Mein Cochlea Implantat (CI) Erfahrungsbericht
Von Sabrina Edzards

Ich bin Sabrina, geboren 1983, verheiratet, Mama von zwei Kindern (2017 und 2020) und seit 2019 hochgradig schwerhörig diagnostiziert, zunächst beidseitig mit Hörgeräten von Phonak versorgt; seit 2024 trage ich links ein Cochlea Implantat, bzw. EAS (Sonnet 3 von Med-El).
Als Expertin im Kontextverstehen, Mundabsehen und maximaler Konzentration auf mein Gegenüber, bin ich sehr lange ohne Hörgeräte ausgekommen – ohne, dass ich wusste dies anzuwenden oder Schwerhörend zu sein. Ich stelle die steile These auf, dass fast alle Schwerhörenden, die ganz schleichend ihr Gehör verlieren, sich einige Kompetenzen aneignen, die das schlechte Hören ausgleichen.
Schwerhörigkeit wurde für mich erst 2019 zum Thema, als ich mich durchringen konnte zum HNO-Arzt zu gehen. Dass ich schlechter als andere hörte, war mir schon früher klar. Dass sich dies direkt auf mein Sprachverstehen auswirkt und es schneller zu Erschöpfung kommt, war mir nicht klar.
Wann genau es begann, dass ich schlechter hörte, kann ich gar nicht genau sagen. Ich weiß, dass mein Tinnitus bereits im Jugendalter begann. Auch war ich während meiner Studienzeit bei einer HNO-Ärztin, die mich aber eher verschreckte und nicht zu regelmäßiger Kontrolle anwies. Ich hatte mir lediglich gemerkt: Ich höre normal und nur die hohen Töne fallen ab.
Auch wenn der Schritt hin zu den Hörgeräten schwer war, habe ich sie von Anfang an konsequent getragen, weil sie mir geholfen haben. Durch das Streaming direkt auf meine Hörgeräte konnte ich wieder ausgiebig telefonieren und auch Fernsehen. Beides hatte ich unbewusst gemieden und als Zeiträuber aus meinem Alltag verbannt.
Doch mein Hörverlust (Hochtonsteilabfall) schritt voran, so schnell, dass ich manchmal nicht mitkam und nach allem griff, was sich mir bot. Pilates, Yoga, Bewegung, ausreichend Schlaf und eine gesunde Ernährung verfolge ich eigentlich schon immer. Oft hieß es entspann dich, dann wirst du auch wieder besser hören. Ich stellte mich in Frage, denn ich hatte mich selbst gar nicht so angespannt erlebt. Was mache ich falsch, was muss ich in meinem Leben auflösen oder lernen, wo kann ich noch optimieren?
Auch Naturheilkunde, Homöopathie, Osteopathie und Kinesiologie konnten mein Hören nicht verbessern. Bei den unterschiedlichen Disziplinen konnte ich allerlei Themen lösen und verbessern und nutze sie nach wie vor gerne, jedoch mein Hören blieb schlecht.
Die Indikation und die Notwendigkeit hatten mir meine HNO-Ärztin in einem intensiven Termin nahegelegt. Erste Berührungspunkte und Informationen erhielt ich in meiner Selbsthilfegruppe bei Mathias Weihbrecht (Audiotherapeut).
Aus den Schirmchen im Ohr meiner Hörgeräte wurde eine Otoplastik, denn so konnte man noch lauter Verstärken ohne die unschöne Rückkopplung. Die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises war dann so der Gipfel von allem. Niemals hatte ich damit gerechnet, dass ich einen Grad der Behinderung erhalte. So schlecht höre ich doch nicht. Und dann hielt ich diesen Ausweis in den Händen mit einem Grad 50, RF. Es hat einige Wochen gedauert, bis ich mit jemandem darüber sprechen konnte. Unter Tränen habe ich den Ausweis meiner Freundin gezeigt.
Für mich war es ein schrittweises Herantasten, ein schrittweises Verstehen und ein schrittweises Akzeptieren wie schlecht mein Hören ist und welche Kraftanstrengung ich aufbringe, um im hörenden Umfeld zurecht zu kommen. Die Auswirkungen im Beruf zu spüren, dass nicht alle Hörsituationen für mich zu meistern sind oder ich völlig erschöpft am Abend bin. Ebenso Herausforderungen innerhalb der Beziehung mit meinem Mann bei einem Familienalltag, zwei Kleinkindern, wir beide berufstätig, Haushalt und Haus mit Garten sowie eigenen Wünschen und Bedürfnissen nach Freizeit, plus meine Schwerhörigkeit.
