Meine 28-jährige Hörreise zum zweiten Cochlea Implantat (Teil 2)
Von Angie Titt
Nach meiner stationären Reha in Bad Nauheim überlegte ich eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Die Erfahrungen, die ich vor der Reha machte, waren schlimm, ich wollte nicht, dass ein anderer Patient das durchmacht. In der Reha hatte ich zu vielen Patienten mit Cochlea Implantat Kontakt und der Austausch an Erfahrungen und Informationen war phänomenal. Nun war ich nicht mehr allein!
Aber ich wusste, wenn ich mich für eine Selbsthilfegruppe entscheide, muss ich viel Zeit dafür aufbringen, bin ich dazu bereit?
Ich nahm Kontakt zu der Selbsthilfe-Kontaktstelle der Stadt Wuppertal auf und informierte mich. Im November 2023 fiel meine Entscheidung: Ich gründe eine Selbsthilfegruppe für Cochlea Implantierte und hörgeschädigte Menschen. Die Wuppertaler CI Schneckchen
Die Selbsthilfe-Kontaktstelle half mir Räume für Gruppentreffen zu finden und stellte einen Pressebericht fertig. Im Dezember 2023 wurde die Gruppe offiziell vorgestellt. Das Interesse war sehr groß. Im Januar 2024 fand unser erstes Gruppentreffen in unseren Räumen statt. Bis heute, Oktober 2025, ist die Gruppe gewachsen und gefestigt.
Wir informieren hörgeschädigte Menschen zu Fragen zum Cochlea Implantat, wir berichten von unseren Erfahrungen, aber wir drängen keinen zur Implantation, die Entscheidung muss jede/r allein treffen. Die Gruppe ist offen für alle Hörgeschädigten (Cochlea Implantierte, Hörgeräteträger) sowie ihre Angehörigen.
Da ich nie eine Selbsthilfegruppe geleitet habe, besuchte ich viele verschiedene Seminare. Im November 2024 war ich auf einem dreitägigen Technik-Seminar. Abends saßen wir zusammen und tauschten Informationen aus.
Hier wurde ich gefragt, warum ich denn links kein Implantat besitze. Ich erzählte von der Akustikusneurinom OP und das man da nichts machen kann. Ob ich denn schon mal einen Promontorialtest habe machen lassen?
Definition
Der Promontorialtest ist ein diagnostisches Verfahren, mit dem überprüft wird, ob Schallsignale korrekt vom Innenohr über den Hörnerv bis zum Hirnstamm weitergeleitet werden.
Hintergrund
Mithilfe des Promontorialtest lässt sich eine Aussage über die Beschaffenheit und die Leitfähigkeit des Hörnervs treffen, auch wenn das Innenohr irreversibel geschädigt ist, Dieser Test wird vor allem zur Eignungsprüfung des Hörnervs für ein Cochlea-Implantat verwendet, da dieses einen intakten, bzw. leistungsfähigen Hörnerv benötigt.
Durchführung
Beim Promontorialtest wird eine elektrisch leitfähige Nadel durch das Trommelfell eingeführt und auf dem Promontorium tympani platziert. Messelektroden werden am Mastoid und an ein bis zwei weiteren Stellen am Kopf angebracht. Über die Nadelelektrode werden Spannungsimpulse mit definierter Amplitude und Form abgegeben, die den Hörnerv stimulieren. Dieser leitet die Reize weiter, wobei an den Messelektroden elektrische Potentiale gemessen werden können, die zeitlich verzögert als Folge der Nervenleitung entstehen.
Nein hatte ich nicht, davon hatte ich noch nie gehört! Sofort schrieb ich eine Klinik an, fragte nach und bekam recht schnell einen Termin. Im April wurde der Test gemacht, was ich nicht wusste: das tut richtig weh!
Der Test wurde abgebrochen und ein Termin für August gemacht. Hier sollte unter OP-Bedingungen der Test durchgeführt und ein CI gelegt werden, wenn der Test erfolgreich anschlägt. Der Test war erfolgreich, das Cochlea Implantat wurde gelegt. Die OP verlief ohne Komplikationen, die Wundheilung problemlos.
Für mich war klar, dass ich eine Anschlussheilbehandlung nach der OP wollte, denn ich wusste von der Reha in Bad Nauheim (beim ersten CI), wie gut ein intensives Training ist.
Der Prozessor wurde am 09.09.25 aktiviert. Ich saß beim Audiologen und war zum Zerreißen gespannt. 28 Jahre war das linke Ohr taub, konnte ich wirklich was hören? Die Ärzte waren allesamt der Meinung, dass ich vermutlich nur Geräusche höre.
Ein Mausklick des Audiologen, einen kleinen Moment warten und ich hörte, wie der Prozessor rauschte. Ich schaute den Audiologen an und er fragte, ob ich was höre. Was dann kam konnte ich nicht fassen! Ich verstand jedes einzelne Wort! Leise und mit Hintergrundrauschen, aber ich verstand!
28 Jahre sagte man mir: „Da geht nichts mehr, der Nerv ist kaputt.“ Ich habe es geglaubt und ohne die Frage von Arnold, wäre ich immer noch auf dem linken Ohr taub.
In der AHB (Anschlussheilbehandlung), die leider nur 3 Wochen ging, hatte ich wieder ein sehr gutes intensives Hörtraining. Ich kann nur jedem raten eine AHB oder Reha zu machen. Dieses Training schafft man nicht allein, weil man nicht weiß, wie gutes Trainieren geht.
Heute drei Wochen nach der AHB, höre ich recht gut. Das linke CI muss viel mehr lernen, als es bei dem rechten CI notwendig war. Ich verstehe mit beiden CIs recht gut und weiß, dass ich links noch viel üben muss, aber ich weiß, wofür ich übe!
Angie Titt
November 2025