Meine Hörbehinderung wurde bei mir im Alter von ca. einem Jahr - im Jahre 1985 - festgestellt. Meine Eltern merkten, dass ich nicht auf ihre Stimmen bzw. in bestimmten Situationen anders oder gar nicht reagierte. Auch meine Sprache war für das Alter nicht weit genug ausgebildet. Daraufhin gingen meine Eltern mit mir zu einem HNO-Arzt, welcher bei mir eine mittel- bis hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit feststellte, die ich schon von Geburt an hatte. Die Ursache meiner Hörschädigung konnte nicht geklärt werden, meine Eltern sind beide normalhörend.
Ich bekam Hörgeräte verordnet, die ich ohne Probleme angenommen habe und fing an, Sprache zu entwickeln. Im Alter von 4 Jahren verschlechterte sich mein Gehör auf Grund eines Hörsturzes auf beiden Seiten nochmals bis an Taubheit grenzend.
Trotz meines enormen Hörverlustes besuchte ich - zuerst auf Wunsch meiner Eltern, dann auf meinen eigenen Wunsch - einen Regelkindergarten sowie eine Regelschule, die ich 2003 mit dem Abitur abschloss. Anschließend machte ich eine kaufmännische Ausbildung, während der ich ebenfalls eine Regelberufsschule besucht habe. Meine Eltern sowie meine Betreuerin von der Hörbehindertenschule am Sommerhoffpark in Frankfurt/Main unterstützten mich all die Zeit und sorgten dafür, dass ich an den Regelschulen angenommen wurde.
Glücklicherweise waren die Rektoren der jeweiligen Schulen sehr entgegenkommend und haben meine Klassen möglichst klein gehalten, dafür gesorgt, dass Teppichboden im Klassenraum liegt oder gelegt wird (bessere Akustik im Raum), die Lehrer in das Problem eingewiesen usw. Während des Unterrichts benutzte ich eine FM-Anlage mit vier Sendern, die die Schüler bzw. der Lehrer immer herumgegeben haben. Das klappte meist recht gut. Ab der 7./8. Klasse gab es jedoch erste Probleme, die bis zum Abitur anhielten. Die Mitschüler nahmen keine Rücksicht mehr auf mich, auch gab es einige Lehrer, die nicht mit meiner Hörbehinderung klar kamen. Ich war zumeist darauf angewiesen, zu Hause den Lernstoff selbstständig aus Büchern nachzuholen.
Ich war - und bin immer noch - auf das Mundabsehen angewiesen, Fernsehen und Radio kann ich nicht verstehen. Mit mir bekannten Personen konnte ich mit viel Mühe telefonieren, sofern die Freisprecheinrichtung vom Telefon angeschaltet war und meine Mutter mich hin und wieder mit Mithören/Lippenbewegungen unterstützte.
Während meiner Schulzeit haben mich häufig HNO-Ärzte auf das CI hingewiesen. Es hieß jedoch, dass die Chance, dass die OP zu einem Erfolg wird, nur ca. 50% beträgt. Mir wurde von Seiten der HNO-Ärzte sehr viel Druck gemacht, die OP durchzuführen - wirklich informiert wurden ich bzw. meine Eltern darüber jedoch nicht. Zu dieser Zeit trug man den Sprachprozessor auch nicht hinter dem Ohr sondern noch in Form eines Taschenprozessors. Mich hat das als Kind sehr abgeschreckt, ich habe mich nie als "behindert" angesehen und mich dagegen gewehrt, mich operieren zu lassen. Meine Eltern haben mir die Entscheidung überlassen, waren aber beide auch skeptisch gegenüber dem CI.
Damit hatte sich das Thema CI für mich erst einmal viele Jahre erledigt. Sobald ein HNO-Arzt auf dieses Thema zu sprechen kam, habe ich gleich abgeblockt.
Im Sommer 2008 hat mein Freund durch Zufall im Internet Werbung für ein CI-Seminar in der Kaiserbergklinik in Bad Nauheim gesehen. Er überredete mich, das Seminar zu besuchen, um sich über den Stand der Technik zu informieren, wie die Erfolgsaussichten nach der OP sind etc. - schließlich hatte ich mich seit Jahren nicht mehr mit dem Thema CI befasst und ich hatte eigentlich überhaupt keine Ahnung davon.
