Zum Hauptinhalt springen

Vom Hörsturz zur Taubheit, dem Kampf mit den Ärzten und Terminen, und dem CI als Neuanfang fürs Gehör

Von Sebastian Krackowizer (44 Jahre)

Im April 2017 erlitt ich ganz unverhofft im Urlaub in meiner Heimatstadt Salzburg (Österreich) einen Hörsturz im linken Ohr und war zunächst komplett überrascht und überfordert, was zu tun wäre. Drei Cortison-Infusionen im Krankenhaus halfen erstmal nichts. Wieder zurück in Bayern war der Besuch beim HNO auch eher ernüchternd. „Schau ma mal in zwei Jahren“ – so die Aussage des Arztes, ohne weitere Kommentare. In den zwei Jahren kam dann ein Tinnitus dazu, der ziemlich lästig sein kann. Beim Kontrolltermin im Mai 2019 zeigte sich dann, dass die Hörleistung stark abgenommen hat und nach zahlreichen Untersuchungen meinte mein HNO schließlich, ich hätte Morbus Menieré. Was das wäre, wurde mit freilich nicht erklärt, ich musste selbst recherchieren. Im Herbst 2019 erhielt ich dann mein Hörgerät und im Laufe der Jahre wurde die Hörleistung im linken Ohr bis Oktober 2022 auch immer besser mit der Hoffnung darauf, bald kein Hörgerät mehr tragen zu müssen.

Die Ernüchterung kam mit dem zweiten Hörsturz im Februar 2023. Cortison half nichts, auch die sechsfache Dosis meiner Meniere-Tabletten nicht, und bis Mitte April 2023 war mir klar, dass es wohl schlimm um mich steht. Der HNO stellte beim Hörtest dann ernüchternd klar, dass ich links taub wäre und schnellstmöglich ein Hörimplant machen lassen sollte. Mit einer Broschüre für das Klinikum Großhadern in der Hand und ohne jegliche Aufklärung wurde ich dann nach Hause geschickt. Eine Welt ist für mich zusammengebrochen und so ganz alleine ohne jegliches Wissen um Hörimplantate oder wie es dann mit meinem rechten, gesunden Ohr weitergehen würde – das Damokles-Schwert „Morbus Meniere“ schwebte über mir – saß ich heulend daheim am Sofa.

Einen ersten Termin im München zu bekommen war gar nicht so einfach, weil sich niemand so richtig zuständig für mich fühlte. Die schriftliche Terminanfrage funktionierte gleich gar nicht und telefonisch wurde ich von A nach B und so weiter verwiesen. Ich suchte mir eine Selbsthilfegruppe für Morbus Meniere und Menschen mit CI, die mir mit ihren Erfahrungen etwas weiterhelfen konnten, denn mein HNO hatte mich ja bereits abgeschrieben.

Am 6. Juni 2023 war dann endlich das Erstgespräch im Innenstadtcampus München bei meinem späteren Operateur und mir wurde erklärt, was mich bei einer CI-Implantation erwarten würde. „Je schneller, desto besser.“ Bis Mitte August sollte ich noch ein CT vom Felsenbein im Ohr machen lassen, dann ein paar abschließende Untersuchungen und ab ins Krankenhaus zur OP. Auf jeden Fall sollte ich alle Tabletten absetzen, denn für die Experten in München war klar, ich hätte keinen Morbus Menieré und wäre vier Jahre falsch behandelt worden. Also musst ein Absetzplan erstellt werden, denn von heute auf morgen einfach „clean“ werden, das geht ja auch nicht. Bis Mitte August, wenn alles weitere in München erfolgen sollte, musste ich auf Null sein. Kein Problem, das schaff ich.

Am 18. August war ich zu Abschlussuntersuchungen in Großhadern – alles vorbereitet für die baldige OP – und am 21. August dann noch zum Gespräch mit meinem Operateur. Das Gespräch war kurz. Mir wurde nur gesagt, ich käme für eine OP in Frage und muss mich entscheiden, ob ich sie will oder nicht. Natürlich will ich. Ich will ja wieder hören können.

Jetzt stellte sich heraus, dass man vergessen hat, beim Juni-Termin schon einen OP-Termin für mich zu reservieren. So bekam ich meinen Termin erst für den 23. November vereinbart. Soviel dazu, dass es schnell gesehen soll.

