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Mein steiniger Weg

Von Gudrun Masloch

Ich bin die Gudrun und wurde am 28.09.1967 in Niedersachsen Helmstedt geboren. Eine sehr schwere und schlimme Kind- und Jugendzeit mit allem Leid usw., was man einem Kind und einer jungen Frau nur antun kann (jeder kann sich denken, was ich damit meine, ich wünsche es meinem schlimmsten Feind nicht) liegt hinter mir. Leider wurde ich dadurch auch mit etwas über drei Jahren gehörlos, weil ich misshandelt und mit dem Schädel mit Wucht gegen den Heizkörper geworfen wurde und darin mit dem Kopf stecken blieb und von der Feuerwehr befreit werden musste. Ein langer, langer Weg mit jahrelangen Krankenhausaufenthalten lag vor mir.

Obwohl ich schulpflichtig war, ging ich nur zeitweise in eine normale Schule, obwohl mich meine Eltern auf eine Gehörlosenschule hätten schicken können. Nach viel Streit mit Ämtern und Gerichten usw. wurde ich 1973 meiner Großmutter übergeben, als ich ca. 6 Jahre alt war.

Was für eine wunderbare Frau, ich vermisse sie sehr. Sie brachte mir das Sprechen, Lesen und vor allem vom Mund absehen bei. Vorher habe ich so gut wie nichts gelernt. Leider war das Haus meiner Großeltern mit auf dem Grundstück meiner Eltern, so dass es immer wieder sehr grausam mit mir zu ging und ich wieder lange, lange ins Krankenhaus musste.

Danach teilte man mir ca. 1980 mit, dass ich nie auf normalem Wege Kinder werde haben können. Nun wurde ich auch langsam zum Teenager und das alles ohne Hören. Meine Oma zeigte mir aber die Musik, sie lernte mich das Hören mit den Augen, Händen, mit Gesichtsausdrücken und vielem mehr.

Nun kam die Zeit, in der ich einen Beruf erlernen sollte, nur wie ohne Schulausbildung?  Ich wollte doch so gerne Kinderärztin werden. Also habe ich mich schlau gemacht, was ich tun muss, um meinen Traum wahr werden zu lassen. Als erstes zur Abendschule, um einen Schulabschluss zu bekommen, aber für was war ich denn geeignet? Es wurde ein Wissenstest gemacht, was man mir zumuten könne, nur das wollte ich nicht, denn ich hatte nur ein Ziel vor Augen, ich wollte Ärztin werden.

Also meldete ich mich (mit meiner Oma als Unterstützung) in der Abendschule an, um - haltet euch fest - mein Abi zu machen! Vier lange JAHRE  Abendschule und das ohne Hören auf einer ganz normalen Schule.

Ja aber das machte ich ja nur abends und irgendwie wollte ich ja auch ein bissel was vom Leben haben, also brauchte ich auch Geld, nur woher nehmen ohne zu stehlen? Ich bewarb mich um Aushilfsjobs, Praktika, etc. und bekam sofort einen wunderbaren Platz bei der AWO, allerdingst im Altenheim. Ich fühlte mich dort glücklich und lernte dort auch meinen Freund kennen.

 

Ich habe die Bücher verschlungen, die Hilfe meiner Oma und meines Freundes genutzt und mein Abi mit Note 1,9 bestanden. Somit stand meinem Traum nichts mehr im Wege und ich bekam einen Studienplatz,  nur leider starb dann meine Oma und ich konnte aus finanziellen Gründen meinen Studienplatz nicht antreten, sondern musste mich mit einer normalen Ausbildung zufrieden geben.

Wieder bewarb ich mich und nach x Vorstellungsgesprächen sagte man mir als Gehörlose: „Wir testen es mal, wie sie es schaffen“. Ich bekam einen tollen Chef im Wolfsburger Stadtkrankenhaus. Ich machte meine Ausbildung zur Krankenschwester, spezialisierte mich für Säuglinge und machte weiter bis zur Intensivschwester für Frühchen mit erfolgreichem Abschluss. Somit habe ich mein Ziel mit sehr, sehr hartem Kampf und ohne aufzugeben bis dahin erreicht.