Bei dem CI-Seminar wurden viele Vorträge über das CI gehalten, z. B. dessen Möglichkeiten und Grenzen, die Funktionsweise, das operative Vorgehen, die notwendige Nachsorge sowie die unterschiedlichen Fabrikate und technischen Besonderheiten. Auch Betroffene haben über ihre Erfahrungen mit dem CI berichtet. Des Weiteren wurden für die Seminarteilnehmer Hörtests durchgeführt sowie mittels Elektroaudiometrie die Funktion des Hörnervs getestet. Beim Hörtest kam ich zu folgenden Ergebnissen: Rechts verlief die Hörschwelle zwischen 125 Hz und 8 kHz zwischen 75 und 95 db, links verlief die Hörschwelle zwischen 125 Hz und 4 kHz zwischen 75 und 115 db, oberhalb 4 kHz lag die Hörschwelle oberhalb des messbaren Bereiches. Mit meinen beiden Hörgeräten erzielte ich ein Einsilberverstehen von 35% bei 80 db und ein Zahlenverstehen von 35% bei 65 db. Die Hörnervuntersuchung zeigte beidseitig gute Höreindrücke. Mit diesen Werten war ich natürlich eine CI-Kandidatin, auch wenn ich es noch nicht wahrhaben wollte.
Seit dem CI-Seminar habe ich über das Internet und über Selbsthilfegruppen-Treffen Kontakt zu anderen CI-Trägern geknüpft und im Internet sehr viele Erfahrungsberichte gelesen und angefangen, mich ernsthaft mit dem Thema CI auseinander zu setzen. Da die Hörergebnisse der operierten Personen meist positiv bzw. deutlich besser waren als mit Hörgeräten, entschloss ich mich, eine CI-Voruntersuchung in der Uniklinik Frankfurt/Main zu machen. Dort wurde ebenfalls bestätigt, dass ich eine CI-Kandidatin bin und man bot mir schon gleich einen OP-Termin einige Wochen später an. Ich erbat mir jedoch noch etwas Bedenkzeit, da ich doch noch sehr unsicher war. Ein paar Wochen später entschloss ich mich zu der OP und bekam einen Termin für November 2008. Ich entschied mich für Med El (Sonata-Implantat und Opus2-Sprachprozessor) und das linke Ohr.
In der Nacht vor der Einlieferung ins Krankenhaus plagten mich nochmals große Zweifel, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich hatte Angst vor dem neuen Hören und der OP und auch davor, mein Restgehör zu verlieren, auch wenn es mir eigentlich sowieso nichts mehr gebracht hatte. Ich steckte große Hoffnungen in das CI und hatte Angst, dass meine Erwartungen nicht erfüllt werden könnten, z. B. bessere Kommunikationsmöglichkeiten in Gruppensituationen und im Störschall, weniger Erschöpfung durch Zuhören.
Die OP verlief sehr gut, die Elektrode konnte vollständig in die Hörschnecke eingeführt werden. Ich hatte auch keinerlei Nebenwirkungen, wie Schwindel oder Geschmacksirritationen. Lediglich mein Ohr und eine Stelle am Kopf waren für einige Wochen taub, das legte sich aber mit der Zeit. Der Druckverband war sehr unangenehm und ich hatte leichte Schmerzen, die sich aber mit Schmerzmitteln ertragen ließen. Nach zwei Tagen kam der Druckverband ab und nur noch eine Ohrenklappe aufs Ohr. Nach drei Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Bei der OP habe ich mein Restgehör fast vollständig verloren.
Im Dezember 2008 hatte ich morgens meine Erstanpassung. Zuerst wurde ein Probeton abgespielt, den ich hören musste. Anschließend wurden die einzelnen Elektroden des Implantats eingestellt. Ich musste Töne hinsichtlich ihrer Lautstärke beurteilen, ob ich sie gar nicht höre, sehr leise, leise, angenehm laut, laut etc. Danach wurden noch mal je 2 Töne hintereinander abgespielt und ich musste beurteilen ob sie gleich stark waren. Dann wurde der Sprachprozessor eingeschaltet. Im ersten Moment hat alles nur gepiepst und geklingelt, den Audiologen und meinen Freund konnte ich gar nicht verstehen, es kam nur ein Piepsen aus ihrem Mund. Nach einigen Stunden konnte ich schon Männer- und Frauenstimmen auseinander halten. Nachmittags habe ich versucht, alte Lieblingslieder mit dem CI zu hören und konnte sie meistens wiedererkennen. Gegen Abend hörte sich alles schon klarer an, Männerstimmen konnte ich bereits relativ gut verstehen, Frauen klangen jedoch sehr piepsig und waren nur teilweise zu verstehen. Insgesamt klang alles noch sehr elektronisch. Nach der zweiten und dritten Anpassung an aufeinander folgenden Tagen konnte ich schon relativ gute Werte bei den Hörtests (nur CI) erzielen (15% Einsilber und 90% Zahlen bei 65db à im Vergleich dazu vorher mit zwei Hörgeräten: 35% Einsilber bei 80db und 35% Zahlen bei 65 db).