Bis zum OP-Termin sollte es also wieder drei Monate dauern. In der Arbeit war viel zu organisieren, da ich anschließend ja wohl sechs Wochen ausfallen würde. Die innere Anspannung wurde immer größer, die Taubheit links zur Qual, weil einfach alles sehr anstrengend mühsam wurde, und ich ja nur noch mein rechtes Ohr zum Hören hatte. Was wäre, wenn mit dem was passierte, dann wäre ich komplett taub und dann?

Der November 2023 rückte näher und so auch die Vorfreude auf die OP. Die Ernüchterung kam per E-Mail 36 Stunden davor. Der Termin muss verschoben werden, weil im Krankenhaus gestreikt werde. Frühester Termin 25.01.2024. Die Welt ist für mich zusammengebrochen und ich hab das psychisch nicht gepackt. In der Arbeit war alles vorbereitet um sechs Wochen auf mich verzichten zu können (die Weihnachtswochen mit Betriebsurlaub wären perfekt gelegen). Und jetzt?

Am nächsten Tag bin ich dann in die Arbeit gefahren und wusste gar nicht, was ich dort eigentlich tue. Ich sollte doch eigentlich schon in München zum Einchecken sein. Mir war alles zuwider, alles und jeder nervte und ich konnte nicht mehr. Ich bekam einen Nervenzusammenbruch, weil mir alles zu viel war, und musste zum Hausarzt. Wieder zwei Monate warten und die Ungewissheit, ob der Termin im Januar dann überhaupt stattfinden würde, das war zu viel.

Während der anschließenden zwei Wochen Krankenstand bettelte ich in München förmlich um einen früheren Termin. Egal wann, Hauptsache bald. Tatsächlich wurde mir dann der 22. Dezember 2023 als neuer Termin vorgeschlagen und ich sagte sofort zu. Scheiß auf Weihnachten, das gibt es jedes Jahr, ich will endlich wieder hören! Mit dem neuen Termin ging es mir wieder deutlich besser und nach dem Krankenstand fiel mir auch das Arbeiten wieder leichter.

Am Donnerstag, den 21. Dezember, rückte ich dann in München Großhadern ein. Beim Ablauf an diesem Aufnahmetag ging so viel schief, dass ich mir wie in einem Asterix-Comic auf der Suche nach einem bestimmten Formular vorkam, das es gar nicht gibt. Ich wurde ständig hin- und hergeschickt, mit falschen Unterlagen und Plänen, sogar die Aufnahme selbst war falsch und ich musste mich zweimal aufnehmen lassen. Dann wurden Untersuchungen vergessen und ich musste wieder quer durchs Krankenhaus.

Mir wurde auch erst an diesem Tag gesagt, dass ich mich gegen Meningitis hätte impfen lassen sollen, da das Risiko zur Gehirnhautentzündung für CI-Träger erhöht wäre. Hätte man mir das nicht schon vor Monaten sagen können und nicht erst am Tag vor der OP? Warum klärt man die Patienten nicht vorher vernünftig und vollständig auf? Checklisten wären nicht schlecht, oder soll man alles selber googeln?

Irgendwann am späten Nachmittag war ich dann in meinem 3-Bett-Zimmer. Mein Zimmergenosse war sehr nett. Es folgten weitere Arztgespräche auf der Station. Um 20:30 Uhr wurde uns dann noch ein syrischer Flüchtling aufs Zimmer gebracht. Auch er sollte ein CI erhalten beim selben Operateur wie ich.

Die Nacht war unruhig, doch am Freitag verlief am OP-Tag alles sehr gut. Kompressionsstrümpfe angelegt, Spitzerl in den Hintern, abgeholt und immer sehr zuvorkommend behandelt. Bei der Anästhesie war ich dann doch recht nervös, aber die Professionalität aller Beteiligten beruhigte mich sehr.

Von der OP hab ich dann natürlich nichts mitbekommen. Im Aufwachraum kümmerte man sich auch gut um mich. Als eine Schwester meinte „Lächeln kann er“ wusste ich, dass die Gesichtsnerven noch in Takt sind, denn auch hier besteht ja ein Risiko bei der OP. Nach zwei Stunden im Halbdelirium wurde ich dann aufs Zimmer gebracht. Ich ließ mir Schmerzmittel gegen den Druck im Ohr geben. Die schmeckten schauderhaft. Da wusste ich, dass auch die Geschmacksnerven funktionierten. Ich war soweit zufrieden. Später kam die Apothekerin vorbei und ich musste zum wiederholten Male angeben, welche Tabletten ich nehme oder nicht. Arzt habe ich am OP-Tag keinen mehr gesehen und mit Nachlassen der Narkose ging es mir immer besser.

