Mein Name ist Christa Dresel, Jahrgang 1955, komme aus Hamburg, habe 3 Kinder und 6 Enkelkinder. Ah ja, nicht zu vergessen. Ich bin verheiratet mit einem tollen Mann, ohne den ich die Zeit der Taubheit nicht geschafft hätte.
Aus mir unbekannten Gründen bin ich schon immer rechtsseitig taub gewesen. Bis 1990 habe ich normal mit dem linken Ohr hören können. Ich muß einen Hörsturz gehabt haben, so teilte mir damals mein HNO mit, denn ich merkte, daß mein Gehör nachließ. So wurde ich mit meinem ersten Analog-Hörgerät mit BI-Cross Verbindung versorgt. Dann 1997 erneut ein Hörsturz. Mit Infusionen in der Klinik haben sie das Gehör wieder in den Griff bekommen. Im Jahr 2000 erhielt ich ein digitales Hörgerät, wiederum mit Cross-Versorgung, da ich mit dem analogen Hörgerät nicht mehr klar kam.
Anfang Dezember 2003: Ich hatte eine Mega-Erkältung und einen mächtigen Ärger mit meinem Arbeitgeber, der mich 2 Jahre lang gemobbt hatte, und zu diesem Zeitpunkt wurden die Mobbing-Attacken sehr heftig. In dieser Zeit konnte ich manchmal stundenlang nichts hören. Es kam auch vor, daß ich einen ganzen Tag nichts hörte. Ich ging natürlich gleich zu einem HNO. Dieser sagte mir, daß es an der Erkältung liegt. Es folgten noch zwei weitere Besuche bei diesem Arzt, weil die Abstände des mal Hörens und Nichthörens kürzer wurden. Nasenspray und Rotlicht solle ich nehmen, sagte er. Tat ich auch. An Heiligabend 2003 war nicht nur die Erkältung verschwunden, sondern auch mein Gehör. Selbst mit meinem Hörgerät konnte ich, obwohl vor dem Lautsprecher stehend, nichts hören.
Ich hatte gehofft, wie die Male zuvor, daß mein Gehör wieder in Gang kommt und bin auch deshalb und auch weil Weihnachten war, nicht gleich in die Klinik gefahren. Doch ich sollte mich täuschen. Ich habe seitdem nie wieder mit meinem Ohr hören können.
Gleich nach Weihnachten bin ich zu meinem HNO gefahren, wo ich die Jahre zuvor in Behandlung war. Dieser hat nach einem Hörtest die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, und mich sofort in die Klinik eingewiesen. In der Klinik gab's Infusionen und Tabletten. Auch wurde das Ohr unter örtlicher Betäubung aufgemacht. Leider konnte auch dabei nicht der Grund der Ertaubung gefunden werden. Nach 13 Tagen wurde ich nicht geheilt und mit Überweisung und Termin für ein Beratungsgespräch an die Uni-Klinik Hamburg entlassen.
Aus der Überweisung entnahm ich das Wort Cochlear-Implant. Im Internet holte ich mir die nötigen Informationen und bin dabei auf die Seite vom Schwerhörigen-Netz und HCIG-Forum gestossen. Für die vielen Informationen und Tips , sowie Hilfe, die ich im Laufe der Zeit erhielt, bin ich noch immer sehr dankbar.
So ein Implantat ist bestimmt nichts für mich . Ich werde nie wieder hören können. So sagte ich es immer wieder. Ich war einfach nur noch fertig. War ein seelisches Wrack. Ich ging nicht mehr aus der Tür. Mir fiel es sehr schwer mit unserem Hund Gassi zu gehen. Den Nachbarn bin ich aus dem Weg gegangen. Traf ich doch mal jemanden, habe ich gebetet, nicht angesprochen zu werden.
Ich habe während dieser Zeit sehr sehr viel geweint. Doch mein Mann hat mich immer wieder aufgebaut, mir gesagt, daß, wenn es so sein sollte und ich nie wieder hören könne, wir das auch noch schaffen werden. Während dieser Zeit hat mein Mann mich überall mit hinbegleitet, da er für mich hören wolle. So auch zu dem Beratungsgespräch in der Uni-Klnik.
