Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie viel mehr Zeit Sie zu Ihrer „Pflege" im Vergleich zu einem „Normal-"Hörenden benötigen, liebe CI-/Hörgeräteträger?
Nun, da ich es jetzt schwarz auf weiß habe, kann ich gerne mein Wissen mit Ihnen teilen. Es sind durchschnittlich 18 Minuten pro Tag (lt. Pflegekasse der Krankenkasse). Kann ich jetzt ein Grinsen oder gar Kopfschütten bei Ihnen sehen? Dann fühle ich mich von Ihnen verstanden!
Tja, das Verstandenwerden ist leider nicht überall der Fall – sei es bei Krankenkassen, Ämtern, Freunden, Bekannten...
Aber vor einem Jahr habe ich mir auch noch nicht Gedanken darüber gemacht, dass es Hörgeräteträger unter 60 Jahren gibt, geschweige denn CI-Träger. Inzwischen kann ich bei vielem mitreden, mitleiden, mitfühlen und das kam so:
Bei unserer Tochter Lena (inzwischen 2 Jahre) haben wir uns immer mal wieder Gedanken gemacht, ob sie auch alles richtig hört. Dieses haben wir dann auch mit der Kinderärztin besprochen. Sie hat uns beruhigt und wir uns dann auch, da sie ein sehr „waches" Kind ist. Vor einem Jahr wurde sie dann nach Frankfurt zur Päd-Audiologischen Abteilung der Uni-Klinik überwiesen. Bei einer zweiten Untersuchung (BERA) kam dann heraus, dass Lena hochgradig schwerhörig ist (rechts 100 dB, links nicht messbar).
Es lässt sich eigentlich nicht in Worte fassen, was für ein Schock das für mich bzw. uns war.
Wir „mussten" uns nie mit diesem Thema beschäftigen und sind bis heute teilweise noch dabei, es zu verarbeiten, zu betrauern etc. Es wurden schon viele Tränen geweint - man sieht mit einem Mal all das, was nun nicht mehr möglich ist - viele konnten aber auch getrocknet werden.
Besonders gut taten uns die Leute die uns einfach zuhörten, nachfragten und vielleicht auch mal „mitgejammert" haben. Besonders schlimm waren solche Kommentare wie „es könnte ja noch schlimmer sein" (könnte es, aber kann eigentlich wirklich ein Hörender ermessen, was es heißt nicht zu hören?).
Was uns aber – neben vielen Gebeten von lieben Menschen – immer wieder aufbaute, war und ist das fröhliche und gewinnende Wesen unserer kleinen lieben Tochter. Sie selbst, so ist es im Moment, leidet am wenigsten darunter.
Nach der Diagnose, die uns sehr lieb von der behandelnden Ärztin übermittelt wurde, wurden verschiedene Hörgeräte ausprobiert und sehr schnell wurde uns auch nahegelegt, dass Lena ein CI haben soll.
Sie bekam ein Hörgerät verordnet und wir standen nun als Laien vor der Qual der Wahl, unserer Tochter ein CI aussuchen zu müssen, zwei Firmen standen zur Wahl. Hätten wir damals schon Kontakt zu Erwachsenen CI-Trägern gehabt, hätte das bestimmt auch einige Vorteile bei der Entscheidungsfindung für uns gehabt. Es wäre schön, wenn es mehr Informationen über Selbsthilfegruppen, Fachliteratur, Internet-Angebote etc. in den entsprechenden Kliniken bzw. bei den entsprechenden Ärzten gäbe.
Lena bekam am 25. Okt. 2002 ihr erstes CI und nun am 9. Mai das Zweite. Sie hat die Operationen gut überstanden. Es ist schon erstaunlich, wie tapfer so ein kleines Menschlein das alles erträgt. Inzwischen bringt sie morgens ihr CI, damit man es ihr anlegt. Sie ist eine begeisterte und fröhliche Hör-Entdeckerin und hat Spaß daran, ihre eigene Stimme (und Lautstärke – was uns nicht immer erfreut ?) auszuprobieren.
Sie hört jetzt seit 6 Monaten. Wir sind dankbar, es miterleben zu können, wie sie die hörende Welt entdeckt. Sie erfreut sich an zwitschernden Vögeln, schreit um die Wette mit ihrem tollen großen Bruder ( 4 ½), merkt dass das Wasser ein Geräusch macht und versucht fleißig, Wörter nachzusprechen. Die Therapeuten sind ganz zuversichtlich, dass sie ihren Weg ganz gut gehen wird (Regelschule etc.). Unsere Geduld wird schon oft auf die Probe gestellt, da wir jetzt erst merken, dass Hören nicht gleich Verstehen ist. Lena braucht eben mehr Zeit und Zuwendung als 18 Minuten pro Tag und viele Wiederholungen.
Es liegt ein langer Weg vor uns, den wir mit all unserer Kraft gehen möchten, um Lena die „Hörende Welt" weiterhin freudig nahe zu bringen. Sei es mit der kompetenten Hilfe unserer Frühförderin, der Ärzte und Audiologin, der Reha-Einrichtung, Fachliteratur, Therapie bei Frau Schmid-Giovannini etc.
Dass das alles eine große Herausforderung für eine Familie ist, die auch auf das Geschwisterkind achten muss, brauche ich Ihnen wahrscheinlich nicht sagen.
Wir hoffen einfach auf die Kraft für jeden neuen Tag und freuen uns an den großen und kleinen Fortschritten.
Christa Stöppler
Mai 2003
PS: Wir haben folgende Literatur sehr hilfreich empfundenen:
Susanna Schmid-Giovannini: Hören und Sprechen (erhältlich im CIC Friedberg)
Gisela Batliner: Hörgeschädigte Kinder spielerisch fördern, Reinhardt Verlag
Zeitschrift Die Schnecke
Newsletter Internationales Beratungszentrum für Eltern hörgeschädigter Kinder