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Erstanpassung

Vom 25. bis 29. Oktober 2004 war ich in Hannover zur Erstanpassung des Sprachprozessors. Mit Spannung habe ich darauf gewartet. Aber es war „ernüchternd“. Es kam mir so vor, als ob ich auf einem fremden Planeten gelandet bin. 
 
Nach der Programmierung wurde der Prozessor eingeschaltet, und ich hörte nur ein hohes Piepen. Stimmen, Geräusche, alles piep, piiep… Meine eigene Stimme war auch weg. Als ich den Mund aufmachte, kam „piep“ heraus. Das hat mich so erschreckt, dass ich mich zu-erst nicht getraut habe, zu sprechen oder irgendein Geräusch zu verursachen. Denn: auch Husten, räuspern, klopfen, alles piiiep (!) – Ich war ja gut informiert und wusste, dass das vorkommen kann. Aber vorher konnte ich mir absolut nicht vorstellen, wie das ist. 
 
In den folgenden Tagen wurde jeweils die Sprachprozessor-Einstellung etwas verändert. Teilweise hatte ich Probleme mit dem Gesichtsnerv (Schmerz bei bestimmten Tönen). Von dem Gepiepe habe ich Kopfschmerzen bekommen. Aber ich habe es durchgehalten, den Prozessor tagsüber fast ohne Pause zu tragen. 
 

Hörtraining

Nachdem ich „online“ war, hatte ich eine Stunde Hörtraining. Die Pädagogin machte mit mir Geräusche-Übungen mit verschiedenen Instrumenten: Klanghölzer, Triangel, Glocke, Rassel, Trommel usw. Erst bekam ich alle der Reihe nach zu hören und sollte mir den Klang einprägen. Danach wurden alle durcheinander angeschlagen, und zwar hinter meinem Rücken, so dass ich es nicht sehen konnte. Da die Instrumente auch alle „gepiept“ haben, konnte ich sie praktisch nur nach Rhythmus und Länge des Klangs unterscheiden (z. B. Triangel: langer Ton).
 
Hörtraining hatte ich jeden Tag. Als Nächstes übte ich bei der Pädagogin Vokale. Da habe ich erkannt, dass a, e, i, o, u sich jeweils von der Lautstärke her unterscheiden („a“ klingt am lautesten). Ich konnte auch zwischen lang und kurz unterscheiden, z. B. Beet – Bett.
 
Bei Wörtern habe ich die Anzahl der Silben erkannt (jede Silbe ein Piepton). Die Höhe des Piepen war allerdings immer gleich, Männer- und Frauenstimmen waren nicht zu unterscheiden… Ohne Absehen konnte ich Wörter nicht verstehen. Nur, wenn es galt, von verschiedenen vorgegebenen Wörtern das richtige zu erkennen. 
 
Am Donnerstag übten wir Zahlen. Nach mehrmaligem Vorsprechen der Zahlen von 1 – 10 und der Zehnerschritte bis 100 konnte ich anschließend ohne Mundbild Zahlen „erkennen“, obwohl ich sie nicht direkt verstanden habe. Vorher habe ich gedacht, es ist unmöglich, etwas zu erkennen. Beispiel: Ein-und-sieb-zig. Bei mir kam an: piep-piep-piiep-piep. Hääh?? Aber jede Zahl piepte etwas anders, und das habe ich mir gemerkt. Dass ich bis zu 65 % der Zahlen richtig erkannt habe, hat mir Mut gemacht. 
 
