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Ich wurde normal hörend geboren. Nach mehreren Hörstürzen wurde mein Gehör immer schlechter. Außerdem litt ich an Tinnitus, der mich Tag und Nacht verfolgte. Sechs Jahre kam ich mit Hörgeräten zurecht. Am 28.08.2010 erwachte ich morgens und in meinem Kopf rauschte es, als stünde ich unter einem Wasserfall. Mir war übel und schwindelig. Das Schlimmste dabei war -  ich hörte nichts mehr. Alles klang dumpf – wie durch Watte und sehr  weit weg. Nach erfolgloser medikamentöser Therapie (Tabletten, Infusionen, Verordnung neuer Power Hörgeräte) durch meinen HNO-Arzt bekam ich im März 2011 von diesem endlich (nach langer sinnloser eigener Behandlung) eine Überweisung zur Universitätsklinik Frankfurt am Main - HNO-Poliklinik.

Dann der Schock, die Diagnose lautete: „An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit", hier hilft nur noch ein Cochlea-Implantat und das bds.Ich hatte wohl schon etwas darüber gehört und gelesen, aber richtig informiert war ich nicht. Also wollte ich erst einmal Bedenkzeit. Die Reaktion meines Hörgeräteakustikers brachte mich auch nicht weiter. Er meinte, damit wäre das Hören sehr blechern, die Worte schwierig zu  verstehen, unnatürlich eben. Das OP-Risiko sollte hierbei auch bedacht werden. Er riet sozusagen von der OP ab. Dann bekam ich eine Einladung der Uniklinik zur Infoveranstaltung über das Cochlea-Implantat. Vor Ort bestand die Möglichkeit mit Cl-Trägern zu sprechen und über deren Erfahrungen mit dem Implantat. Nach diesen neuen positiven Erkenntnissen entschloss ich mich zur OP. Nach Abschluss aller Voruntersuchungen bekam ich dann einen OP-Termin. Zuerst sollte das schlechtere Ohr operiert werden. Ich hatte höllisch Angst davor, jedoch verlieren konnte ich ja nichts, höchstens gewinnen, und an die Risiken dachte ich lieber nicht.

Die OP erfolgte am 19.07.2011. Sie verlief super. Keinerlei Beschwerden und Nebenwirkungen. Nach vier Wochen erfolgte die Erstanpassung des Sprachprozessors. Oh, siehe da oder besser höre, ich konnte wieder hören –nicht nur das–  ich verstand was gesprochen wurde, wenn auch nicht alles, aber doch viel, viel mehr als zuvor. Nach der dritten Anpassung war es noch besser. Allerdings klang wirklich alles sehr blechern, robotermäßig eben. Es sprach ET. Mit der Zeit wurde der Höreindruck jedoch zusehends besser. Ich nahm das Miauen meines Katers wieder wahr, hörte die Uhr ticken, die Vögel zwitschern, den Wind rauschen und das Prasseln des Regens. Sogar während der Autofahrt konnte ich mich unterhalten. Vorbei war die Zeit der Stille, die Zeit, in der ich mit meinen Kindern bloß noch durch Emails, SMS oder bewaffnet mit Block und Kuli kommunizieren konnte. Endlich konnten wir wieder reden. Nur meine Enkelkinder verstand ich nicht. Sie hörten sich an wie das Krächzen eines Raben. Ein fünfwöchiges intensives Hörtraining in der Kaiserberg–Klinik, Bad Nauheim, brachte dann einen weiteren Hörerfolg. Mittlerweile verstehe ich auch meine 6-jährige Enkelin und meinen fast zweijährigen Enkel.

Der Tinnitus auf dem implantierten Ohr hat sich ebenfalls gebessert, nur auf der nicht operierten Seite nervt er noch. Ebenso ist das Hören von Musik und dem Fernseher, das Telefonieren und die Gespräche in den Büroräumen mit meinen Kolleginnen und Kollegen noch nicht optimal, wobei ich anmerken muss, dass sich die Kollegen-/innen auch keine Mühe geben deutlich zu sprechen und Blickkontakt aufzunehmen.

Anzumerken ist ferner, daß ich in der Zeit meiner Schwerhörigkeit –oder besser gesagt– fast Taubheit im Betrieb als „dumm und behindert“ hingestellt und vom Kollegenkreis  ausgeschlossen wurde. Hier greift das Urteil „Brillenträger sind gebildet, Gehörlose sind behindert". Das ist zum Teil auch heute noch der Fall. Die Begrüßung nach meinem Wiedereinstieg in das Arbeitsleben war: „Hören sie jetzt endlich wieder besser?“. Ich stehe weiterhin außen vor und werde mit einem mitleidigen Lächeln bedacht. Dumm und behindert werde ich wohl in deren Augen bleiben, doch damit kann ich mittlerweile leben.