Mit dem Wechsel zu einer guten HNO-Ärztin und dem Ankommen in einer wunderbaren Selbsthilfegruppe für Menschen mit Hörminderung, erfuhr ich so viel Unterstützung, dass ich mich getraut habe eine medizinische Rehabilitation für mich zu beantragen. Ich wollte der Frage nachgehen, was die Schwerhörigkeit für mich bedeutet und wann der richtige Zeitpunkt für ein Cochlea Implantat (CI) für mich ist.
Während meines Reha-Aufenthalts wurde schnell klar, dass ich nicht lange warten sollte. Mit Fingerspitzengefühl und ein wenig Hartnäckigkeit auf, die nicht widerlegbaren Fakten wurde, ich dort auf ein CI vorbereitet. In den vier Wochen der Reha habe ich alles an Wissen, Austausch und Entspannung aufgesaugt. Zum allerersten Mal habe ich verstanden, dass ich nur durch eine immense Anstrengung, Kontextverstehen und Konzentration auf das, was gesprochen wird, noch ein „so gutes“ Sprachverstehen habe. Meine Erkenntnis dort war: „Wenn ich mich wirklich entspanne und in dieser Entspannung bleibe, kann ich euch nicht mehr verstehen.“ (Und ich meinte mit euch, diejenigen, die mir so oft geraten hatten mich zu entspannen.) Das war erschreckend am eigenen Leib zu erfahren und zugleich hat es mich beruhigt. Endlich wusste ich, warum mich andere als angestrengt erleben, denn nur so habe ich noch ein Sprachverstehen und ich wusste, was zu tun war.
Meine Reha war sehr gut und gleichzeitig tränenreich. Niemals hatte ich erwartet, dass ich in so kurzer Zeit so viel für mich lerne und Klarheit für meinen Weg zum CI erhalte. Es gab dort die Zeit und den Raum meinen Hörverlust zu verarbeiten und mich mit dem Thema CI auseinander zu setzen. Zu verstehen, dass es Hörstress gibt und ich zwar viel für ein besseres Verstehen tun und einfordern kann, doch um ein CI komme ich nicht drum rum.
Noch während meiner Zeit in Bad Nauheim hatte ich einen Termin zur Voruntersuchung in der Uniklinik Frankfurt vereinbart, die Entscheidung für einen Hersteller und das Modell getroffen sowie in intensivem Austausch mit „meiner“ Hörpatin meines Wunschherstellers.
Trotz meiner Entschlossenheit und Klarheit für ein Cochlea Implantat, blieb die Angst vor dem Neuen, dem Unbekannten und der Operation. Inzwischen ist der Eingriff Routine und die Risiken sind auf ein Minimum reduziert. Auch hatte ich eine gute Prognose relativ schnell in ein Sprachverstehen zu kommen. Doch niemand kann dir sagen, wie es sich für dich anhören wird, wann du in ein Sprachverstehen kommst und wie gut du bzw. dein Gehirn mit den neuen Informationen zurechtkommt. So viele Menschen mit Cochlea Implantat haben mir Mut und Zuversicht gegeben. Sie haben ihre Erfahrungen mit der eigenen Hörminderung und dem Cochlea Implantat geteilt.
Manchmal wusste ich gar nicht wohin mit all den Gefühlen, Fragen und Nöten. Mein Instagram-Account als #hochgradig.sabrina gab und gibt mir einen weiteren Zugang zu Austausch und meiner Auseinandersetzung mit dem CI. Daher teile ich auch gerne meine Erfahrungen.
Die letzten drei Monate vor der Operation waren eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich rate jedem und jeder sich jede Art von Hilfe und Unterstützung für diese Zeit zu suchen und anzunehmen.
Endlich war es dann so weit und ich wurde am 17.12.2024 operiert. Die Operation selbst lief sehr gut – alles wie gewünscht und vorgesehen. Ich hatte mich entschlossen erst meine linke Seite implantieren zu lassen, denn rechts hatte ich ein subjektiv besseres Sprachverstehen.

Mit dem Konzept der Uniklinik Frankfurt bekam ich am zweiten Tag den Prozessor angepasst und in den nächsten zwei Wochen weitere zwei Anpassungen. Mit diesem schnellen Vorgehen hatte ich gar nicht die Möglichkeit ins Grübeln zu kommen, wie wohl das Hören sein wird, ob es nun doch die richtige Entscheidung war, sondern ich war mit all den Höreindrücken beschäftigt.