Es wurden auch verschiedene Hörtests gemacht: Wörter, Sätze und Zahlen – erst nur mit CI, dann nur mit Hörgerät, anschließend mit beidem zusammen. Mit CI war ziemlich deprimierend, mit Hörgerät konnte ich dagegen noch eín bisschen verstehen…
Zum Schluss wurde mein Richtungsgehör getestet. Um mich herum waren 12 Lautsprecher (wie bei einer Uhr). Aus einem Lautsprecher kam jeweils ein Geräusch, und ich musste sagen, aus welcher Richtung es kam. Das wurde auch mit CI und Hörgerät einzeln, dann mit beidem zusammen gemacht. Irritierend war, dass der Ton im CI-Ohr als Piepen angekommen ist, und im Hörgeräte-Ohr als Rauschen… Es war schwer, die Richtung zu bestimmen, aber das klappte gar nicht so schlecht! Insgesamt waren die Tests sehr anstrengend. Danach war ich total „platt“…
 

Hörerlebnisse

In der freien Zeit ging ich auf „Geräusche-Jagd“. Ich habe manchmal aus Neugier selbst Geräusche erzeugt, um zu hören wie sie klingen. Manch einer wird es komisch gefunden haben, wenn ich z. B. auf verschiedene Dinge klopfte und dann lauschte…! 
 
Die Begleitung eines Freundes hat mir sehr geholfen. Zusammen mit ihm „übte“ ich das Hören in verschiedenen Situationen: in der Halle der Medizinischen Hochschule, in ruhiger Umgebung (Park) und in der Innenstadt (Kaufhaus, Café, Bahnhof). Alle Geräusche waren mir fremd, ich habe zuerst wirklich nichts wiedererkannt. Aber das ging nach ein paar Tagen besser. Ich habe mir immer mehr Geräusche eingeprägt und die dann jeweils auch wieder-erkannt. Immerhin klangen Geräusche nicht alle gleich.
 
Manche Geräusche haben mich echt zum Schmunzeln gebracht:
Autos rauschen/zischen
Blätter klirren (typisch im Herbst: über Blätter laufen)
Schritte: metallisches Klacken. Das hat mich übrigens extrem fasziniert, so dass ich jedes Mal stehen geblieben bin, wenn ich ein Klacken vernommen habe. Dann habe ich versucht, zuzuordnen, wer es verursacht! Also habe ich jedes Paar Schuhe beobachtet!
Nach ein paar Tagen hat sich der Klang der Stimmen verändert: Zu dem monotonen Piepton hat sich noch etwas hinzu gemischt. Es hört sich jetzt robotermäßig (wie quaken) an, ist aber noch keine Sprache. Mein Gehirn kann es noch nicht ganz entschlüsseln. 
 

Eindrücke im Alltag

Auch zu Hause habe ich festgestellt, dass alles anders klingt. Das muss ich erst wieder zuordnen. Ich muss öfter fragen: „Was ist das für ein Geräusch??“
Vieles klingt „blechern“.
An der Arbeit: Papierknistern kommt richtig laut rüber, aber Telefonklingeln dagegen eher leise.
Ich habe mal getestet, wie Musik klingt. O je, alles undefinierbar… Ich kann auch mit dem CI (noch) keinen Ton unterscheiden. Das tut mir weh, da mir Musik sehr viel bedeutet.
Verkehrslärm ist mit CI „erträglicher“ als mit Hörgeräten.
Ich habe mich inzwischen relativ gut an die Geräuschkulisse mit CI gewöhnt. Allerdings „rauscht“ es, wenn viele Leute durcheinander sprechen.
Mit TV-Kabel klingt Fernsehen schon gut, aber Verstehen ist trotzdem noch so eine Sache…

Ausblick

Ich bedanke mich
 
bei allen, die mir beigestanden haben und mich unterstützt haben (mein besonderer Dank gilt dem Freund, der mich während der OP-Zeit und Anpassungsphase begleitet hat);
bei dem Ärzte- und Pflegeteam der Medizinischen Hochschule Hannover für die gute Betreuung;
bei den Technikern/Pädagogen im Hörzentrum Hannover für alle Mühe.
Ende November muss ich noch mal 5 Tage stationär nach Hannover (zur nächsten Anpassung und zum Hörtraining).
 
Folgender Spruch kommt mir in den Sinn:
 
„Wer einen Sprung nach vorn machen will, geht weit zurück.“ 
(Bertolt Brecht)
 
Ich habe auch erst mal einen großen Schritt zurück gemacht. Aber eigentlich wird es mir erst dadurch ermöglicht, weiterzukommen. Ich schaue nach vorn und gehe Schritt für Schritt weiter.