Skip to main content

Meine persönliche CI-Geschichte

Von Petra R.

Mein Name ist Petra und ich bin 63 Jahre alt. Davon war ich 53 Jahre flotthörend und empfand das als völlig normal - wie sehen, schmecken, fühlen, laufen….

Kurzgefasst: ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass es anders sein könnte. Bis ich eines morgens aufwachte und mit dem linken Ohr nichts mehr hörte. Das war die Auswirkung von Hörsturz Nr. 1. Es sollten noch mehrere folgen.

Ich möchte jetzt nicht den ganzen Marathon von Hörstürzen, Arztterminen, Behandlungen und Dauersitzungen beim Hörgeräteakustiker beschreiben, sondern mehr darauf fokussieren, was das alles mit mir gemacht hat.

Bis auf wenige familiär bedingte Unterbrechungen war ich immer berufstätig. Den größten Teil dieser Zeit war ich als Büromanagerin, Projekt- und/oder Teamassistentin tätig - alles Stellen, an denen Menschen zusammenkommen und Informationen ausgetauscht werden, also mit hohem Kommunikationsanteil telefonisch und persönlich. Ich fühlte mich damals gern gesehen, gefragt und wertgeschätzt und in meinem Tun bestätigt. Meine Arbeit bereitete mir Freude.

Das änderte sich mit dem Hörverlust drastisch. Ich wurde nur noch selten angesprochen, weil es so umständlich mit mir wurde. Telefonate musste ich den KollegInnen überlassen. Gesprächen zwischen anderen konnte ich nicht mehr folgen. Somit gingen viele Informationen an mir vorbei. Grüppchen standen zusammen, ich gesellte mich nicht dazu.
In Schulungen ergaben die Wortfetzen nichts Sinnvolles mehr für mich. Zusätzlich konnte ich aufgrund der am Anschlag arbeitenden Hörgeräte die Geräuschkulisse nicht mehr ertragen. Irgendwann fühlte ich mich entweder von allem abgeschnitten oder von allem überfordert.

Ich wurde nach und nach schleichend degradiert zur Arbeitsbiene ganz hinten im Büro, der man mit wenigen Worten die Arbeit auf den Tisch legen konnte. Und ich fragte und sagte auch nicht mehr viel, weil ich die Antworten ohnehin oft nicht verstehen konnte und es so mühsam war, immer wieder um Wiederholung des Gesagten zu bitten. Meine Arbeit machte mir keine Freude mehr.

Ich vermied Treffen mit Freunden und suchte nach Ausreden, um nicht an Familienfeiern teilnehmen zu müssen. Ließ es sich nicht vermeiden, war ich nach kurzer Zeit so erschöpft, dass ich zwei Tage brauchte, um mich wieder zu erholen und meine Nerven zu beruhigen.

Da ich nicht mehr telefonieren konnte, musste mein Mann das für mich übernehmen. Er hatte auch zu leiden, weil ich ihn ständig vorschickte. Ich konnte beim Bäcker nichts verstehen, im Restaurant, am Tresen in der Arztpraxis etc. Überall war es zu laut und ich konnte selten von den Lippen lesen.

Ich bat ihn ständig, etwas für mich zu bestellen, zu holen, zu klären, weil ich permanent Angst vor Rückfragen hatte, die ich nicht verstehen würde. Außerdem war ich es irgendwann leid, hochgezogene Augenbrauen und rollende Augen zu sehen.

Mein Mann zog mich von der Straße, weil ich herankommende Autos oder Fahrräder nicht hörte, oder machte mich darauf aufmerksam, dass die Nachbarn gerade freundlich gegrüßt hatten. Ich mochte ohne ihn eigentlich gar nicht mehr vor die Tür. Ich wurde Stück für Stück unselbstständiger und unsicherer und fühlte mich schrecklich einsam.

