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Knopf am Kopf

Von Martin Bischoff

Ich heiße Martin Bischoff und bin Musiker. In meinem Fall bedeutet das, dass ich Zeit meines Lebens mit Musik aufgewachsen bin. Und das sind mittlerweile 63 Jahre und ein bisschen.

Schon im zarten Vorschulalter bin ich in der Wohnung zu Marschmusik hinter meinem Papa hermarschiert. Er war Vorsitzender eines Spielmannzuges, da ergab sich das zwangsläufig. In diesem Spielmannszug erhielt ich auch meine musikalische Grundausbildung an der Querflöte.

Mit elf oder zwölf Jahren wollte ich gerne Gitarre lernen, aber meine Eltern konnten sich den Unterricht nicht leisten. Als mein Onkel mir dann seine alte Wandergitarre überließ, öffneten sich für mich völlig neue musikalische Welten. Weg von der Marschmusik und hin zu Folk- und Rockmusik. Diesen Musikrichtungen bin ich auch bis heute treu geblieben, auch wenn sich ab und an ein Kinderlied einstreut.

Ich spielte mich durch verschiedene Bands und Formationen, veröffentlichte eine CD mit vertonten Gedichten und organisierte diverse Festivals und Musikabende.

Vor etwa vier Jahren dann gab es ein einschneidendes Ereignis in meinem Leben. Ich hatte nachmittags ziemlich starke Kopfschmerzen, und um diese zu beruhigen, legte ich mich ins Bett. Richtig bewusst wach geworden bin ich dann fünf Tage später in einem Krankenhaus.

Diagnose: Hirnhautentzündung.

Meine Frau hatte irgendwann einen Rettungswagen gerufen, da ich nicht mehr ansprechbar war. Notoperation, dreieinhalb Wochen Krankenhausaufenthalt.

Eine der Folgen einer Hirnhautentzündung kann Taubheit sein und das war bei mir auf dem rechten Ohr auch der Fall. Das linke Ohr wurde auch in Mitleidenschaft gezogen. 

Nach der Konsultation eines HNO-Arztes und diversen Untersuchungen in der Uniklinik Münster zeichnete sich ab, dass für mich ein Cochlea Implantat (CI) infrage kam.

Wegen schlechter Blutwerte wurde mir das dann erst im zweiten Versuch implantiert. Seitdem laufe ich mit einem „Knopf am Kopf“ nicht nur durch meine Heimat, sondern auch durch die Weltgeschichte.

Musik mache ich auch immer noch, es fällt mir auch gar nicht so sehr schwer, da ich auf dem linken Ohr ja noch teilweise hörend bin.

Es strengt aber immer noch an, mit meinem gehörlosen Ohr trotz Cochlea Implantat Tonhöhen zu erkennen, Instrumente auseinander zu halten und Satzgesänge zu entschlüsseln. Aber ich arbeite daran. Musik gehört halt unersetzlich zu meinem Leben dazu.

So halt auch in jedem Urlaub, egal, ob mit dem Fahrrad, dem Flugzeug oder dem Auto, wir haben immer eine oder zwei Gitarren dabei.

Auch im letzten Urlaub an der Nordsee. Wir hatten uns für eine Woche auf einem Campingplatz eingemietet. Hier fiel mir schon zu Beginn unseres Aufenthaltes ein kleines Mädchen auf, das mit zwei Implantaten versorgt ist.

Ihre Natürlichkeit und Unbekümmertheit beeindruckten mich sehr. Ich kam recht schnell mit ihren Müttern ins Gespräch und erfuhr, dass Malin seit ihrer Geburt auf beiden Ohren gehörlos ist. Im Alter von einem Jahr ist sie implantiert worden und hat dank ihrer beiden Implantate hören und sprechen gelernt. Da keimte in mir schon der Gedanke, ihr ein Lied zu widmen.

Ich setzte mich in unser Vorzelt, schnappte meine Gitarre und klimperte erst mal einfach drauflos. Langsam formten sich die ersten Zeilen, und gegen Abend dieses Tages war es so weit, dass ich Malin und ihren beiden Müttern (und ich glaube mich erinnern zu können, dass Oma und Opa auch dabei waren) eine erste Version des Liedes vorführen konnte.

Alle waren völlig begeistert, und auch Malin konnte den einprägsamen Refrain sofort mitsingen.

Wieder zu Hause setzte ich mich fast direkt in mein Studio und fing an, das Lied zu produzieren. Es bedurfte noch einiger Änderungen im Text, die ich gemeinsam mit meinem Freund Ingo Schmidt vornahm, und ich wollte noch ein paar befreundete Musiker einladen, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Tom K. Falkus, ein Freund und Schlagzeuger meiner Band „Die Gefährten“, sagte sofort zu, und auch Jens Kommnick, der neben seiner Solokarriere mit vielen Auszeichnungen auch auf den Aufnahmen von Reinhard Mey zu hören ist, steuerte seine schönen Klänge der Gitarre und der irischen Flöten bei.

Nachdem ich zu Hause alle restlichen Instrumente eingespielt und auch einen Kinderchor, bestehend aus Mathilda, Augusta, Luise und Jakob, den Kindern einer befreundeten Familie aufgenommen hatte, ging das Lied in einer rohen Version in ein professionelles Studio (da ich ja selbst nicht mehr so gut höre) zum Mixen und Mastern.

Dann hielt ich mein fertiges Stück sozusagen in der Hand. Damit war der Arbeit aber noch nicht genüge getan. Ich wollte noch ein Video veröffentlichen. In etwa 40-stündiger Arbeit erstellte ich ein Stop-Motion Video, das ich nahezu komplett von Hand gemalt hatte und in dem auch Malin eine kleine Rolle spielt. Das Video kann man auf YouTube finden und natürlich auch hier https://youtu.be/b5t6rNHvCiE?si=mHE8lIv-ma3Rh2Oy

Das Lied selbst kann man auf sämtlichen Streaming-Plattformen hören, indem man nach: Martin Bischoff „Knopf am Kopf“ sucht.

Im Endeffekt kann man sagen, dass alle Schicksalsschläge doch ihr Gutes haben. Wäre ich nicht durch eine Hirnhautentzündung stark Gehör geschädigt, hätte ich kein Cochlea Implantat. Hätte ich kein Implantat, hätte ich niemals so sehr auf dieses kleine Mädchen geachtet. Und dann wäre auch dieses Lied nicht entstanden, auf das Malin so stolz ist. Wer kann schon behaupten, dass ein Lied nur für ihn oder sie geschrieben wurde?

Martin Bischoff
Oktober 2024