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Mein langer Weg zum besseren Hören

mit Cochlea Implantat

Von Marina Mattburger

Ich bin Marina, geboren 1964, bei mir fing alles wohl schon bei der Geburt an. Als einzige Tochter eines schon immer schwerhörigen Vaters (alle auf der väterlichen Seite hatten Hörprobleme) wurde es bei mir wohl erst ziemlich Ende der Kindergartenzeit entdeckt. Einer Erzieherin wurde es wohl bewusst, dass ich mich immer zurück zog, abschaltete, und dann mein eigenes Ding machte. Daraufhin ist meine Mutter mit mir von Ohrenarzt zu Ohrenarzt gerannt. Man diagnostizierte, dass ich rechts taub bin, das ja alles nicht schlimm ist, da ich ja links höre und dieses Ohr alles übernimmt.

Über die vielen Jahre anschließend zu berichten wäre schon ein ganzer Roman, daher lasse ich viele Jahre einfach mal weg. Leider war damals auch nicht darauf geachtet worden, evtl. Gebärdensprache und/oder eine andere Schule in Betracht zu ziehen.

Es war sehr schwierig als Kind, die Konzentration war eingeschränkt, also wenn es mir zu anstrengend wurde, konnte passieren was wollte, ich habe abgeschaltet und mein Ding gemacht. So waren dann auch meine Noten, da ich ja oft nicht aufgepasst habe.

Zuhause war es dann meine Schuld, du musst dich konzentrieren, aufpassen, nachfragen, wenn du was nicht verstehst und nach vorn sitzen. Toll....

Kinder sind grausam, vielleicht unbewusst, aber ich habe oft gelitten wenn sie mich gehänselt haben, wollte oft nicht in die Schule, hatte Bauchschmerzen. Heute läuft so was unter Mobbing.

Immer wieder sind wir zu Ärzten, um vielleicht doch was zu ändern an der Situation, auch als ich volljährig war bin ich damals in die Uniklinik in Gießen, um alles abzuklären. Taub bleibt Taub, Hörgerät ging nicht. Also Ende.

Auch von einem Schwerbehindertenstatus usw. war nie die Rede. Heute habe ich (seit 1996) 50%, allerdings kam es durch meinen damals frisch diagnostizierten Diabetes Typ 1 zustande, wobei ich mein taubes Ohr mit angab.

Naja... In den vielen Jahren war es halt so... Es ist normal... Man lebt damit, steckt vieles weg. Mit Beginn um die Jahre 2000 +/- wurde es auch immer schlechter auf der linken Seite. Bedingt und genervt vom familiären Umfeld... Ich bekam damals eine Bicross Versorgung welche über mein Brillengestell lief.

Aber auch das war irgendwann nicht mehr kompatibel genug. Also bekam ich mein erstes Hörgerät auf der linken Seite. War aber immer noch rechts taub. Richtungshören, Stereo usw. war mein ganzes Leben noch nie gegeben. Es ging weiter so... Über Jahre…

Bis ich ca. 2008 einen ersten heftigen Hörsturz auf der linken Seite hatte. Hammer, ich dachte das bleibt jetzt so... Ich war am Boden zerstört und gleich beim Ohrenarzt. Dort bekam ich über Tage Infusionen. Zum Glück kam das Gehör zurück... Zwar etwas schlechter, aber es war wieder etwas da.

Das Hörgerät wurde erneuert, so ging es wieder eine Weile gut. Die Ohrenärzte haben nie etwas gesagt... wegen dem rechten Ohr, es wurde regelrecht vergessen, totgeschwiegen, ignoriert, es war unwichtig. Es kamen immer wieder Hörstürze in Folge... Meist hat es sich nach Tagen aber wieder gebessert.

BIS eines Morgens nichts mehr ging. Also wieder Ohrenarzt, dieser meinte, so, das war es jetzt, das bleibt so. Am besten sie fahren mal mit der Überweisung nach Tübingen in die HNO. 

Mein Glück ist, dass ich wenigstens im Mundablesen, wenn klar und deutlich gesprochen wird, einigermaßen fit bin. Wir haben einen Termin gemacht und mein Mann fuhr mit mir in die Klinik. Tests bis zum abwinken fanden statt.

Okay... Sie sind Kandidat für eine CI-Versorgung auf der linken Seite.  Was bitte ist ein CI? Noch nie gehört davon... Informationsmaterial mitgenommen. Aber.. Nee.. Da bin ich ja lange Zeit komplett taub auf beiden Seiten... Nee... 

Zum Glück hat sich das Spiel noch 2-3 mal wiederholt. Beim letzten Hörsturz Anfang 2018 war ich soweit, dass ich sagte, okay da muss ich halt jetzt durch.

