Zum Hauptinhalt springen

Meine Hörreise

Von Petra Wohlschlager

Mein Name ist Petra. Ich bin 43 Jahre alt und wohne in Linz in Österreich.

Schon als Kind hatte ich Probleme mit dem linken Ohr. Ich erinnere mich, dass man mir erklärte, dass ich einen Knorpel vorm Trommelfell habe. Für eine 6-jährige eine verständliche Erklärung. Heute weiß ich, dass ich beginnende Otosklerose hatte. Das heißt, dass sich die Gehörknöchelchenkette immer mehr verknöchert. Dadurch kann Sie nicht mehr schwingen und der Schall kann nicht mehr richtig weitergeleitet werden. Darum auch Schallleitungsschwerhörigkeit.

Als Kind lernt man damit umzugehen. Ich wurde in die erste Reihe gesetzt – immer auf der richtigen Hörseite. Schon damals war eine Operation im Gespräch. Meine Eltern stimmten dem aber nicht zu. Das Risiko einer einseitigen Gelähmtheit schien Ihnen mehr Sorgen zu machen, als eine voranschreitende Taubheit auf dem Ohr. Damals galt auch noch die Meinung: „Sie hat ja noch ein gesundes Ohr – das reicht.“ Heute weiß man das - Gott sei Dank - besser. Kinder, die schlecht hören, haben es schwerer in der Schule – Konzentrationsschwäche, geringere Aufmerksamkeitsspanne… ich galt als Träumerin, als eine die eh nie aufpasst. Mit mir konnte man auch nicht schummeln oder geheimnisvoll flüstern.

Mit voranschreitendem Alter konnte ich gut leben mit meiner mittlerweile mittelgradigen Schwerhörigkeit. 2019, mit 38 Jahren entschied ich mich aber einen HNO-Arzt aufzusuchen. Zu laut wurden die Stimmen in meinem Umfeld, dass ich so schlecht höre.

Der HNO meinte schnell Operation. Denn für ein Hörgerät war ich ihm zu jung. Wir entschieden uns also für eine Stapesplastik. Dabei sollte die Verknöcherung weggemacht werden und so implantiert werden, dass die Gehörknöchelchenkette wieder schwingt und den Schall zum Innenohr bringen kann. Bei der OP stellte sich schnell heraus, dass schon mehr kaputt war als gedacht. Sie konnten nicht mehr viel tun. Ich hatte starken Schwindel und musste das Gehen wieder erlernen. Vier Wochen nach der Operation die Ernüchterung. Nicht nur dass es nicht geholfen hat, ich bekam auch noch Tinnitus und meinen ersten Hörsturz mit Schwindel. Jetzt bekam ich doch ein Hörgerät. Nachdem es endlich gut eingestellt war, kam der nächste Hörsturz. Insgesamt waren es vier, danach war ich linksseitig taub, inklusive Tinnitus und Burnout.

Hier hörte ich das erste Mal etwas von einem Cochlea Implantat (CI). Damals konnte ich mich dafür noch nicht entscheiden. Die Hörstürze und das Burn Out hatten mir zu viel Kraft gekostet. In dieser Zeit hab ich einiges in meinem Leben verändert – sowohl privat als auch beruflich. Es ging wieder bergauf. Aber die Taubheit blieb. Irgendwann kam der Punkt, wo ich merkte, dass es so nicht mehr ging. Ich entwickelte eine Hyperakusis, Schwindel. Ich zog mich immer mehr zurück. Laute Umgebungen und Gesellschaften waren ein Horror. Ganz zu schweigen von meiner ewigen Erschöpfung und Müdigkeit.

Da wusste ich, das CI muss her. Im Mai 2023 war es endlich so weit. Die OP verlief gut und war erfolgreich. Leider bekam ich zwei Tage danach erneut starken Schwindel und musste wieder das Gehen von neuem erlernen. Ich war insgesamt sechs Wochen im Krankenstand. Nach nur knapp zwei Wochen Arbeit, musste ich erneut in den Krankenstand gehen. Damals habe ich meine Stunden reduziert und dann innerhalb einem Jahr wieder langsam aufgebaut. Erst seit April diesen Jahres gehe ich wieder meiner normalen Arbeitszeit nach.

Vier Wochen nach der OP bekam ich den Prozessor. Ich entschied mich für MedEl -für den Rondo 3. Die ersten Töne wurden eingespielt und ich konnte alles hören. Es war, als würde man mir eine Tonleiter vorspielen. Ein echtes Glücksgefühl. Ich war überwältigt. Ich konnte nicht glauben, was ich da höre.

Danach folgten viele Einstellungen. Aber ich war nie so zufrieden. Es war immer so, als würde noch was fehlen. Daneben hatte ich auch immer wieder mit Schwindel zu tun. Ich entschied mich dann für eine Reha in Deutschland in Bad Nauheim. Die beste aller Entscheidungen! Hier wurde das CI erst richtig eingestellt. Hier lernte ich das Sprachverstehen. Das rechte gesunde Ohr wurde dabei immer wieder gut vertäubt. Fünf Wochen durfte ich bleiben und meine Kurve ging steil nach oben. Angekommen bin ich mit null Sprachverstehen. Gegangen bin ich mit 61 Wörter in der Minute. Ein für mich überwältigendes Ergebnis. Jetzt weiß ich was ich da für ein Wunderknöpfchen am Kopf habe.

Es war ein langer harter Weg bis hierher. Jetzt kann ich sagen – ich liebe meinen Ronnie (so heißt mein Rondo 😉) Er bringt mir so viel neue Lebensqualität. Ich höre Autos wieder aus der richtigen Richtung. Ich kann wieder orten, wenn mein Kind mir schreit. Meine Aufmerksamkeitsspanne und Konzentration ist viel höher. Energien sind wieder da. Gesprächen folge ich jetzt wesentlich leichter.  Wenn ich heute unterwegs bin und das CI mal nicht oben habe – zum Beispiel beim Wellnessen – dann fühle ich mich total unsicher. Wie auf rohen Eiern. Das CI bietet mir Sicherheit und Leichtigkeit im Alltag.

Üben ist ein stetiger Bestand meines Lebens. Mittlerweile kann ich das aber gut, indem ich streame. Meine Familie wird häufig eingeteilt zum Hörtraining und über den Verein „Von Ohr zu Ohr“ in Linz bekomme ich gratis Hörtrainings. Es macht mir riesigen Spaß über facetime zu telefonieren. Hier brauche ich aber noch das Mundbild. Der österreichische Dialekt ist nochmal eine extra Herausforderung. Musik klingt auch schon wie Musik. Ich erkenne Lieder eindeutig, kann mitsingen und höre einzelne Instrumente raus. Die Stimmen selbst klingen immer mehr realer – das Blecherne verschwindet. Das CI ist hier für mich ganz klar eine Wunderknöpfchen. Wenn ich mein CI trage ist mein Hören komplett. Das gute und das elektronische Hören ist Eins.

Ich trage meinen Ronnie stolz. Jeder soll es sehen. Menschen sollen mich darauf ansprechen. Jeder zweite trägt eine Brille oder Kontaktlinsen. Geht es um eine neue Hüfte oder einen Bypass legt man sich rasch unters Messer. Das ist normal in unserer Gesellschaft. Genau das wünsche ich mir auch für Hörgeräte und für das Cochlea Implantat.

Auf Insta - @pezi_einohrhaeschen könnt ihr in den Highlights meine Reha-Reise in Bad Nauheim anschauen 😊

Petra Wohlschlager
Juni 2024