Mit dem großen „Turban“ am Kopf war das Schlafen in der Nacht auf Samstag erwartungsgemäß mühsam. Mit dem Frühstück um 07:30 Uhr kam kurz darauf eine Ärztin, die mir meine Entlassungspapiere brachte und mich zum Gespräch bat, sobald ich mit dem Frühstück fertig wäre.

Nach dem Entfernen des Turbans bekam ich einen leichteren Verband und das war’s. Mir wurde nicht gesagt, was ich tun dürfe und was nicht. Ich wurde auch nicht gefragt, wie ich nach Hause käme. Ich wurde von meiner Mutter abgeholt, die über die frühe Entlassung ebenso überrascht war, wie ich. Am 27. Dezember – also nach den Feiertagen – sollte ich zur Nachkontrolle mit CT wieder um 11 Uhr da sein. Über die Feiertage versorgte mich meine Mutter. Es ging mir täglich besser, doch im Ohr empfand ich einen ziemlichen Druck.

Ich beschloss ein Tagebuch zu schreiben, um alles im Zusammenhang mit dem CI festzuhalten, um mich später erinnern zu können.

Am 27. Dezember gings wieder nach Großhadern. Dort hatte man mich offensichtlich vergessen „auszubuchen“ und so wäre mein CT schon um 07:30 Uhr gewesen, doch man fand mich auf der Station nicht. Kein Wunder, ich wurde ja schon am Samstag nach weniger als 24 Stunden nach der OP rausgeschmissen.

Bis ich dann zum CT kam, waren viele Gespräche und Erklärungen nötig. Für das Unvermögen der Planung im Krankenhaus hatte ich mittlerweile kein Verständnis mehr, es war doch alles recht anstrengend so wenige Tage nach der OP.

Das CT war aber dann doch schnell gemacht und im Arztgespräch alles OK. Ich musste aber darauf bestehen, dass mir endlich jemand mal das Ohr saubermacht. Da kam dann sehr viel Blut und Dreck heraus, was zu erwarten war. Endlich war der Druck weg.

Wieder daheim konnte ich mich in den nächsten Tagen gut erholen und am 30. Dezember ließ ich mir in der Unfallklinik Murnau beim kassenärztlichen Notdienst die Fäden ziehen. Alles top! Die Fäden gingen sehr gut heraus und alles sah sehr gut aus. Den Kampf um eine Krankschreibung bis Mitte Januar (mein Hausarzt war im Urlaub) hab ich dann doch gewonnen. In der Apotheke holte ich mir dann noch eine Salbe zur Narbenpflege, um die Wundheilung zu unterstützen.

Jetzt hieß es warten auf den 22. Januar 2024 zur Erstanpassung. Zur Überbrückung war ich wieder in Salzburg. Freunde, Familie, Bekannte treffen, einfach raus. Am 16. Januar war ich beim Hausarzt, der sich mein Ohr und die Narbe besah. Alles gut.

Eine Woche später war es dann endlich soweit: Erstanpassung in Großhadern mit Hörtest und Logopädiegespräch. Super-nervös war ich auf alles sehr gespannt. Meine Erwartungen wurden total übertroffen. Schon mit dem Einschalten des CI konnte ich etwas hören, natürlich nicht wie beim natürlichen Hören rechts, aber es war endlich wieder etwas da!

Mir war zum Heulen, so schön war das. Mein Med-El Sonnet 2 wurde mir ausführlich erklärt, auch der ganze Inhalt des Rucksacks. Da gibts schon sehr viel Arbeit für mich mit Pflege, Batterien, Trocknungsstation, Ersatzteilen etc.

Der erste Hörtest fiel auch gar nicht so schlecht aus, natürlich mit Luft nach oben. Hörleistung gleich zwischen 40 und 60 %. Bei der Logopädie erhielt ich dann Informationen zu Übungsmaterial fürs CI-Training. Der Audio-Link zum Streamen direkt ins CI würde mir in den nächsten 14 Tagen zugeschickt, dann könnte ich richtig mit dem Training loslegen. Ich war total gespannt und der Eintrag ins Tagebuch entsprechend positiv.

Bis zur nächsten Anpassung am 22. Februar sollte ich mir eine private Logopädin suchen, um 30 Stunden zu machen, bevor ich eine Reha beantragen kann. Das war dann sehr schwierig, denn bei mir am Land sind Logopäden schon sehr schwer zu finden, geschweige denn welche mit CI-Betreuung. Mein erste Stunde hatte ich dann auch erst am 12. April, als bei einer Logopädin in Weilheim endlich ein Platz frei wurde.

