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Meine 26-jährige Hörreise zum ersten Cochlea Implantat (Teil 1)

Von Angie Titt (65)

Aufgrund eines Auffahrunfalls wurde am 15.11.1996 ein MRT meines Kopfes durchgeführt, dabei wurde ein Akustikusneurinom festgestellt. Am 07.01.1997 wurde dieses entfernt und dadurch wurde ich links taub, zudem entwickelte sich ein starker Tinnitus, den ich zum Glück akzeptieren konnte und in mein Leben integrierte.

Im Februar 1997 hat mein Arbeitgeber (Krankenpflege) mir gekündigt, da dieser der Meinung ist, dass der Tumor nicht hätte entfernt werden müssen und ich nun behindert sei. Nach einer Einigung vor dem Arbeitsgericht fand ich schnell in den Beruf der häuslichen Krankenpflege zurück. Der befristete Arbeitsvertrag wurde meinerseits nicht verlängert, da sich die Chefin des Pflegedienstes, der Ernsthaftigkeit meines Hörverlust nicht bewusst sein wollte und mir regelmäßig in das hörende Ohr schrie, mit der Begründung: „Damit ich es verstehe“. Dies war Mobbing am Arbeitsplatz.

1998 ließ ich einen Hörtest machen, da mein Mann der Meinung war, ich verstehe vieles falsch. Befund: Schwerhörig im rechten Ohr. Ich bekam mein erstes Hörgerät. Bis 2022, also 24 Jahre lang, musste ich Hörgeräte tragen, die immer mehr Leistung erbringen mussten.

Im April 2022 musste ich jedoch feststellen, dass es kein Hörgerät mehr gibt, welches genug Leistung erbringt, um mir zu helfen. Laut meiner HNO-Ärztin gibt es auch keine Tests oder Geräte mehr, die mir helfen können.

Zu dieser Zeit ist mir auf Facebook eine Werbung von Cochlear Deutschland aufgefallen. Ich habe mir Informationsmaterial schicken lassen, welches mir Hoffnung gegeben hat. Es gibt ein Implantat, mit dem ich wieder hören kann.

Meine Ärztin war gegen die Behandlung, da ich ihrer Meinung nach keine geeignete Patientin war. Trotzdem besorge ich mir einen Termin in einer Klinik, die Implantationen durchführt und habe die nötigen Untersuchungen machen lassen. Unter Protest stellte die HNO-Praxis mir die nötige Überweisung aus. Die Untersuchungen im Krankenhaus fanden im Juni/Juli 2022 statt.

Ich wurde jedoch darauf hingewiesen, dass ich unter der Implantation das wenige restliche Gehör verlieren könnte, denn durch das Implantieren einer Elektrode, wird die Hörschnecke irreparabel zerstört. Kurz gesagt: dann bin ich taub! Ich stellte mir die Frage, ob es einen Versuch wert ist, denn Hörgeräte halfen nicht mehr und links war ich ja schon taub!

Für mich war klar, das Risiko gehe ich ein. Was auf mich zukommt konnte ich mir nicht vorstellen, denn ich kannte niemanden, der ein Implantat hat. Es stellte sich heraus, dass ich ein geeigneter Kandidat für eine Cochlea Implantation bin. Am 07.12.2022 wurde mir auf der rechten Seite das erste Implantat eingesetzt. Ein Cochlea Implantat besteht aus zwei Komponenten. Das Implantat und den Audioprozessor. Ich habe mich für das Cochlear Hybrid-Modell entschieden.

Die OP verlief ohne Komplikationen, die Wundheilung reibungslos. Da ich nun auf beiden Ohren nichts mehr hören konnte, wurde eine schnelle Erstanpassung des Prozessors vorgenommen. Am 16.12.22 war der große Tag. Was werde ich hören? Wie werde ich hören? Kann ich auch was verstehen? Da ich keinen Menschen mit einem Implantat kannte, hatte ich nicht die geringste Vorstellung von dem, was mich erwartet.

Die Geräusche waren sehr laut, Verstehen war sehr schwierig. Ich war hochkonzentriert und allein.