Nach einigen Tagen hörte sich für mich das Meiste schon "normal" an, die ungewohnten Eindrücke hatte ich großteils verarbeitet. Jedes neue Geräusch jedoch hat erst einmal geklingelt oder gepiepst und ich musste lernen, es zuzuordnen. Das Hörgerät auf der rechten Seite habe ich von Anfang an konsequent weggelassen, um mich nur auf das CI konzentrieren zu können. Insgesamt ging bei mir die Umstellung sehr schnell und problemlos. Ich habe da sicher großes Glück gehabt, eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ich - besonders auf Grund meiner Hörbiografie - eher Wochen oder Monate brauchen würde, um überhaupt etwas mit dem CI zu verstehen.
Beim Dreimonatstest in der Uniklinik hat sich mein Hörvermögen mit CI nochmals verbessert: 100% Zahlen und 65% Einsilber bei 65 db.
Mir selbst sind die Fortschritte mit dem CI gar nicht richtig bewusst gewesen. Ich bin immer vom Umfeld (meiner Familie, Freunden) darauf hingewiesen worden, dass ich schon viel besser verstehen würde wie mit Hörgeräten und nicht mehr so oft nachfragen würde. Auch würde ich jetzt viel entspannter zuhören. Zum Teil kann ich schon kleine Hörgeschichten, sofern sie langsam und deutlich gesprochen werden, ohne Textvorlage verstehen, auch Bruchstücke aus dem deutschen Fernsehen kann ich mit CI bereits verstehen, allerdings nur in Verbindung mit der FM-Anlage.
Insgesamt denke ich, dass sich die OP gelohnt hat und ich habe die OP bisher auch nicht bereut. Es gab jedoch trotz allem einige kleinere Schwierigkeiten, die mich gestört haben, z. B. hat mir mein alter Reithelm wegen der Spule nicht mehr gepasst und ich hatte große Probleme einen neuen Helm zu finden, der einigermaßen passt und bei dem die Spule beim Aufsetzen und während dem Tragen nicht verrutscht.
Des Weiteren hatte ich noch Probleme mit meiner FM-Anlage. Ich benutzte bisher von Phonak die MLx-Empfänger, die man einfach an das CI anstecken kann. Mit Hörgeräten funktioniert das problemlos, mit dem CI jedoch nicht mehr. Bemerkbar ist dies durch sehr starkes Rauschen und Aussetzer. Nachdem ich viele verschiedene FM-Konstellationen / -Sender / -Empfänger ausgetestet hatte, fand ich heraus, dass Empfänger mit Induktion am Besten geeignet sind.
In Gruppensituationen, insbesondere im Restaurant oder in Bars/Cafés merke ich kaum Verbesserungen gegenüber vorher mit beiden Hörgeräten. Mir wurde zwar gesagt, dass ich besser verstehen würde, ich selbst habe jedoch nicht diesen Eindruck. Dazu ist der Störschall viel zu laut, Lippenlesen ist zum Verstehen immer noch vorrangig.
Ende April 2008 - fast 5 Monate nach der Erstanpassung - hatte ich eine stationäre Reha für die Dauer von sechs Wochen (inkl. Verlängerung) in Bad Nauheim. Der Antrag wurde problemlos von der DRV genehmigt. Ich hatte ein sehr vielseitiges Programm. Im Vordergrund stand natürlich das Hörtraining, sowohl einzeln als auch in der Gruppe. Im Hörtraining wurde die Unterscheidung von Alltagsgeräuschen, Musikinstrumenten und Musikstücken trainiert sowie das Sprachverstehen von Silben, Wörtern, Sätzen, Texten (z. T. mit Störlärm), Telefontraining, Verstehen mit Tonträgern usw. Auch wurde uns in der Kommunikations-/Hörgruppe gezeigt, wie wir am Besten mit unserer Hörschädigung umgehen können und andere Leute darauf aufmerksam machen bzw. ihnen unsere Behinderung erklären können. Jede Woche wurde der Sprachprozessor - wenn nötig - neu angepasst. Es wurde neben dem Hörprogramm viel Sport angeboten, zum Beispiel Krankengymnastik, Ergotherapie oder Nordic Walking. Auf unseren Zimmern hatten wir die Möglichkeit, an einem PC mit speziellen Computerprogrammen selbstständig unser Sprachverstehen zu trainieren.
Die Reha hat bei mir noch einmal eine deutliche Verbesserung des Sprachverstehens bewirkt. Bei Zahlen (65 dB) erreichte ich 100%, bei Einsilbern (65 dB) 90%; Sätze beim HSM-Satztest verstand ich zu 85% und Sätze im Störschall zu 40%.
Bei einem solchen Hörverlust ist es empfehlenswert, sich ein CI implantieren zu lassen. Man sollte sich in Ruhe darüber informieren und sich damit auseinander setzen, so dass man auch wirklich zu diesem Schritt bereit ist. Dieser Wille ist meiner Meinung nach ein entscheidender Punkt für den Hörerfolg mit dem CI.