Der Audio-Link von Med-El kam Anfang Februar und seitdem sehe ich fern nur noch damit, um alles direkt ins CI zu streamen. Märchen und Hörbücher laufen bei der Hausarbeit nebenher auch direkt ins CI und diverse Apps nutze ich zum gezielten Üben. Jeden Tag einen Schritt vorwärts zum neuen Hören. Im Tagebuch habe ich dann genau notiert, wie sich mein Hören verändert. Am Anfang waren die Veränderungen größer. Vogelgezwitscher wieder hören, Richtungshören im Straßenverkehr, Stimmen erkennen ohne die Person anschauen zu müssen.

Bei der Anpassung am 22. Februar wurde ich „lauter“ gestellt, niedere und höhere Frequenzen angepasst und so fiel dann auch der Hörtest schon besser aus – zur Überraschung aller Beteiligten.

Im TV sehe/höre ich gerne Quizsendungen, Dokumentationen und Nachrichten. Da wird etwas langsamer gesprochen und bei den Beiträgen kann man dem Gesprochenen dann besser folgen. Frauenstimmen sind schwieriger zu verstehen, als Männer. Kinderstimmen waren am Anfang meiner Hörreise unmöglich, gehen aber immer besser.

Die nächste Anpassung war am 24. April und hier waren meine Hörleistungen schon so gut, dass die Logopädin sagte: „Ich find das echt geil, wie gut Sie schon wieder hören können!“ Das baut wahnsinnig auf und ermutigt mich, immer fleißig weiter zu trainieren. Es wurde auch getestet, ob mein Resthörvermögen noch vorhanden ist, denn bei Med-El besteht die Möglichkeit, dieses bei guter Implantation zu erhalten. Und ja, ich hab mein Resthörvermögen noch. Ist zwar nicht viel, aber es ist mir eines geblieben.

Seit Februar hab ich so viele schöne neue Höreindrücke durch mein CI. Ich teste verschiedene Lebenssituationen bewusst aus (Säle, Veranstaltungen, Straßenverkehr, Arbeit, Besprechungen, TV, Natur), um Erfahrungen zu sammeln und mein Gehör zu schulen. Es lohnt sich. Ich trage mein CI den ganzen Tag und will es nicht mehr missen. Es ist einfach schön, wieder etwas hören zu können. Der Batteriewechsel ist zur Routine geworden. Da ich mir auch aufschreibe, wann ich wechsle, kann ich gut ausrechnen, wie lange die Batterien in etwa halten (im Schnitt 50 Stunden). Durch das Streamen ist der Verbrauch wesentlich höher, so übe ich mit den Apps und Hörbüchern meist gleich wenige Stunden nach dem Wechsel.

Persönlich muss ich sagen, dass das CI ein Teil von mir geworden ist, zu dem ich voll und ganz stehe. Das ist mein neues ICH. Ich bin einseitig taub, dafür kann ich nix, aber das CI hilft mir hören zu können – egal wie andere Menschen mich dadurch wahrnehmen mit dem „komischen Ding“ am Kopf.

Wenn ich gefragt werde, wie das Hören denn damit ist, dann sag ich immer, dass es anders ist wie mit dem guten Ohr, aber unendlich viel besser als taub zu sein. Ich lerne täglich dazu und würde es jedem empfehlen, der selbst vor der Entscheidung steht, sich operieren zu lassen oder nicht. Mir geht es durch das CI um so viel besser als zuvor und der lästige Tinnitus ist auch sehr viel leiser geworden. Natürlich bedeutet das CI auch viel Arbeit, doch die ist es wirklich wert.

Beim letzten Hörtest am 24. April war ich bei 65 dB bei Zahlen bei 100% Sprachverständnis und bei Einsilbern schon bei bei 90 %. Bei 50 dB waren es 80 bzw. (nur) 15%.

Bei der nächsten Anpassung am 24. Juli will ich bei den Einsilbern auf ein besseres Ergebnis kommen und mit viel Training und meinem harten Willen schaff ich das auch. Dazu gibts täglich TV-Ton direkt ins CI, alle zwei Tage Training mit dem Apps und von früh bis spät das reale Leben.

Ich bin dankbar für das neue Hören. Die ganzen Monate des Wartens bis zur OP und die ganzen Pannen in der Organisation etc. spielen keine Rolle mehr. Es zählt die Zukunft mit dem CI.

Bis ich meine 30 Logopädiestunden habe wird des noch viele Monate dauern, dann kommt irgendwann die Reha. Alles Schritt für Schritt oder Ton für Ton….

Sebastian Krackowizer
Mai 2024