Wir waren überwältigt , nachdem uns die Logopädin, Frau Krebs, nach 2 Stunden, in angenehmer Atmosphäre und mit sehr viel Mühe, damit auch ich etwas verstehe, das CI erklärte. Ich sollte mir Zeit für die Entscheidung nehmen. Doch mir war sofort klar, daß ich ein CI haben wolle, wenn es denn für mich in Frage kommt. Bei den Voruntersuchungen stellte sich ein Vestibularausfall rechts heraus. Und nach dem beidseitig positiven Promotoriumstest, teilte mir der Professor mit, daß wegen des Gleichgewichtsausfalls nur die Implantation auf der rechten Seite möglich ist, weil man nicht das Risiko eines Gleichgewichtsausfalls auch noch auf der linken Seite eingehen muss.
Nun war ich erst einmal geschockt. Das rechte Ohr hat noch NIE gehört. Wie soll ich damit umgehen, daß ich umdenken/hören muss? Viele Fragen von mir in's HCIG-Forum brachten die Erkenntnis, daß ich wohl nie wieder ein freies Sprachverständnis haben werde. Doch das war mir egal. Hauptsache für mich war, daß ich wieder hören könne, egal wie! Je näher die OP rückte, die für den 30. August 2004 geplant war, desto nervöser wurde ich.
Es waren nur noch 5 Wochen bis zur OP, als ich von einem Forums-Mitglied eine E-Mail erhielt. Diese Mail hat alles verändert. Und ich bin so unendlich dankbar dafür. Das ich auch mit einem beidseitigen Vestibularausfall ein normales Leben führen kann, stand in der Mail geschrieben, und auch eine vernichtende Aussage gegen die Implantation auf der rechten Seite. Das hatte mich total umgehauen. Sofort habe ich ein Fax an die Klinik gesendet, das ich auf eine Implantation auf der linken Seite bestehe und ich das Risiko eines Gleichgewichtsausfalles auf mich nehme. Da der Professor sich gerade in Urlaub befand, mußte ich eine ganze Woche bangen, ob er denn auch zustimmt. Und er hat zugestimmt. Nun war nur noch Freude und ich sehnte den 30. August herbei.
Die OP dauerte 2 1/2 Stunden. Sichtlich stolz teilte mir der Professor mit, daß es eine Bilderbuch-OP gewesen sei. Und mir ging es nach der OP richtig gut. Nur für ein paar Tage ein blaues Veilchen, sowie starken Tinnitus die ersten 2 Tage. Aber viel wichtiger war die Tatsache , daß mir mein Gleichgewicht erhalten blieb. Am 6. September wurde ich entlassen.
Am nächsten Tag gegen Abend bekam ich fürchterliche Kopfschmerzen sowie noch stärkere Schmerzen auf dem implantiertem Ohr. Oh man. Ich glaubte, sterben zu müssen. Meinen Kopf konnte ich nicht mehr bewegen. Wie ich trotz der Schmerzen einschlafen konnte, war mir ein Rätsel. Am nächsten Morgen wachte ich ohne Schmerzen auf. Doch mein Kopfkissen war besät mit Blut und Eiter. Und auch aus dem Ohr lief alles heraus. Wir sind sofort in die Klinik gefahren. Diagnose: Mittelohrentzündung ! Infusionen mit Antibiotikum brachten auch nach 3 Tagen keine Linderung. Es lief unermüdlich weiter aus dem Ohr. Die diensthabende Ärztin machte mir bei der Visite Angst. Sie meinte, daß der Professor sich das ansehen müsse und entscheiden muss, ob noch einmal operiert werden muss. Durch die Blume gesagt, das CI soll entfernt werden.
Der Professor entschied sich gegen eine OP. Von nun an hat er täglich selbst die Visite bei mir gemacht und auch die Verbände gewechselt. Für einen besseren Abguss hatte ich einen kleinen Schnitt hinter dem Ohr bekommen. Nach neun Tagen, dem 17. September wurde ich geheilt entlassen und auch der Erstanpassungstermin für den 27. September mußte nicht verschoben werden.
