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Mein schwieriger Weg zum Cochlea Implantat

Von Sven Gehring

Ich heiße Sven Gehring und bin 49 Jahre alt. Im April 2019 war mir mehrere Tage schwindlig. Als der Schwankschwindel nach einer Woche immer noch anhielt, ging ich zu meinem HNO-Arzt. Dort wurde mein Gleichgewichtssystem getestet. Auf beiden Seiten wurde mir warme und kalte Luft ins Ohr geblasen.  Als dort keine Reaktion kam, wurde ich zum Radiologen geschickt. Im Mai 2019 bekam ich dann die Diagnose: Akustikusneurinom rechts. Ein Akustikusneurinom ist ein gutartiger Tumor, der auf dem Gleichgewichtsnerv wächst.

Nach der Vorstellung in einer Klinik wurde mir zur operativen Entfernung geraten. Im August 2019 wurde mir der Tumor entfernt.

Als ich nach der Operation aufwachte, war ich rechts taub. Dazu kamen noch ein heftiger Schwindel und ein lautstarker Tinnitus. In der Krankenhauswoche und in der darauffolgenden Anschlussheilbehandlung habe ich vor allem das Gleichgewichtssystem trainiert und den Schwindel so in den Griff bekommen, dass die Gleichgewichtsstörung im Alltag nicht weiter auffällt.

2024.12.01 Beim Eishockey
                2024.12.01 Beim Eishockey
2019.08.25 4 Tage nach Akustikusneurinom-OP
2019.08.25 4 Tage nach Akustikusneurinom-OP

Ende 2019 war ich soweit fit, dass ich wieder arbeiten gehen konnte. 2020 bekam ich CROS-Hörgeräte. CROS steht für Contralateral Routing Of Signals: Das bedeutet, man hat auf der tauben Seite einen Sender, der die Geräusche an einen Empfänger auf die hörende Seite schickt. Während der Corona-Zeit fand ich die CROS-Versorgung sehr hilfreich. Das änderte sich aber auf dem ersten Treffen mit mehreren Leuten im April 2022. Ich kam in größeren Gruppen mit den CROS-Hörgeräten überhaupt nicht zurecht. Auf meiner Suche nach Alternativen stieß ich auf das Cochlea Implantat (CI). Bei der Kontrolluntersuchung im selben Jahr in der operierenden Klinik fragte ich, ob ich ein CI bekommen könnte. Der untersuchende Arzt sagte mir, er würde das nachfragen und sich eine Woche später melden. Der Termin verstrich. Ich versuchte den Arzt mehrmals zu erreichen, wurde jedoch immer wieder vertröstet. Als er sich endlich meldete, wurde ein CI für mich abgelehnt. Seine Begründung, dass die bei mir am Kontrolltermin durchgeführten Tests nicht wissenschaftlich fundiert wären, erschien mir fragwürdig. Daher fragte ich bei meinem HNO-Arzt nach, ob ich eine zweite Meinung haben könnte, und er überwies mich an eine andere Klinik.

Anfang 2023 hatte ich nochmal Kontakt mit der Klinik, die den Tumor operiert hatte. Dort wurde mir im Erstgespräch noch einmal Hoffnung auf ein CI gemacht. Im zweiten Gespräch wurde das CI erneut abgelehnt.

Im März 2023 erfolgte die Voruntersuchung in der zweiten Klinik. Dort wurden an zwei Tagen verschiedene Tests durchgeführt und ich bekam einen Einblick in die Geräte der verschiedenen Hersteller und deren Funktionen. Am wichtigsten war der Promontoriumstest, der zeigte, dass mein Hörnerv noch funktioniert.

Im Juni 2023 wurde dann das Cochlea Implantat eingesetzt. Die Operation verlief völlig problemlos. Ich wurde morgens abgeholt und war zum Mittagessen wieder auf dem Zimmer. Ich stand sofort wieder auf und nahm das Mittagessen am Tisch ein. Einen Tag nach meinem Geburtstag im Juli erfolgte die Erstaktivierung des CIs.

Im Oktober 2023 war ich zu einer weiteren Kontrolluntersuchung in der Klinik, in der der Tumor entfernt wurde. Man zeigte sich überrascht, dass ich ein CI bekommen hatte. Erst nach einem Hörtest dort wurde mir geglaubt, dass es funktioniert.

Ich habe mich, seitdem ich das Cochlea Implantat bekommen habe, ständig in den Tests verbessert. Ich trage es jeden Tag vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-gehen und übe auch fast täglich. Der Grund dafür ist, dass das Cochlea Implantat meinen Tinnitus deutlich dämpft.

Im Alltag ist das Cochlea Implantat für mich noch nicht sehr hilfreich, obwohl ich schon merke, dass das Hören deutlich besser ist als vor der Implantation. Das Schwierigste ist, dass sich das Hören mit dem CI noch sehr anders anhört als „normales“ Hören. Ich hoffe aber, dass sich das in Zukunft noch ändern wird. Es wurde mir aber von Anfang an gesagt, dass keine Prognose möglich ist, wie sich das Hören mit dem CI entwickelt, da mein Hörnerv bei der Tumor-Operation beschädigt wurde. Ich bekomme auch öfter überraschte Reaktionen von Ärzten und CI-Technikern, wenn sie mich das erste Mal sehen und erfahren, dass ich nach Entfernung eines Akustikusneurinoms ein CI bekommen habe. Daher habe ich angefangen nach Leuten zu suchen, die eine ähnliche Situation haben. Bisher leider ohne Erfolg.

2023.06.08 2 Tage nach CI-OP
2023.06.08 2 Tage nach CI-OP

Auf meinem Sprachprozessor trage ich einen Sonnenblumenaufkleber. Der steht für eine aus England kommende Initiative. Bei „Hidden Disabilities Sunflower“ geht es darum, auf nicht sichtbare Behinderungen hinzuweisen. Auf der Webseite (https://hdsunflower.com) sind über 900 Behinderungen gelistet, darunter auch Schwerhörigkeit und Taubheit. Leider ist die Initiative in Deutschland noch nicht sehr bekannt und die Webseite nur auf Englisch verfügbar.

Seit 2023 bin ich auch in der Selbsthilfe aktiv. Dort konnte ich viele hilfreiche und positive Erfahrungen sammeln. Was mir die ganze Zeit über noch sehr geholfen und immer viel Spaß gebracht hat, war meine Aktivität als Zeitnehmer bei einem lokalen Eishockeyverein, gerade weil beim Eishockeyspiel viel mit Zeichen gearbeitet wird und das Hören nicht so von Bedeutung ist.

Wenn mich heute jemand fragt, wie das mit dem Cochlea Implantat so ist, sage ich immer, nach allem, was ich in den letzten Jahren an Erfahrungen gesammelt habe:

„Hören mit dem CI ist deutlich schwieriger, als ich mir das vorgestellt habe. Ich würde die Implantation aber trotzdem wieder machen.“

Sven Gehring
Januar 2025

2024.04.05 Üben in Reha in Bad Nauheim mit einseitiger Vertaubung und Rauschen

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2024.11.06 Mein Cochlea-Implantat

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2024.12.01 Beim Eishockey

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