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Unsere Erfahrungen auf dem Weg zum Cochlea Implantat für unsere Tochter

Von Sarah

Ich möchte heute unsere Erfahrungen teilen und das nicht nur um die Geschichte unserer Tochter zu erzählen, sondern auch um vielen Eltern, die vor einer schweren Entscheidung stehen, Mut zu machen.

Unsere Tochter kam im März 2018 zur Welt. Unser ganzer Stolz und das schönste Mädchen dieser Erde smile.

Ich hatte bis dato eine wundervolle Schwangerschaft und wahrscheinlich die schönste Geburtserfahrung, die man sich wünschen kann. Insgesamt hat die Geburt gerade einmal drei Stunden gedauert, ohne Schmerzmittel und weitere Komplikationen.

Aber: Das Neugeborenenhörscreening war auffällig! Erst mal nichts Ungewöhnliches, wurde uns gesagt. Eine Woche später wurde erneut getestet, immer noch kein positiver Befund.

Nach mehreren Tests und später dann auch einer BERA bzw. auch einer zweiten BERA inkl. MRT und CT stand es fest: Unsere Tochter hat eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit.

Eine Diagnose die für uns unmöglich schien. Niemand in unserer Familie ist davon betroffen. Niemand in unserer Familie hatte jemals Probleme mit dem Gehör. Es war unmöglich, dass ausgerechnet unsere Tochter davon betroffen sein konnte. Wir haben sogar einen genetischen Zusammenhang untersuchen lassen und auch hier gab es keinen Anhaltspunkt auf ihre Gehörlosigkeit.

Schlimme Gedanken kreisten in unseren Köpfen, dass unsere Tochter niemals ein normales Leben führen können würde. Sie würde nie unsere Stimmen hören, kein Vogelzwitschern oder das Meeresrauschen. Sie würde niemals sprechen lernen oder Musik hören und dazu tanzen können. Sie würde immer ausgeschlossen werden und im schlimmsten Fall sogar gehänselt werden. Sich verbal nicht zur Wehr setzen können und anderen Kindern immer in etwas nachstehen müssen.

Nach der Diagnose sind wir in der Pädaudiologie der Uniklinik Frankfurt über weitere Möglichkeiten aufgeklärt worden. Zum ersten Mal erfuhren wir von der Möglichkeit ein CI zu implantieren, beidseitig. Wir haben uns informiert und einige Erfahrungsberichte gelesen.

Auch mit anderen Eltern haben wir Kontakt aufgenommen. Ich muss leider dazu sagen, dass ich sehr viele Eltern bzw. Mütter kennen gelernt habe, welche mir überwiegend ihre negativen Erfahrungen, Anstrengungen und ihr Leid berichteten. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass uns dieser Austausch nicht verunsichert hätte oder in uns nicht weitere Ängste gewachsen wären.

Allerdings haben wir für uns entschieden, dass jeder Weg anders ist und jeder seine eigenen Erfahrungen machen muss.

Doch was blieb uns? Welche bestmögliche Unterstützung konnten wir unserem Mädchen geben? Was hätten wir tun können? Welche Alternative gab es für uns?

Relativ schnell war für uns klar, dass unsere Tochter implantiert werden sollte und das auch schon sehr bald. Über die Risiken waren wir uns zu jeder Zeit im Klaren. Und es ist uns sicher nicht leicht gefallen, unsere Tochter solchen Strapazen auszusetzen. Aber wir wollten etwas tun und uns nicht einfach dem Schicksal hingeben oder auf ein Wunder hoffen.

Wir haben auch Eltern kennengelernt, die lange gezögert haben und auch zugegeben haben, dass sie die Diagnose nicht wahrhaben wollten, die gehofft haben, dass sich das Gehör noch entwickelt. So war es bei uns nicht! Unsere Tochter hat selten reagiert auf Ansprache oder Musik. Eher aus Zufall hatten wir mal das Gefühl, sie hätte etwas gehört. Vielleicht waren es Vibrationen, vielleicht hat sie auch nur zufällig im richtigen Moment geschaut. Aber eine wirklich eindeutige Reaktion haben wir nie erfahren.

Im September 2018, mit gerade mal 6 Monaten, wurde sie implantiert. 5,5 Stunden OP und sehr viele Tränen später war diese kleine Maus im Aufwachraum der Uni Klinik Frankfurt mit einem geschwollenen Auge, einem dicken Verband wieder bei uns. Für uns ist dieser Tag ein zweiter Geburtstag. Alles ist gut verlaufen und unsere Tochter hat sich ganz schnell erholt. Sie hat es weg gesteckt wie eine ganz Große.