Die Erstanpassung:
Die Audiologin, Frau Böhnke, holt aus einem MED-EL Koffer meine Wiedergeburt. Entschieden hatte ich mich für das PULSARci100. Da noch nicht verfügbar, erhalte ich in schickem Blau den Tempo+. Nachdem die Töne eingestellt wurden, kam nun endlich der Augenblick und der Sprachprozessor wurde eingeschaltet. Frau Böhnke spricht mit mir. Verstanden habe ich nichts. Ihr Sprechen vernahm ich als Signaltöne. Nun teilt sie mir mit, daß sie zu zählen anfängt, und wenn ich verstanden habe, so sollte ich es sagen. Zweimal hintereinander von 1-10 vernahm ich nur Alarmtöne. So wurde mein Mann gebeten weiterzuzählen. Aber wieder nur Alarmtöne. Nun wurde ich gebeten weiterzuzählen. WOW!!! Nach 9 Monaten Taubheit habe ich meine eigene Stimme gehört . Aber die war es nicht. Dies war eine Roboterstimme. Auch Frau Böhnke sowie mein Mann hatten Roboterstimmen. Einzelne Wörter konnte ich hören, aber es war ziemlich abgehackt. Sofort fiel mir der Film „ Nr. 5 lebt“ ein. So wie Nr. 5 sprach, habe ich nun gehört. Bei dem anschliessenden Test mit krachmachendem Spielzeug und ein paar Einsilbern war es für mich doch sehr anstrengend, jedoch hab ich recht viel verstanden. Papierrascheln, klackende Schuhe, Geschirr klappern, auf Holz klopfen konnte ich sehr gut definieren. Ob nun eine männliche oder weibliche Roboterstimme mit mir sprach, konnte ich nicht auseinanderhalten. Alle Stimmen klangen gleich. Sehr lustig war an dem Tag, daß wenn jemand lachte, sich sehr komisch anhörte, woraufhin ich auch lachen mußte und meine Lache wiederum witzig klang. Der ganze Tag der Erstanpassung war sehr lustig. Ab dem nächsten Tag sollte das ambulante Hörtraining beginnen. Sollte .... Es kam alles ganz anders !
Am nächsten Morgen bin ich sehr früh aufgestanden, um mir das CI anzulegen und noch einen Gesprächspartner anzutreffen, ehe alle zur Arbeit waren. Mit meinem Sohn konnte ich mich einigermaßen gut unterhalten und ihn auch verstehen, obgleich seine abgehackte Roboterstimme zu mir sprach. Ich bemerke, wie es hinter meinem Ohr nass wird und bekomme Panik. Nun läuft aus dem eigentlich schon abgeheilten Schnitt Eiter heraus. Auch das Anfassen am Ohr bereitet mir Schmerzen. In der Klinik wurde der Oberarzt informiert, der dann eine Entzündung feststellte und mir mitteilte, daß ich das CI erst einmal auf keinen Fall anlegen darf. Wieder muß ich Antibiotikum zu mir nehmen und wieder bin ich taub. Statt zum täglichen Hörtraining mußte ich nun zum täglichen Spülen der Wunde in die Klinik. Das spülen erzeugte irrsinnige Schmerzen, die von Tag zu Tag schlimmer wurden. Eine Woche lang ging es so, jedoch ohne Besserung, im Gegenteil. Die Entzündung zog sich immer weiter.
Am 3. Oktober entschied sich der Professor für eine OP am nächsten Tag, um die Wunde zu säubern. Mir wurde erklärt, daß es möglich sein könnte, daß mir das CI wieder entfernt werden muß, sollte sich die Entzündung im Bereich des CI befinden. Mir ging's hundeelend. Zum einen die irrsinnigen Schmerzen, durch die ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Zum anderen die Ungewißheit. Ich wußte nur, daß ich ohne CI nicht mehr leben wolle.
Aus der Narkose erwacht, frage ich sofort die nächstbeste Pflegerin. Sie konnte mir keine Auskunft geben, ob das CI noch in meinem Kopf ist. Wieder auf meinem Krankenzimmer kommt ein Arzt mit der Brille, die feststellt, ob einem schwindelig ist. Sofort frage ich auch ihn. Doch ... er wußte es auch nicht, wollte sich aber schlau machen. Ich bin fast abgedreht, weil der Arzt nicht wiederkam, und sich auch sonst niemand bei mir blicken liess. Am Abend bekam ich dann die Nachricht von meinem Mann, daß die Entzündung nicht im Bereich des CI war, und somit das CI noch in meinem Kopf steckt. Nun wird alles gut, sagte ich mir und der 10-tägige Krankenhausaufenthalt war nun nicht mehr so schlimm.
