Mein Weg zum und mit dem CI
Von Ingrid
Mein Name ist Ingrid (52), ich komme aus dem schönen Allgäu und möchte heute ein wenig über meine Hörbehinderung und mein Cochlea Implantat (CI) erzählen.
Geboren wurde ich an Taubheit grenzend schwerhörig, festgestellt wurde die Hörbehinderung mit gut vier Jahren im Kindergarten. Der erste Weg führte nach München ins Klinikum und kurz darauf bekam ich meine ersten Hörgeräte angepasst. Meine Eltern waren sehr bemüht und haben regelmäßig Termine mit einer Logopädin wahrgenommen und zuhause viel mit mir geübt. Ansonsten wurde ich wie ein ganz normales Kind behandelt. Ich lernte sehr gut sprechen und kam in eine normalhörende Schule.
Nach dem Besuch der Schule und einer anschließenden Ausbildung bin ich nun seit über 30 Jahren im kaufmännischen Bereich tätig. Meine drei Kinder sind mein Ein und Alles.
Im Laufe der Jahre kamen Hörgeräte von analog zu digital zum Einsatz, irgendwann waren dann aber auch die stärksten Geräte am Anschlag. Mein treuer Begleiter namens Tinnitus erschwerte mir zusätzlich zunehmend das Verstehen. Ich habe mich sozial etwas zurückgezogen, fühlte mich oft noch weniger zugehörig als schon als Kind bzw. Jugendliche.
Zu dem Zeitpunkt lernte ich in einer Selbsthilfegruppe für Tinnitus jemanden kennen, der sich zum damaligen Zeitpunkt für ein CI entschieden hatte. Einige Jahre später bekam er sein zweites CI und ich habe mir die Entwicklung bei ihm anschauen können.
Irgendwann stand dann mein Entschluss fest, doch einmal die CI-Sprechstunde im Klinikum Ulm aufzusuchen, für eine Beratung, Aufklärung und Untersuchung. Auch ein MRT wurde damals durchgeführt und das OK der Ärzte gegeben. Trotzdem habe ich noch gut 1 ½ weitere Jahre gebraucht für die Entscheidung für ein CI. Daher musste ich dann nochmals alle Untersuchungen einschließlich MRT machen und habe dann am 04.11.2020 mein CI implantiert bekommen.
Aufregend sah ich dann dem 01.12.2020 entgegen, dem Tag der Erstanpassung. Was soll ich sagen – ich war ernüchtert. Irgendwie hat man ja eine Erwartungshaltung, man sieht viele andere Erfolgsgeschichten und dann - ist alles anders. Ich habe etwas wahrgenommen, viel Krach vor allem. Zwei Wochen später war dann eine erneute Abstimmung mit den Technikern und dem Vertreter der CI-Firma. Im Januar 2021 dann nahm ich langsam detailliertere Geräusche wahr, wie z.B. einen Schlüsselbund, der klappert. Ich begann dann auch im Januar 2021 meine Logopädie und es ging nun ein kleines bisschen vorwärts. Langsame kleine Schritte, immer wieder Rückfälle, ganz besondere Probleme habe ich aber immer noch mit dem Tinnitus.
Mein implantiertes Ohr hört inzwischen wesentlich mehr als mein nicht implantiertes Ohr. Mein nicht implantiertes Ohr übernimmt die Aufgabe des Verstehens, denn mein implantiertes Ohr ist noch lange nicht an dem Punkt angekommen, dass es selbständig versteht.
Ein Jahr nach der Anpassung kann ich sagen: ich habe viele schwere und leichte Steine aus dem Weg geräumt, und werde auch die, die noch im Weg liegen oder wieder dort hinfallen, weiter ausräumen. Manchmal mache ich einen Schritt vor, zwei zurück – aber die Momente, in denen ich zwei Schritte vor und nur einen zurück mache, werden mehr. An manchen Tagen ist alles unsäglich laut, an anderen läuft es relativ im Normalbereich.
Ich kann aus weiterer Entfernung mehr wahrnehmen, kann Gespräche mit Abstand führen (allerdings nur mit Lippenlesen und Mimik), kann bekannte Stimmen manchmal aus dem Nebenraum hören und auch verstehen. Bei der Arbeit habe ich viel Erleichterung inzwischen.
Ich habe gelernt, mir und meinem CI mehr Zeit zu geben, Pausen zu machen, nicht alles perfekt haben zu wollen. Das war zu Beginn meines CI-Lebens mein größtes Hindernis – alles perfekt haben zu wollen.
Mein Umfeld musste viel lernen, manchmal einstecken. Manche Freunde sind gegangen, neue gekommen. Die wichtigsten Personen haben sich mit meinem CI auseinandergesetzt und begleiten mich und mein CI noch heute.
Fazit: ich würde es trotz aller Schwierigkeiten wieder so machen! Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass mein Gehirn und mein CI sich auch mit dem Tinnitus arrangieren.
Aufgezeichnet 30.11.2021 – am Abend vor meinem Jahrestag
Ingrid