Ca. sechs Wochen später: die Erstanpassung. Unsere Erwartungen waren riesig! Laut Youtube Videos und Co. haben wir damit gerechnet, sie würde uns anstrahlen, wenn sie das erste Mal unsere Stimmen hören würde. Wir würden alle weinen vor Freude.

So war es nicht! Bei der Erstanpassung gab es quasi keine Reaktion seitens unserer Tochter. Der Grund wurde uns auch erklärt. Erst einmal wird die Lautstärke so gering eingestellt, um sie step by step an die Welt des Hörens heran zu führen. Man möchte verhindern, dass es eine negative Erfahrung für sie wird und sie sich erschreckt oder es ihr unangenehm ist.

Also dauerte es bestimmt 3-4 Anpassungen, bis wir die ersten Reaktionen bemerkten. Ab dann ging es aber steil bergauf. Insgesamt hatten wir sieben Anpassungen in der Pädaudiologie, bis wir eine für sie angenehme Einstellung gefunden hatten.

Es war eine Zeit des Lernens für unsere Tochter und auch für uns. Bereits vier Wochen nach der letzten Anpassung hörte unsere Tochter auf ihren Namen. Sie verstand das Wort „Nein“ und „Trinken“. Für uns war das das Wunder, auf das wir gewartet hatten.

Seit dem haben wir eine unbeschreibliche Zeit erlebt. Sie hat immer mehr Geräusche wahrgenommen. Und wir haben uns mit der Technik auch so arrangiert, dass es schon ein Selbstläufer geworden ist. Batteriewechsel, Kabeltausch oder Abdeckungen wechseln, ist alles so gut wie automatisiert.

Hier muss ich auch erwähnen, dass wir absolut zufrieden mit der Firma Med-El sind. Der Service ist immer reibungslos. Die Mitarbeiter wissen immer was zutun ist und sind jederzeit hilfsbereit. Auch die Technik funktioniert einwandfrei. Abgesehen von den am Anfang häufigen Kabelbrüchensmile (geschuldet dem an der Kleidung tragen mit Hilfe von Clips). Das ist schon viel besser, seit sie die Prozessoren mit einem Stirnband am Kopf trägt. 

Mittlerweile fängt unsere Tochter an zu sprechen. Sie sagt: „Mama, Papa, Katze und Auto“. Kann einzelne Aufforderungen umsetzen. Wie ciao ciao = winken, Hände waschen = Hände aneinander reiben oder kussi = dann gibt sie uns einen Kuss. Und das nur übers Hören.

Sie hört die Flugzeuge und zeigt ganz aufgeregt in den Himmel. Wenn ich sie frage. „Wo ist der Papa?“ Dann dreht sie sich suchend um. Wenn draußen ein Auto fährt, zeigt sie auf das Fenster. Sie tanzt zu Musik und sie singt smile la la la…

Sie ist eine absolute Quasselstrippe und kann nie den Mund halten. Welch ein Segensmile, mittlerweile spielt ihre Behinderung in unserem Alltag fast keine Rolle mehr. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Sie steht den anderen Kindern in nichts nach. Es gibt nichts, was sie nicht tun kann. Und es gibt gefühlt für uns auch noch nichts, was sie nicht hören kann. Laut Kinderärzten, den HNO-Ärzten und SPZ ist sie auf einem gleichen Stand mit hörenden Kindern ihres Alters, was auch an der frühen Versorgung mit Implantaten liegt.

Ich könnte immer weiter schreiben, was sie alles kann und hört und wie begeistert wir davon sind. Aber letztendlich ist jedes Kind anders, jede Entwicklung anders und jede/r muss seine eigenen Erfahrungen machen.

Für uns steht fest, dass wir genau das Richtige getan haben und wir es nie anders gemacht hätten. Unsere Tochter zeigt uns jeden Tag, dass sie ein normaler Teil dieser Welt ist und ihren Platz in dieser eingenommen hat.

Ich möchte den Eltern, die vor einer Entscheidung stehen sagen: „Seit mutig und stark und glaubt an euer Kind. Bleibt immer positiv und lasst euch nicht zu viel von anderen Erfahrungen und Lebensgeschichten beeinflussen.“

Ich wünsche jedem von euch, dass ihr es schafft, die bösen und traurigen Gedanken bei Seite zu schieben und ihr die Stärke habt, nach vorne zu schauen und etwas aus diesem Schicksal zu machen. Die Möglichkeiten gibt es. Und wenn man aufhört sich Gedanken über das zu machen, was sein könnte, kann man anfangen etwas aus dem zu machen was ist.

In diesem Sinne, ganz viel Glück und ich hoffe ich konnte dem ein oder anderen einen positiven Einblick geben.

Liebe Grüße
Sarah
Juli 2019