Meine sehr gute, aufmerksame HNO-Ärztin erkannte wohl, dass ich auf dem Wege war, in eine Depression abzurutschen. Ihre Fragen waren sehr dezent, sehr vorsichtig, wiesen aber schon in die Richtung. Sie sprach mich irgendwann darauf an, dass es noch etwas anderes als Hörgeräte geben würde. Sie habe auf einem Kongress eine Ärztin kennengelernt, die sich mit großem Engagement ganz speziell dem Thema Cochlea Implantate widmen würde.  Ob ich dort nicht einmal einen Termin machen wolle zur Klärung, ob so etwas für mich infrage kommen könnte.

Es hat allerdings ein weiteres Jahr gedauert, bis ich meine Ablehnung auflösen konnte, mich auf dieses Thema einzulassen. Der Druck musste erst richtig groß werden. Ich habe dann sehr viel recherchiert und gelesen, Informationen eingeholt, Erfahrungsberichte verschlungen und mich mehr und mehr mit dem Gedanken an Implantate angefreundet.

Als ich dann wirklich die innere Bereitschaft spürte, war ich in der Lage, einen Termin in einer Klinik zu vereinbaren. Aus heutiger Sicht war es ein weiteres verlorenes Jahr, in dem ich mich nur gequält habe, aber ich war dann wenigstens gut vorbereitet.

Nach meiner Anmeldung für ein erstes Gespräch im HCIZ in Hamburg, bekam ich plötzlich Angst, vielleicht nicht für eine Implantation geeignet zu sein. Wie sollte mein Leben dann weitergehen in einem Umfeld von Hörenden? Ich war ja überall nur dabei, aber nicht mittendrin. Ich hörte ständig konzentriert zu und las von den Lippen, verstand aber wenig. Wenn gelacht wurde, lachte ich mit, ohne zu wissen worüber. Meine Enkelkinder verstand ich überhaupt nicht. Und eigentlich war ich am liebsten nur noch allein und super traurig. Mein Leben war wahnsinnig anstrengend geworden.

Nach den Gesprächen und Untersuchungen in der Klinik kam dann die erlösende Nachricht: ich sei absolut geeignet für eine Implantation und könne auf gute Hörerfolge hoffen. Alle Ergebnisse sprächen dafür. Ich war glücklich und aufgeregt!

Im März 2023 erhielt ich dann mein erstes CI (Cochlear Nucleus 8) im Hanseatischen Cochlea Implantat Zentrum in Hamburg und im Februar 2024 mein zweites. Alles verlief bestens. Ich hatte kaum Nebenwirkungen oder Begleiterscheinungen.

Ich ging sehr entspannt und ohne allzu große Erwartungen an alles heran: an den fremden Klang, der allerdings immer angenehmer wurde, an das Üben und Trainieren, an neue Einstellungen, an die kleinen Fortschritte, die sich aber immer mehr zu einem tollen Hörerfolg aufsummierten.

Es gibt zwar noch Situationen, in denen ich nicht ganz so gut unterwegs bin wie ein Flotthörender. Störgeräusche und mehrere Stimmen gleichzeitig sind immer noch herausfordernd und ich muss manchmal noch nachfragen. Aber was ist es für ein Unterschied zu meiner Zeit ohne Implantate!!!

Ich vergesse oft, dass ich CI‘s trage und wundere mich über manche Blicke, bis mir einfällt, warum geschaut wird. Ich habe keine Kopfschmerzen mehr durch fast unmenschliche Konzentration auf‘s Hören und Verstehen. Ich bin wieder angstfrei allein unterwegs. Ich treffe mich wieder mit lieben Menschen und gehe in Restaurants oder an andere öffentliche Orte.
Ich freue mich auf Familientreffen. Ich genieße mittlerweile mein Rentner-Dasein und bin entspannt, wie schon lange nicht mehr.

Ich liebe meine Blechohren und würde sie nie, nie wieder hergeben wollen! Sie sind ein Geschenk, wofür ich unglaublich dankbar bin! Durch sie bin ich wieder mittendrin im Leben!

Petra R.
August 2024