein Radio im Hintergrund leiert oder sonstige Nebengeräusche stören, wird auch das sehr anstrengend. Mag sein, dass man mir diese Anstrengung nicht anmerkt, für mich ist das ja normal, ich kenne es nicht anders. Unglaublich nervenaufreibend ist auch ein Radio, welches leise vor sich hin summt, und zwar so leise, dass ich es zwar höre, aber die Lieder nicht erkennen kann. Auch ist es sehr schwierig, wenn ein Hörgeschädigter mit dem Rücken zum Geschehen sitzt. Das ist vergleichbar mit einem blinden Menschen, der vor einen Stummfilm gesetzt wird. Vielleicht versteht man jetzt, was ich damit ausdrücken möchte. Man grenzt aus.

Das kann niemand nachempfinden, der nicht selbst in dieser Lage ist. Man hört evtl., dass alle zusammen reden, kann sich aber am Gespräch nicht beteiligen, weil man nichts versteht. Und wenn es noch so unwichtige Themen sind (Denn oft wird dann abgewunken, „Ist nicht so wichtig!“). Warum sollte man nicht mitreden dürfen, wie alle anderen auch? Es geht hier um Zusammengehörigkeit. Nicht darum, ob es wichtige, oder unwichtige Themen sind. Wir haben doch genauso das Recht, uns zu unterhalten. Das hat auch nichts mit Neugierde zu tun. Man möchte einfach auch alles Normale, Alltägliche mitbekommen. Denn sonst steht man in der nächsten Situation ahnungslos da und weiß mal wieder von nichts.

Das Problem habe ich z.B. sehr oft! Klar nervt es manchmal, alles zu wiederholen und uns nervt es ja auch, ständig fragen zu müssen. Dass das auch nicht immer alles gut funktioniert, ist natürlich klar. Das ist auch okay, damit kann ich leben.

Natürlich kann man nicht immer Rücksicht auf mich nehmen, aber man kann Verständnis haben, wenn ich mich dann nicht so wohl fühle. Es gibt halt auch Tage, da ärgert mich das alles total.

Aber an die, die immer geduldig mit mir sind, an dieser Stelle ein riesengroßes DANKESCHÖN!

Auch Missverständnisse gehören bei mir zu Alltag. Manche sind echt total doof, aber manche wiederum verdammt witzig! Ja, ich kann natürlich auch selbst über mich lachen!

Ein Cochlea Implantat kam für mich früher übrigens nie infrage! Doch weil ich mich früher aufgrund meiner Außenseiter-Vorgeschichte immer wahninnig für meine Hörgeräte geschämt habe, habe ich mein rechtes Hörgerät in der Jugend nie getragen. Es war sowieso mein schlechteres Ohr. Mangels Hörgerät und Training wurde es natürlich immer schlechter. Bis es irgendwann an dem Punkt war, dass die Hörgeräteversorgung nicht mehr ausreichte. Ein Implantat stand für mich nie zur Debatte, ich schämte mich immer noch zu sehr. Ich wollte ja nicht schon wieder ausgelacht werden!

Außerdem fand ich das mit dem Magneten immer „gruselig“. Und optisch ist es jetzt mit meinen mittlerweile kurzen Haaren nun auch nicht so der Brüller… Doch irgendwann, als ich mit Baby Nummer 2 schwanger war, begann ich, darüber nachzudenken, wie es wohl später einmal sein wird, wenn das andere Ohr auch nachlässt. Dann würde ich irgendwann meine Kinder nicht mehr hören…also freundete ich mich immer mehr mit dem Gedanken an, mir so ein Implantat einpflanzen zu lassen. Ich ließ mir die Geräte zeigen und musste feststellen, dass die heutzutage total cool aussehen! Das weiße Sonnet hat es mir total angetan, es gefiel mir optisch sehr gut! Und die Vielfalt an Farben der Einzelteile, die man wechseln kann. Nicht so ein hautfarbenes Gerät, wie es sie früher gab. Wenn, dann soll es cool und auffällig sein

und jeder soll es sehen!  UND…das mit dem Magneten ist übrigens gar nicht so schlimm smile.

Ich hatte auch erst etwas Sorge, wie die bimodale Kombination wohl funktionieren wird, aber ich muss sagen, die beiden Hörgeräte kombinieren sich erstaunlich gut! Ich merke keine Unterschiede mehr, wenn ich beide trage. Es ist Wahnsinn, wozu das Gehirn in der Lage ist. Mit dem CI nehme ich mehr wahr, als mit dem Hörgerät. Wobei ich zum Verstehen immer noch die Hörgeräteseite hinhalte. Das ist automatisch so drin, nach so vielen Jahren. Wäre aber gar nicht nötig, ich glaube, ich verstehe mittlerweile mehr mit dem CI, als ich wahrhaben will laughing.

Ich bin nach wie vor noch sehr erstaunt, wie gut ich mit dem CI hören kann. Das merke ich immer ganz deutlich, wenn ich das Hörgerät ausschalte. Man merkt es auch sofort, wenn die Batterien vom CI leer sind oder ich es mal nicht trage. Ich komme ohne CI nämlich überhaupt gar nicht mehr richtig zurecht. Kaum zu glauben, dass ich damit so lange gewartet habe! Es ist so eine Bereicherung für mich und auch für mein Umfeld! Natürlich ist es ein langer Weg - jedoch mit dem Versprechen, dass es sich auf jeden Fall lohnt! Und natürlich brauche ich auch hier die Unterstützung meines Mannes und der gesamten Familie.

Man sagte mir vorher, ich müsse mit dem CI das Hören und Verstehen neu erlernen. Konnte ich nie nachvollziehen! „Wieso?! Ich, weiß doch von der anderen Seite, wie Hören geht! So ein Quatsch!“. Aber ich sollte kein Recht behalten. Tatsächlich ist es komplett anders. Als es endlich soweit war, dass mir zum ersten Mal das Gerät angelegt wurde und der erste Ton erklang, bemerkte ich den Unterschied. Unbeschreiblich, aber dennoch fremd. Wenn jemand spricht, klingt es anfangs wie ein eintöniges Leiern. Krass.

„Und das soll jetzt alles sein?!“, war mein erster Gedanke. „Dafür habe ich die OP auf mich genommen?!“. Nein, das war nicht alles! Es ist natürlich erst der Anfang. Viel Einstellungssache, nach und nach…. Und ja, es muss das alles trainiert werden! Mit einem guten Logopäden, der auf solche Fälle spezialisiert ist und mit guten Audiometristen, die viel Geduld bei der Feineinstellung haben und natürlich mit ein bisschen Disziplin meinerseits. Was aber alles auch irgendwie viel Spaß und Freude bereitet, weil man von Termin zu Termin immer wieder neue Erfolge sieht! Und was soll ich sagen...“WOW!“… das Endergebnis zählt!

Ich kann auf einem tauben Ohr hören UND verstehen! Und das sogar verdammt gut. Ich bereue rein gar nichts, ich bin total glücklich über meine Entscheidung, denn sie war richtig und wichtig!

Ein Tag ohne CI ist für mich mittlerweile undenkbar. Ich nehme so viel wahr, wie ich es vorher nicht kannte. 

Es ist vollkommen egal, WAS du trägst- wichtig ist nur, WIE! smile

Stäff
Mai 2021