Skip to main content

Meine schleichende Ertaubung über mehrere Jahre

Von Jeannette W.

Mein Name ist Jeannette (51) und ich bin hörgeschädigt. Der Weg/die Entscheidung zum Cochlea Implantat (CI) war für mich kein einfacher Weg.

Ich wurde normalhörend geboren und im 4. Lebensjahr wurde bei mir die Schwerhörigkeit diagnostiziert. Verschiedene Situationen und Reaktionen veranlassten meine Eltern, eine Ärzteodyssee zu starten. Festgestellt wurde eine Schwerhörigkeit ohne Ursache. Ich wurde einseitig links mit einem Hörgerät versorgt, das rechte Ohr blieb unversorgt.

Aufgrund von Morbus Meniére wurde auch bei mir mein Hörvermögen schleichend schlechter - die tiefen Töne verabschiedeten sich nach und nach und ich hörte nur noch die hohen Töne. Nun war es eine beiderseits an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Das Hören wurde schnell immer „leiser“, bis ich eines Tages im Jahre 2005 nach einer Erkältung feststellen musste, dass ich ertaubt bin. Für mich brach eine Welt zusammen - ich fiel in ein schwarzes Loch.

Meine Eltern offenbarten mir, dass diese Prognose vom HNO-Arzt schon gestellt wurde als ich 6 Jahre alt war und mit 32 Jahren war ich dann ertaubt. Wir konnten es alle nicht fassen, wie recht der Arzt mit seiner „These“ hatte. Um mir aber meine Kindheit unbeschwert zu lassen, haben mir meine Eltern dies erst mit meiner Ertaubung mitgeteilt - dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Es folgten sechs Jahre in Taubheit - mir fehlte das Hören sehr, das Musikhören (was ich sehr liebte und immer mehr vermisste), das Sprachverstehen und das Lippenlesen wurde schwieriger. Anstrengend waren auch die Feiern und das Zusammenkommen in größeren Gruppen. Das Gefühl der Ausgrenzung machte sich immer mehr breit – als Folge zog ich mich immer mehr zurück.

Die Entscheidung zum CI habe ich mir nicht leicht gemacht. Einerseits schreckte mich die „Größe“ der Geräte ab, andererseits hatte ich auch Angst vor einer Operation - es gibt immer Risiken, Vor-und Nachteile.

Letztendlich nach sechs Jahren entschied ich mich nun doch für das CI - hilfreich waren für mich die Erfahrungen anderer CI-Träger sowie vor allem auch mein starker Wille, wieder hören zu wollen.

Unterstützt wurde ich auch von meiner Familie in dieser Zeit - denn ich haderte lange mit dem „Ja“ und „Nein“.

Nach vielen Recherchen zum CI und auch zum Ort der OP entschied ich mich. Die Voruntersuchungen liefen alle reibungslos. Es folgte 2011 die OP im Uniklinikum Dresden am immer unversorgten Ohr rechts. 2012 folgte dann die OP links. Nun bin ich beidseitig mit CIs versorgt.

Heute - nach 13 Jahren CI - kann ich abschließend sagen, dass ich es nie bereut habe, diesen Weg gegangen zu sein. Die Entscheidung dafür war von meiner Seite gefühlsmäßig richtig, die Lebensfreude wurde wieder „geboren“ - ich konnte wieder hören, was für ein tolles und unbeschreibliches Gefühl.

Die Musik, die ich so liebte, wurde wieder ein Teil meines Lebens und Sprache zu verstehen erleichtert ungemein. Ich liebe das Vogelzwitschern am Morgen, die Geräusche um mich herum, die Stimmen usw. Es ist so toll, wieder zu hören - und für mich klingt dieses Hören normal.

Man sagt, wer als Kind schon gehört hat, hat vieles im Unterbewußtsein „gespeichert“ und empfindet das Hören dann oft auch als normal. Hier muß ich dem doch zustimmen :-))

Niemals sollte man sich mit anderen CI-Trägern vergleichen, denn jedes Hören ist einmalig. Jeder empfindet Situationen anders, das Hören mit CI ist nicht bei jedem gleich.

Was ich mit auf den Weg geben kann – denkt positiv, macht euch das Leben nicht unnötig schwer, entscheidet euch in Ruhe und ohne Druck von außen. Eine Entscheidung für das CI ist eine Entscheidung für den Rest des Lebens für jeden einzelnen, die das Selbstbewusstsein, die Weiterentwicklung, den Werdegang und den Umgang in Situationen mit beeinflusst.

Jeannette W.

Juni 2024