1988 haben wir das das erste Mal in einer Ärztezeitschrift gelesen, dass es Prof. Dr. Dr. Lehnhardt mit Team gelungen, ist Gehörlose mit einem Cochlea Implantat (CI) zum Hören zu verhelfen. Nachdem wir dann auch in den Medien davon mitbekommen haben, dass ca. 80 Leute erfolgreich operiert wurden und die Ersten auch sagten, wie toll es sei wieder zu hören, sprach ich mit meinem Chef, was er davon halte.

Er meinte, ich sei so eine Kämpferin, geh und lass dich testen. Also wurden Termine gemacht, gleichzeitig verlobte ich mich mit meinem Freund, damit mir keiner was konnte. Nach erfolgreicher Untersuchung und vielem mehr (ihr kennt es ja) bekam ich im Mai 1989 einen Termin und das Aufgebot für die Hochzeit musste abgesagt werden, denn nun wollte ich auf meiner Hochzeit, die dann am 1.12.1989 war, etwas hören. Soweit meine Vorgeschichte.

Die Operation

Alles verlief super und ich bekam auf der rechten Seite ein CI. Damals musste man ja noch 14 Tage im Krankenhaus bleiben und auch war die Narbe grösser, viele Haare mussten ab und die OP selber dauerte viel, viel länger.

Na ja, ich war die 158. Patientin und das mit super Erfolg. Nachdem alles verheilt war, kam die Anpassung: Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll! Wir haben geweint, gelacht, gezittert. Eine Achterbahn der Gefühle lief durch meinen Körper. Ich hörte was, aber was?

Nun begann ich alle Geräusche zu sortieren, auszuprobieren und so vieles mehr. Leider - warum auch immer - lehnte meine Krankenkasse eine Reha und alles weitere ab, aber auch das hat mich nicht verzweifeln lassen, sondern ich lernte mit meinem damaligen Mann und vielen Freunden. Wir machten Buchstaben-Kreuzworträtsel, haben immer das Radio an gehabt, ich habe mir immer laut vorgelesen und auch auf der Arbeit haben mir alle geholfen.

Die Natur, die Autos, ich kann gar nicht alles aufzählen, ich empfand es als sehr, sehr schön und habe die Welt mit nochmals anderen Augen gesehen. Ich mochte Musik und lernte immer, immer mehr.

Dann kam das Jahr 1993, der 23.11.. Ich bekam sehr starke Bauchschmerzen und da ich bei der Arbeit war, vertraute ich mich meinem Chef an, der Frauenarzt war. Da ich fast am zusammen brechen war, wurde ich sofort untersucht und musste sofort ins Bett. Beine hoch,  denn ich war in der ca. 29. Woche schwanger, obwohl ich ja eigentlich keine Kinder hätte bekommen können (Misshandlung, doppelter Beckenbruch).

Leider war es nicht zu halten und es musste zwei Tage später mit Notkaiserschnitt geholt werden (Gewicht: 930 Gramm). Eine wunderschöne Tochter! Was war unsere Freude groß und dank Muttis Wissen und Können wurde aus ihr inzwischen eine gesunde junge Frau.

Es gibt nichts Schöneres als sein Kind hörend aufwachsen zu sehen. Doch dann schlug das Schicksal so grausam zu, dass ich dachte, ich kann und will nichts mehr hören. Am 14.05.1997 verstarb mein geliebter Mann und noch sieben weitere liebe Menschen innerhalb von drei Wochen. Ich sah mich nur auf Beerdigungen und konnte nicht wirklich trauern, denn mein Kind (3 Jahre alt) brauchte mich, ich musste arbeiten, was ich dank meines tollen Chefs dann als Nachtwache machen konnte, da mein Kind dann bei meiner Schwester sein konnte.

Mit dem CI ging es mal auf und mal ab. Ich hatte das Gefühl, mal hörte ich was, mal nicht, was mir zeigte, dass meine Nerven machten, was sie wollen. Ich musste zur Ruhe kommen, nur wie? Wie werde ich wieder richtig hören? Es brach ehrlich alles in mir zusammen, so dass man mir als Rat gab, ich solle mit dem CI einige Monate pausieren, was ich auch tat. Die Stille war unerträglich zu Beginn, tat mir aber letztlich gut und danach musste ich mein CI neu einstellen lassen, denn nichts war mehr so wie es mal war.

