Da lag sie nun. Ein perfektes Kind. Gekleidet in einen Strampler mit dem Krankenhauslogo schaut sie mich mit ihren blauen Äuglein wach an. Ihr gesundes Händchen umklammert fest meinen Finger. Einfach perfekt. Aber das Neugeborenen Hörscreening klappte nicht.
Die Hebamme meinte "Da ist sicher noch Fruchtwasser hinterm Trommelfell" oder "Sie war nicht ruhig genug". Dies sei ein Grund dafür, dass es nicht funktionierte. Ja, das wird es sein. Das kannte ich von meinen anderen beiden Kindern. „Kein Grund zur Sorge“, dachte ich. Mit einer Liste für die Pädaudiologen und der Bitte es überprüfen zu lassen, durften wir nach Hause.
Ich suchte mir eine Praxis raus, vereinbarte einen Termin. Wieder konnten keine positiven Ergebnisse erzielt werden und ich sollte mit der Diagnose "Verdacht auf Schwerhörigkeit" in die Uni-Klinik. Dort sollte eine BERA Messung durchgeführt werden, um zu schauen, wie hoch der Grad der Hörstörung sei bzw. wo genau das Problem liegt. Gefolgt von unzähligen Hörtests und einer weiteren BERA, bekamen wir dann die endgültige Diagnose: „Hochgradige an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits. Hörgeräteversorgung empfohlen ab dem 3. Lebensmonat.“
Meine Welt brach zusammen. Dieses kleine perfekte Baby mit diesen wachen blauen Äuglein und den starken Händchen sollte fast taub sein?
Ursachenforschung
Ich wollte wissen warum! Unzählige wochenlange Untersuchungen folgten. Vom Kardiologen, über das Sozialpädiatrische Zentrum, einem Besuch beim Augenarzt bis hin zum kompletten Organultraschall. Alles war gesund, nichts war auffällig. Dann endlich brachte ein Gen-Test Licht ins Dunkel. Der Gendefekt Connexin 26 war der Grund für ihre Gehörlosigkeit.
Nicht der Hähnchendöner, den ich während der Schwangerschaft gegessen habe. Nicht der Kasten Wasser, den ich getragen habe. Nicht das Softeis im Zoo. Ich war erleichtert, auch, weil dieser Gendefekt keine weiteren Behinderungen mit sich bringt. Ich war plötzlich so dankbar, so erleichtert. Eine Achterbahn der Gefühle.
Doch die verbale Entwicklung stagnierte. Leider brachten die Hörgeräte nicht den gewünschten Erfolg, so dass nach einer weiteren Untersuchung MRT und BERA in Vollnarkose die CI Indikation im Raum stand.
Wir mussten nicht lange überlegen. Wenn dies die einzige Chance ist, dass mein Mädchen die Vögel zwitschern, die Regentropfen plätschern, ihr eigenes Kind lachen hören und im besten Fall in vollständigen grammatikalisch korrekten Sätzen mit mir und ihrer Umwelt kommunizieren kann, dann sollte DAS unser Weg sein.
Ich informierte mich, knüpfte Kontakte, blätterte das Internet durch und wälzte Bücher. Tag und Nacht. Mit einem Haufen Informationen, selbst angeeignetem Wissen über die Materie (wahrscheinlich hätte ich einen Doktor mit dem Thema: "Die frühkindliche Hörentwicklung" oder "Das Hörorgan" schreiben können) ließen wir Teresa mit zehn Monaten erst links und mit zwölf Monaten rechts mit einem CI versorgen.
Erstanpassung
Vom ersten Moment an liebte sie das neue Hören. Es war, als wäre sie plötzlich endgültig angekommen! Sie wirkt wacher, aufmerksamer. Lauschte jedem noch so kleinsten Geräusch. Entwickelte sich auch motorisch rasant. Sie erzählt nun den ganzen Tag, versteht schon unglaublich viel und täglich kommt etwas Neues hinzu. Für uns wirklich ein wahres Wunder.
Heute (nach acht Wochen mit ihren neuen Ohren) lacht sie sich kringelig, wenn der Hund der Oma bellt und schaut den Möwen an der Nordsee nach, die sie nun auch hören darf und lauscht der Musik aus ihrer Spieluhr. All das hätte ich ihr vorenthalten sollen?
Ich will nichts beschönigen. Es waren für uns schwere Zeiten im Krankenhaus. Das wünscht sich keiner für sein Baby. Aber man bekommt so viel mehr!
Mir ist auch bewusst, dass die Implantate immer Fremdkörper bleiben und die Gefahr einer Abstoßung immer besteht. Die Risiken einer Operation dürfen natürlich auch nicht außer Acht gelassen werden. Und ob das CI grundsätzlich den gewünschten Erfolg bringt, weiß man nicht.
Dennoch - ich möchte nie in die Augen meines Kindes sehen, das mich vielleicht einmal gefragt hätte: "Mama warum habt ihr es nicht wenigstens versucht." Ich finde es richtig und wichtig zu versuchen, seinem Kind jede Möglichkeit zu eröffnen, keine Tür verschlossen zu halten, die man aber hätte öffnen können, damit es später einmal selbst entscheiden kann!
Wir haben ein Riesenglück und Teresa darf sich nun wie jedes andere Kind mit allen Sinnen entwickeln. Nun leben wir mit den CI's und wir leben gut damit. Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Erlernen der Lautsprache, weil das meine, weil das unsere Muttersprache ist.
Teresa genießt jegliche Förderung um lautsprachlich das bestmögliche raus zu holen. Wenn sie im besten Falle diese eine Sprache - unsere Muttersprache - erworben hat, werden wir uns sicher als Familie gerne einen Teil der DGS aneignen.
Die DGS wird hier jedoch nie ein Hauptaugenmerk werden und ist lediglich ein zusätzlicher Gewinn, der allen Freude bereiten soll. Wir sind stolz und glücklich mit unserer Entscheidung. Dass es die richtige war, sehen wir jeden Tag an unserem Kind.
Eva & Teresa