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Meine Ohr-Hör-Reise

Von Melanie

Ich bin Melanie, 43 Jahre jung. Als ich 13-14 Jahre alt war, also so richtig im Teenageralter, sagte eines Tages meine beste Freundin zu mir: „Melli, du hörst nicht richtig“.

What? Mmmm, ist mir noch nicht bewusst aufgefallen. Was sagt sie da? Naja, ich hatte schon mal ein Piepsen im Ohr oder Rauschen und vielleicht habe ich auch das ein oder andere mal die Lippen abgelesen. Falsche Wörter in der Schule schreiben, naja das war auch ziemlich oft. Zu Mama brauchte ich nicht gehen und Papa war immer auf Achse. Ich würde sagen, im Rückblick habe ich mich echt ganz schön durchgeschummelt in der Schule.

Ich verbrachte meine Freizeit mit meiner besten Freundin inclusive Discobesuchen und chillen, wie man es heute ja nennt.

Im Laufe der Jahre verschlechterte sich mein Gehör, ich merkte, das Rauschen ist jetzt dauerhaft eingezogen auf beiden Ohren, hin und wieder das Piepsen. Immer mehr Schwierigkeiten beim Verstehen, Kommunizieren und immer wieder kam der kurze Gedanke: „Da stimmt was nicht“. Meine Ausbildung absolvierte ICH AUCH MIT ACH UND KRACH.

Kurz vor meinem 18. Lebensjahr wagte ich den Schritt zum HNO-Arzt und teilte ihm meine Symptome mit. „Gut“, sagte er, „dann ab zum Hörtest“. Ganz klar sagte er danach zu mir: „Du hast ein Hörproblem und das ist mächtig, gewaltig“. Okay, dachte ich, kann man ja reparieren, oder?

Seine Worte liegen mir noch heute in den Ohren, Hörgeräte bekommen Sie! What? Hörgeräte, hast Du mal auf n Tacho geguckt, ich bin 18 und nicht 80. Von der Partymaus zur Oma!!! Einmal bitte Applaus.

Der Hörakustiker war unten gleich im Erdgeschoss, die Schwester ging direkt mit mir nach unten mit den Versorgungspapieren. Abdruck machen, Hörgerät aussuchen und fertig.

In ca. drei Wochen können sie die abholen. So war es auch. ABGEHOLT, reingemacht, rausgemacht und dann in die Schublade gelegt, brauch ich ja nicht und da werden sie nicht schmutzig und liegen trocken. Das ging so eine Weile so, bis ich merkte, ich brauch sie doch.

Ich gewöhnte mich dann doch recht schnell und akzeptierte sie dann, wie meine Haare eben zum Kopf gehören.

Eine Diagnose gab es ja noch nicht gleich, erst ein paar Jahre später beim Einholen einer zweiten Meinung in Hannover. Da sagte man mir, dass ich eine hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit mit hochgradigem beidseitigem Tinnitus habe.

Okay, man sagte mir auch, dass ich EINES TAGES nichts mehr hören könne und dann eventuell ein Cochlea Implantat in Frage käme. Ich habe von dort eine neue Versorgung für Hörgeräte erhalten und den Antrag für einen Schwerbehindertenausweis.

Ich isolierte mich zunehmend, ich ging kaum unter Leute, ich ging nicht mehr raus aus meiner Komfortzone. Größere Gruppen von Menschen mied ich, ich konnte nicht mehr folgen, was man dort erzählte. Wenn zehn Menschen lachen und man selbst nicht weiß warum, dann wurde es ungemütlich für mich. Lachen die über mich? Nachfragen kassierte man mit Augen verdrehen. So einfach war das. Also ließ ich es.

2010 wollte ich beim Hörakustiker meine neue Versorgung klar machen, probiert, probiert, probiert und da sagte er schon, es wäre nicht möglich, mich zu versorgen. An einen Arbeitstag mitten in der Woche ging es mir nicht gut, ich merkte mir wurde schwindelig, ich hörte fast gar nichts mehr und ich bekam Angst.