Ich bekam einen Rucksack mit Zubehörteilen, jedoch keinerlei Einweisung zu diesen technischen Geräten. Im Anschluss an die Erstanpassung hatte ich noch einen Termin bei der Logopädin, musste aber im Wartezimmer verbleiben. Wie ich da so sitze und warte, ist mir der Prozessor einfach vom Magnet des Implantats abgefallen. Meine Versuche ihn wieder an dem Implantat zu befestigen, schlugen allesamt fehl.

Ich ging zur Anmeldung und bat um Hilfe. Der Audiologe war nicht mehr da, aber einer Mitarbeiterin der HNO-Ambulanz gelang es den Prozessor auf das Implantat zu setzen. Ich ging zurück ins Wartezimmer, jedoch fiel der Prozessor nach kurzer Zeitwieder auf den Boden. Mit einem unguten Gefühl ging ich erneut zur Anmeldung, um das Geschehene zu schildern. Noch während ich wartete, nahm ein junger Arzt mich zur Seite und fragte was passiert sei. Ich erklärte das Problem und informierte ihn, dass der Audiologe nicht erreichbar sei. Der Arzt ging mit mir in ein Büro und beruhigte mich. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, telefonierte er dem Audiologen hinterher.

Die Logopädie fiel aus und als der Arzt den Audiologen erreichte, bekam ich die Information, ich muss zum Audiologen ins Geschäft, da könne man mir helfen. Im Geschäft bekam ich dann einen stärkeren Magneten und damit blieb die Spule auf dem Implantat.

Geplant waren dann wöchentliche Logopädie-Einheiten, die mir allerdings zu wenig waren, also übten mein Mann und ich zusätzlich zu Hause. Ende Januar hatte ich schon ein sehr gutes Sprachverstehen. Immer noch allein, ohne Austauschmöglichkeiten mit Gleichgesinnten, las ich bei Cochlear, dass es sogenannte Hörpaten gäbe, und ich erkundigte mich sofort. Eine Antwort kam sehr schnell und wir traten über WhatsApp in Kontakt.

Hier erfuhr ich, dass man am besten eine stationäre Reha machen sollte, da in der Reha intensiv trainiert wird. Nach erneuter selbstständiger Suche im Internet, schaute ich mir verschiedene Reha-Kliniken an und war sofort von den Angeboten begeistert. In der CI-Klinik sprach ich mit der Ärztin, die jedoch der Meinung war, eine stationäre Reha mit Klinikaufenthalt wäre unnötig, eine ambulante Reha reiche aus.

Da diese auf einmal in der Woche Logopädie beschränkt war, wusste ich, dass mir das nicht reicht. Im März 2023 wurde der Reha-Antrag bei der Krankenkasse eingereicht. Dieser wurde abgelehnt mit der Begründung: Die CI-Klinik befürwortet keine Reha. Also legte ich Widerspruch bei der Krankenkasse ein. Mittlerweile stockte mein Sprachverstehen und wurde wieder schlechter, die Situation war frustrierend. Mehrfach ging ich zur Krankenkasse und erklärte, dass ich so nicht mit dem Implantat leben könne. Rechts entwickelte sich zusätzlich ein Tinnitus, der jedoch mit dem linken bestehenden Tinnitus nicht zusammenpasste. In meinem Kopf war das reinste Chaos, sodass ich kurz davorstand, mir das Implantat wieder entfernen zu lassen. Genau in diesem Moment kam die Nachricht, dass die Reha genehmigt wurde.

Im August 2023 ging es in die Rehaklinik nach Bad Nauheim. Nach fünf Wochen intensivem, täglichem Einzelhörtraining, Kommunikationstraining, Gruppenhörtraining, Audiotraining und mit einem zusätzlich auf dem Zimmer stehenden PC mit dem Programm Audiolog, mit dem ich weiteres Hörtraining durchführen konnte, lernte ich unglaublich schnell wieder das Gehörte zu verstehen. Die Einstellungen des Prozessors wurden wöchentlich angepasst.

Es stellte sich heraus, dass ich postoperativ noch ein wenig, aber gut nutzbares Restgehör habe. Deswegen wurde an den Prozessor die Hybrid-Komponente, quasi ein zusätzlicher Hörer angebracht. Das Hörerlebnis damit ist einfach fantastisch. Nach Abschluss der Reha hatte ich ein sehr gutes Sprachverstehen, der Stressabbau war enorm, meine Konzentration stieg erheblich an.

Von Angie Titt
Oktober 2025