Ich fing wieder an mich mit allem anzufreunden, auch wenn es für mich ja nicht mehr neu war, lernte ich wie mein Kind zu verstehen und verliebte mich noch mal. Fast fünf tolle Jahre waren es, nach denen erneut ein ganz grausames Schicksal zuschlug, aber auch Freude sollte wieder sein oder wie immer man es nennen sollte.

Drei Monate nach dem Tod meines Freundes (er wusste selber nicht, dass ich wieder schwanger war) kam ein weiteres Mädchen 30 min vor Nikolaus 2005 mit Notkaiserschnitt auf die Welt, es war nur 1090 Gramm schwer. Da ich fast verblutet wäre und man in der Wirbelsäule einen riesigen Tumor feststellte, war das Leben ab da - wie ich dachte - für mich gelaufen.

Da war ich nun als junge Frau mit zwei Kindern 13 Jahre alt und einem Säugling, beide Kinder ohne Väter, die Mutter schwerst an Krebs erkrankt und ja auch gehörlos. Was nun ??????

Es begann eine grausame Zeit, mit Chemo Bestrahlungen und so vielem mehr, ich gab, wann immer ich konnte, all meine Liebe den Kindern und sie mir, doch dann: Ich hatte das Gefühl, ich bekomme Stromschläge im Kopf.

Ich dachte ehrlich. ich werde irre vor Schmerzen. Es wollte mir erst keiner glauben, bis man sich, weil ich auch noch meine Heimat verlassen musste, in Mainz (Rheinland Pfalz) das CI auf der rechten Seite genauer ansah. Es wurde im Jahre 2008 entfernt und dabei wurde festgestellt, dass sich das alte CI von 1989 durch die Chemo und Bestrahlung zersetzt hatte, weil damals der Magnet und die Elektroden, welche in die Schnecke eingeführt werden, noch nicht mit medizinischem Silikon umhüllt waren, wie das ca. ab dem Jahr 2000 der Fall war.

Da nun erwiesen war, warum das CI defekt ist, wurde mir im Oktober 2008 auf der rechten Seite ein neues eingesetzt und, um ein noch besseres Hören zu ermöglichen, nach vier weiteren Wochen auch die linke Seite implantiert.

Nachdem auch da alles abgeheilt war, bekam ich dann auch die Anpassung der beiden Nucleus Sprachprozessoren und es war nochmals ein ganz, ganz tolles Erlebnis. Das beidseitige Hören ist so was tolles, das ich heute stolz bin, nicht aufgegeben zu haben.

Noch immer plagt mich der Krebs, welcher meine Wirbelsäule so gebrochen hat, dass ich querschnittsgelähmt bin. Auch hat es meine Hände und Unterarme, wie ihr auf dem  Bild seht, betroffen, so dass ich sehr, sehr viel mit einem Schreibstift im Mund tippen muss.

Ich möchte ehrlich kein Mitleid erwecken, doch möchte ich damit allen zeigen: Gib niemals auf, kämpfe und schau in die Augen der Kinder! Und ja, ich bin eine schwerst behinderte, sterbenskranke Frau mit einer noch 13jährigen Tochter, die in Armut lebt, aber für ihr Kind wie eine Löwin kämpft und die selber für sich noch nie viel hatte.

Die, die ewige Liebe nie kennen gelernt hat und noch immer an ein Wunder glaubt. Ich bin die, die anderen Mut macht und mit ihnen gerne redet und ihnen Hoffnung gibt. Ich bin die, die ihr Ziel für ihr Kind noch erreichen will, auch wenn man selber nix hat, aber stolz ist etwas zu hören.

Ich bin offen für alle Fragen und vielleicht dürfen wir auch noch mal ein bisschen glücklich sein.

Es dankt euch Gudrun Masloch
Gräfenbachstraße 56
55595 Dalberg