Wir fuhren zum HNO-Arzt und sie hatten dort schon sehr Mühe mit mir zu sprechen und man überwies mich nach Hannover.

Mein Mann rief in Hannover an und wollte einen Termin buchen, die Stimme am Telefon sagte, das ginge erst in drei Monaten. Das kann nicht sein, wir brauchen schnell Hilfe. Einen Versuch in Magdeburg gestartet und man gab uns für zwei Tage später einen Termin.

In Magdeburg angekommen, herzlichst begrüßt, wir führten Gespräche, es liefen einige Tests und man sagte zu mir, ich hätte auf dem linken Ohr weniger als 10% Hörvermögen. Es käme nur noch ein Cochlea Implantat in Frage, dafür müsste man aber eine genaue Diagnostik durchführen, okay, na klar.

14 Tage später war ich für drei Tage eingeplant für die Diagnostik, es verlief alles nach Plan und sie gaben mir auch den Termin für die Operation gleich mit. Das Cochlea Implantat hatte ich mir schon gewählt. Also war alles klar.

Die OP verlief nach Plan, sowie komplikationslos. Ein paar Tage im Krankenhaus und dann ging es für vier Wochen nach Hause, mit einem tollen Kopfverband.

Nach vier Wochen war endlich die Anpassung. Was habe ich mich gefreut auf diesen Tag! Ich kann wieder hören. Den Tag werde ich niemals vergessen! Ich saß da und hatte mein Gerät anschalten lassen. Schon bei der Einstellung merkte ich, dass ich noch gar nichts hören kann, gar nichts. Die Tränen liefen über mein Gesicht.

Die Anpassung war fertig und ich wurde wieder zurück auf Zimmer geschickt mit meinem neuen Prozessor, einem Koffer und einer Menge Broschüren.

Ich war so unendlich traurig, dass ich nicht sofort hören konnte, es war wie eine routinierte Maschine in meinen Kopf. Mit der rechten Seite hörte ich über Hörgerät. Es war so undeutlich und verschwommen. Das änderte sich natürlich rasch, weil ich eben eine Ehrgeizige bin.

Ich hörte Hörbücher, mein Mann trainierte mit mir überall, beim Einkaufen, beim Haushalt, beim Kochen deckte er seinen Mund ab und ich sollte nur hören. Das klappte sehr gut und ich hörte immer mehr, so dass ich auch viel mehr Vertrauen in all dem hatte.

2011 war dann die rechte Seite dran, das gleiche Procedere nur mit etwas mehr Aufregung, da mir es nach der Op nicht so gut ging, starker Schwindel und Erbrechen und ein Aufenthalt auf der Intensivstation, waren nicht unbedingt der Plan, aber notwendig.

Auch das zweite Mal haben wir geschafft, alles neu zu lernen, meine Reha habe ich in Halberstadt absolviert bei ganz lieben und netten Menschen. Hören ist meine Leidenschaft geworden.

2012, mitten in der Lernphase, fing ich meine Ausbildung zur Pflegefachkraft an. Zwischen medizinischer Ausbildung und meiner Hörausbildung kämpfte ich mit vielen Herausforderungen, sei es menschlich, äußerlich oder gesellschaftlich.

Ich ging oft über meine Grenzen. Aber es hat sich tatsächlich gelohnt auf allen Ebenen. Ich bin Mama von zwei Kindern und bin unendlich dankbar, täglich meine Kinder hören zu dürfen. Dass ich meinen Traumjob gefunden habe, dass ich ins Kino gehen kann, dass ich Musik hören und genießen kann. Dafür bin ich aus tiefstem Herzen dankbar, dieses Wunderwerk täglich zu erleben. Hören ist essenziell und sollte immer Thema sein, ob nun gesund hörend oder mit einer Versorgung.

Mein Fazit: Ich würde es immer wieder machen lassen. Weil meine Lebensqualität sich stark verbessert hat und nur das zählt.

März 2023
Melanie