Mein linkes operiertes Ohr war nun taub. Im doppelten Sinn: zum einen war mein Gefühl weg, die Nerven wurden bei der Operation durchtrennt und mein Ohr fühlte sich pelzig an. Zum anderen war auch mein letztes Sprachverstehen auf dem Ohr verschwunden. Dieses Gefühl nichts mehr zu hören und ja ich würde es als ein Gefühl beschreiben, war sehr verstörend. Für mich war klar, dass nun ein Prozess der Akzeptanz genauso scheibchenweise wie für den progressiven Hörverlust vor der OP ein Prozess der Akzeptanz für das CI und all die Begleiterscheinungen einsetzen muss und ich mich mit dem „Taubsein“ auseinandersetzen muss. Es war und bleibt ein Verlust und ein Trauerprozess.
Die ersten Tage mit Prozessor fühlten sich nicht wie hören an. Es war ein ständiges Rauschen und Verzerren. Doch ohne den Prozessor war es noch unangenehmer, denn dann trat das taube Gefühl noch viel offensichtlicher in den Vordergrund. Zudem war der Tinnitus laut, so laut war er noch nie. Er tobte! Nach der Operation war er links durch die Decke geschossen, was sich aber nach einigen Tagen auf ein bekanntes „Normal-Niveau“ wieder eingependelte.
Meine Erwartung war, dass ich zu Beginn nur stundenweise den Prozessor tragen werde, doch ohne ihn fühlte es sich auch nicht richtig an. Das war komisch und hatte ich so nicht erwartet. Ich trug ihn gleich zu Beginn von früh bis abends, nur zu meinen (kurzen) Hörpausen und dem fest etablierten Mittagsschläfchen während meiner Rekonvaleszenz nahm ich ihn ab.
Nach ungefähr einer Woche kam ich körperlich wieder zu Kräften. Das schnelle erschöpft sein und mich zerbrechlich Fühlen wich langsam.
Gleichzeitig weinte ich noch viel. Es war hart von einem Selbstverständnis „noch hörend“ zu „taub“. Klar, in einigen Frequenzen war ich hochgradig schwerhörig an Taubheit grenzend, aber eben nur grenzend. Ich selbst habe mich als hörend wahrgenommen. Ich habe schlecht gehört…. Das ist immer noch so. Ich höre schlecht. Doch dieses Gefühl eines tauben Ohrs hatte ich nie. (Hohes) piepsen habe ich nicht mehr gehört, Vögel nicht zwitschern, doch ich habe mich bei ruhiger Umgebung noch gut unterhalten können.
Jetzt hörte ich links nichts mehr. Das machte was mit mir.
Hörverlust trifft es sehr gut. Ich hatte einen Verlust zu beklagen. Und was hatte ich im Gegenzug dafür bekommen? Druckschmerzen und ein Gerät am Kopf das zischt, knackt, kracht und drückt.
Nichtsdestotrotz hatte ich mir die Geräusche schlimmer vorgestellt - unerträglich, mühsam und fremd. Ja fremd waren sie, doch nicht unangenehm. Das Zischen nervte. Ich fragte mich, ob ich ohne das Zischen schon Wörter verstehen könnte.
Natürlich hatte ich mich vorweg intensiv mit dem Prozess eines CI auseinandergesetzt – das empfehle ich wirklich allen CI-Kandidat:innen – und dass ich nicht von Beginn an hören werde können.
Mein Kopf wusste das alles. Es wird besser werden. Es braucht Zeit und Geduld. Doch mein Herz, mein Bauch, mein Gefühl sagte mir, S**** was habe ich getan. Ich höre schlechter als vorher…..
Es war, als ob meine Seele noch einige Runden brauchte, bis sie auch angekommen war. Eine Operation mit Vollnarkose, intubiert, Magnet am Kopf, Elektrode in der Hörschnecke und mit diesem großen Gerät, mit dem ich elektrisch höre.
Was nicht alles Geräusche von sich gibt. So viel mehr Geräusche. Der Wasserkocher piepst mit CI ganz anders, wenn ich ihn anstelle.
Den Backofenwecker höre ich nun!!! Ich habe es ausprobiert.
Selbst ein Filzstift macht unterschiedliche Geräusche auf Papier.