Freitag, den 15.10. bin ich dann entlassen worden. Am Wochenende dürfe ich das CI ruhig für ein paar Stunden anlegen. Und am Montag den 18.10 . kann das Hörtraining beginnen. Wieder zu Hause lege ich sofort das CI an. Keine Roboterstimmen mehr, aber was ich höre ist sehr leise, so das ich kaum verstehen kann.
Montag, der 18.10.2004: Bevor das Hörtraining beginnt, erhalte ich von Frau Böhnke ein längeres Kabel, damit ich das CI zur Abheilung des Ohres auf der anderen Seite tragen kann und eine neue Einstellung. Der Sprachprozessor wird eingeschaltet und Frau Böhnke fragt „Hallo Frau Dresel, können sie mich hören?“. JAAA, klar und deutlich habe ich sie verstanden. Ich kann hier nicht in Worte fassen, was ich empfunden hatte. Es war unbeschreiblich, einfach phänomenal.
Vom anschliessendem Hörtraining war die Logopädin total begeistert . Und nicht nur sie. Die nächsten 2 Wochen hatte ich tägliches Hörtraining, was mir viel Spaß gemacht hatte und es gab auch einige AHA-Effekte. Auch bekam ich alle paar Tage neue Einstellungen. Da ich nur 10 Monate taub war, machten meine Hörerfolge Riesenschritte. Auch jetzt noch, nach 3 Monaten mit CI, gibt es immer wieder Geräusche, die ich zuordnen kann. Bis vor ein paar Tagen konnte ich das Martinshorn nicht diffinieren. Jetzt kann ich es an der Melodie erkennen.
Schnell habe ich mit Musik hören angefangen. Am Anfang klang es schrecklich. Die mir bekannten Lieder wurden nicht gesungen, sondern gesprochen. Täglich hatte ich den CD-Player für eine Stunde an mein CI gestöpselt und mir mit immer den gleichen Liedern ein klangvolles Hören antrainiert. Musik klingt wieder fantastisch. Auch mit Telefonieren habe ich sehr schnell angefangen. Mit fremden Leuten zu telefonieren klappt ganz gut, wenn ich darauf hinweise, daß bitte langsam und ordentlich gesprochen werden soll.
Meine kleinen Mäuse sind glücklich, daß sie der Oma nun wieder was erzählen können. Der Nachholbedarf der Kleinen ist mitunter anstrengend, aber auch schön. Fernsehen klappt dank Induktionsschleife hervorragend. Vor allen Dingen ist es sehr praktisch. Einfach das Tele-Mic ans CI stöpseln. Hinsetzen und lauschen. Ich empfehle jedem, die Induktionsschleife um seinen Platz unter dem Teppich zu legen, und den Verstärker nicht zu weit stellen .
Ich sag es gerne und auch immer wieder! Das CI hat mein Leben total verändert. Ich habe mein Selbstbewusstsein dadurch wieder erlangt. Ich suche die Gespräche. Gehe auf die Menschen zu. Wenn ich heute mit meinem Hund Gassi gehe, was ich sehr gern tue, hoffe ich, daß ich einen Nachbarn zum plaudern treffe.
Hab ich, wenn ich mal wieder mit Entzündungen in der Klinik lag, gesagt, daß wenn ich alles vorher gewußt hätte, ich die Implantation nicht hätte machen lassen. So sage ich heute: Doch, ich würd's trotz der Schwierigkeiten, die ich hatte, immer wieder machen lassen. Ich habe mich für die bilaterale Versorgung entschieden. Nun hoffe ich auf eine positive Entscheidung der Krankenkasse.
Gern und auch mit einem bisschen Stolz setze ich die Werte des Sprachtests vom 6. Januar 2005 ein .
Zahlen | 100% |
Einsilber | 80% |
HSM Sätze | 99% |
HSM Sätze 15 dB S/N | 98% |
HSM Sätze 10 dB S/N | 68% |
Olsa 65 dB S/N |
50% |
An dieser Stelle meine Danksagung an das CI-Team des UKE Hamburg. Professor Leuwer für seinen unermüdlichen Einsatz, auch am Wochenende. Den Logopädinnen, Frau Krebs und Frau Petersen, die mir in manch schwerer Zeit Trost spendeten. Sowie an die Technikerin Frau Böhnke, die mit ihren Einstellungen immer in's Schwarze traf.