Als ich etwa 30 Jahre alt war, wurde diagnostiziert, dass ich aufgrund erblicher Vorbelastung kein optimales Hörvermögen besaß. Frühere eigene Erfahrungen wurden damit bestätigt. In den Folgejahren wurden mir auf beiden Ohren Mittelohrimplantate als Ersatz für die nicht mehr
ausreichend leitfähigen Mittelohrknöchelchen implantiert. Das half einige Zeit, bis das Hörvermögen doch immer weiter nachließ und ich nicht mehr auf Hörgeräte verzichten konnte. Im Alter von 55 Jahren erwischte mich dann ein Hörsturz auf dem linken Ohr, nach dem ich auf der linken Seite praktisch taub und nur noch auf das schon erheblich schwächere rechte Ohr angewiesen war. Aber auch das entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahre immer weiter abwärts und ich entschloss mich
mit 67 Jahren zur Implantation eines CI auf der linken, tauben Seite. Dieser Entschluss fiel mir nicht schwer, da ich schon am Beispiel meiner Mutter erfahren hatte, wie sehr ihr vor Jahren schon ein implantiertes CI geholfen hat.
Anfang Februar 2016 wurde ich in der Uniklinik Frankfurt operiert. Ende Februar erhielt ich dann meinen Cochlear-Prozessor und der erste überraschende Höreindruck war das Vogelzwitschern vor dem Klinikgebäude, das ich seit vielen Jahren nicht mehr gehört hatte. Zu meiner Erstausstattung hatte ich mir einen TV-Streamer ausgesucht, der den Fernsehton drahtlos auf das CI überträgt und das war eine gute Entscheidung. Ich versuchte Fernsehsendungen ausschließlich mit dem CI zu hören und hatte schon nach relativ kurzer Zeit Hörerfolge, insbesondere dann, wenn einzelne Sprecher (z. B. bei Nachrichten oder Natursendungen) ohne Begleitgeräusche oder Musik zu hören waren.
Natürlich war der Klang im CI ein anderer als der gewohnte, vieles hörte sich zunächst wie Computerstimmen an. Aber ich gewöhnte mich im Laufe der Zeit daran und auch das Zusammenspiel zwischen CI und dem Hörgerät auf der anderen Seite war irgendwann immer vertrauter.
Während eines dreiwöchigen Reha-Aufenthaltes in der Kaiserberg-Klinik Bad Nauheim kam ich wieder ein ganzes Stück voran und erhielt wertvolle Informationen für die Praxis in der Zeit danach. Dort erfuhr ich allerdings auch von Menschen, die nicht das Glück hatten, die CI-Implantation ohne Folgeprobleme zu überstehen und die nur geringen oder gar keinen Hörgewinn verzeichnen konnten.
Inzwischen trage ich das CI schon seit mehr als eineinhalb Jahren. Mein Hörvermögen hat sich im Laufe der Zeit stetig verbessert und das CI ist für mich inzwischen die Basis des Sprachverständnisses, was ich immer merke, wenn ich es mal abnehme und nur mit dem Hörgerät höre. Das Hörgerät liefert mir eigentlich nur noch den vertrauten Klang. Probleme macht noch das Telefonieren, aber abhängig von der Tonqualität des jeweiligen Gerätes. Interessanterweise habe ich festgestellt, dass ich mit meinem Handy oft besser verstehen kann als mit einem speziellen Telefon für Hörgeschädigte. So oft wie möglich nutze ich Hörtrainingsprogramme über das Handy, mit dem Telefon oder auf CD. Die in der Reha erhaltene Empfehlung zu konsequentem Hörtraining kann ich nur unterstreichen.
Das Musikhören mit dem CI ist allerdings für mich noch immer kein ungetrübtes Vergnügen und ich glaube auch, dass es da technische Grenzen gibt. Wenn ich meine Ansprüche aber reduziere und mich auf die richtige Musikauswahl konzentriere (z. B. Stücke, die ich schon kenne, mit einzelnen Stimmen oder Instrumenten - gleich ob klassisch oder modern) macht es trotzdem Spaß.
Für mich steht fest, dass ich nicht mehr auf das CI verzichten möchte, und ich bin zuversichtlich, dass sich mein Hörvermögen und die Hörqualität damit auch jetzt noch weiter verbessern können.
August 2017
Hans G. Wagner