Papier oder besser noch Klebeband knistert beim zusammenknüllen. Und noch viel krasser: Wenn sich Cellophan selbst entfaltet, ganz sacht und langsam, macht es auch knisternde Geräusche. Die kannte ich nicht.
Alle Geräusche, die ich nicht zuordnen konnte, also Töne, die ich bisher nicht mehr hörte, brutzelten. Als ob die Geräusche und Töne in einer Pfanne in Fett vor sich hin brutzelten. Das war schon auch komisch, aber ich wusste, das wird sich verändern.
Vor all den hohen Tönen hatte ich Angst. Es hieß, dass mich wohl all diese hohen Töne überfordern werden. Mein Gehirn mit all der Information überfordert sein wird. Nach der zweiten Einstellung vom CI gab es keine Töne, die mich überforderten. Ich brauchte viele Pausen. Aber vor allem auch, weil der Druck auf meinem Implantat noch hoch war und die Wunde hinter dem Ohr noch sehr empfindlich. Damit ich den Prozessor dennoch ganztags tragen konnte, hatte ich ihn mir mit einer Haarspange im Haar oberhalb des Ohrs befestigt.
Ich freute mich aufs Haare waschen. Letztlich war es nur etwas mehr als eine Woche ohne Waschen und mit Trockenshampoo gar kein Thema. Ich hätte sicherlich noch länger durchgehalten.
Meine Anschlussheilbehandlung, das ist eine Rehabilitation direkt im Anschluss an eine Operation – man kennt das von Hüft- oder anderen Gelenkoperationen, begann zwei Wochen nach Entlassung aus der Klinik. Im Rückblick war es eine sehr erfolgreiche sowie anstrengende und arbeitsintensive Zeit.
Bereits vor der Anschlussheilbehandlung hatte ich in den zwei Wochen mit Prozessor ein Sprachverstehen von 60% erreicht und nach weiteren fünf Wochen Rehabilitation in Bad Nauheim erzielte ich ein Sprachverstehen von 80%. Die Prognose war sehr gut, doch dass es tatsächlich so schnell so gut werden würde, damit hatte niemand gerechnet.
Bei meiner letzten Einstellung drei Monate nach Operation bzw. Erstanpassung des Prozessors, konnte ich dieses hohe Niveau halten. Auch mein Resthörvermögen im Tieftonbereich hat sich wunderbar erholt und ist fast wieder auf dem Stand wie vor der Operation. Lediglich Einbußen von 10-20 Dezibel sind zu beklagen. Somit ist mein Tieftonbereich so gut, dass ich im Tieftonbereich ganz ohne akustische Unterstützung über mein Ohr höre und ab ca. 350 Hz mit der Elektrode von meinem CI. Sollte sich der Tieftonbereich verschlechtern, wird der akustische Teil durch mein EAS-CI (Elektro-Akustische-Stimulation) verstärkt. Das EAS ist eine Kombination aus Cochlea Implantat (elektrische Stimulation) und Hörgerät (akustische Stimulation meines Resthörvermögens im Tieftonbereich).
Im Anschluss fügte sich die Wiedereingliederung von vier Wochen an zurück in die Arbeit. Jede Woche wurde ich stabiler und nach Abschluss der letzten Woche, wusste ich, dass ich nach wie vor meinen sehr kommunikativen Beruf in der Personalentwicklung ausüben kann. Das hat mir so viel Kraft, Zuversicht und Selbstvertrauen gegeben.
Mit meinem rechten Ohr habe ich noch einen Rest an Sprachverstehen, der für kurze Absprachen in verständlicher Aussprache und wenig Abstand ausreicht. Doch ohne die CI- Seite hört es sich an, als ob meine Gegenüber nuscheln. Wenn ich mein CI aktiviere, spricht er oder sie viel deutlicher und klarer. Mein Sprachverstehen ohne Hilfsmittel, vor allem nur mit einer Seite ist sehr eingeschränkt: Unklar, genuschelt und nur mit viel Anstrengung verständlich.
Die Entscheidung für ein Cochlea Implantat war genau richtig. Für mich zum richtigen Zeitpunkt. Nicht zu spät und auch nicht zu früh, denn die Zeit habe ich gebraucht, um mich mit dem Thema, den Veränderungen und Konsequenzen vertraut zu machen.
Ich bin sehr dankbar, dass es die Möglichkeit und diese Innovation gibt. Ich kann wieder teilhaben und mein Leben mit einigen wenigen Einschränkungen leben.
Sabrina Edzards
Mai 2025