Ich verstand nur durch Mundablesen und wenn man mir direkt ins Ohr schrie. Meinungen gab es von außen viele, mach das nicht... nachher bist Du noch blöde, schwerbehindert usw. (was man so denkt, wenn man erfährt, es wird am Kopf rumoperiert). Aber okay, mein Kopf sagte schon lang, ich lasse es machen. 

In der Klinik wartete ich geduldig, und als die Frau Dr. vor mir saß, wieder alles anschaute und überlegt wurde, meinte sie, wir machen das rechte Ohr zuerst...

Ich dachte erst, ich hätte nicht verstanden... Schaute meinen Mann an... Die Ärztin... War ungläubig und sagte: „Das linke Ohr kommt dran…“.

„Nein“, sagte sie... Was haben sie zu verlieren? Tauber kann das Ohr nicht werden, aber es könnte sein, das sie auf dem rechten Ohr hören lernen können.

Dann ist im Falle eines neuen Hörsturzes links jedenfalls die Chance rechts zu hören wahrscheinlich gegeben.

Egal welches Ohr... Hauptsache ich höre wieder was,  mein Entschluss war jetzt gefestigt.

Wiedermal hat sich mein linkes Ohr erholt. Aber mein Entschluss stand fest. Ich habe mich für die Versorgung mit einem CI von  AB entschieden.

Bei der Untersuchung vor der OP fragte mich die Ärztin noch, ob ich lieber noch ein paar Wochen warten möchte, da gerade zu der Zeit das neue CI von AB rauskam, welches bei einer MRT Untersuchung ohne Probleme drin bleiben kann, das neue HiRes Ultra 3D CI, aber ich hatte mich entschieden, außerdem wollte ich nicht mehr warten, da ja auch der Weg weit ist… und andere Gründe mir im Kopf rumschwirrten. NEIN, ich bin soweit und MRT muss nicht unbedingt sein. Ich will jetzt nach so einer Entscheidung nicht noch mal warten müssen.

Somit wurde ich am 31.10.2018 (Halloween) auf meinem tauben rechten Ohr mit CI versorgt. Ich habe noch meine Späßchen gemacht und gebeten mir bitte keine „Mister Spock Ohren“ zu machen, da ja heute Halloween sei…

Noch während der OP hat man geschaut, was wohl ankommt. Alle waren begeistert und überrascht. Es klappte, es wird was ankommen... Wow.

Im Nachhinein war/ist immer noch nicht klar, warum bei mir rechts nie etwas ankam... da alles intakt schien. Ja, es wird immer ein Rätsel bleiben, warum ich taub bin auf der rechten Seite.

Jetzt ist mein Blechöhrchen schon ein Jahr alt geworden. Ich bin Happyyyyyy... Es kommt viel an... Wenn auch noch sehr leise, beim Üben direkt aufs CI, höre ich schon recht viel, aber halt sehr leise. Daher ist es dann auch sehr anstrengend. Ist alles egal. Ich bin sehr glücklich und froh diesen Schritt gemacht zu haben. Vieles hört sich noch fremd an und ist noch weit weg von normalem Sprachverstehen. Aber ich glaube fest daran, dass ich eines Tages gut und verständlich (auch Stereo) hören werde.

Im Moment ist mein linkes Ohr gut versorgt, mit einem passenden Hörgerät von Phonak, welches mit dem CI gekoppelt ist. Es hat seither auch keine Probleme mehr mit einem Hörsturz gegeben.

Vielleicht weiß mein linkes Ohr, dass es besser anständig bleibt, da ich jetzt keine fünf Jahre mehr überlegen würde, sondern gleich das Ohr mit einem CI versorgen lassen werde.

Ängste, dass ich von der rechten Seite noch zu wenig verstehe, habe ich auch nicht, da ich glaube im Falle dessen, müsste mein rechtes Ohr schneller lernen, ich glaube, es ist nur so faul, weil es ja das linke zur Verstärkung hat.

Ich gehe regelmäßig einmal die Woche zur Logopädie, dort habe ich öfter mit meiner Logopädin darüber gesprochen, dass ich es toll fände mit mehr CI Träger/innen in Kontakt zu kommen.

Die Idee wurde aufgegriffen und wir haben ein erstes Treffen mit den dort behandelten CI-Träger/innen gestartet. Da ich ein wenig die war mit der Idee, habe ich auch gleich dabei gefragt, ob Interesse an mehr solcher Treffen bestehen würde. Somit haben wir uns (wir wachsen sogar) jetzt schon fünfmal getroffen, das nächste Treffen haben wir für Februar 2020 ausgemacht.

Mittlerweile sind wir so um die zehn Leutchen, es wird sich ausgetauscht und viel geredet und gelacht. Da wir das in verschiedenen Lokalitäten machen, wird auch eine Kleinigkeit gegessen. Heute im Zeitalter der Smartphones haben wir natürlich auch zum Austauschen eine Whatsapp-Gruppe gemacht, dort wird mal mehr, mal weniger kommuniziert. Aber ich glaube für alle sprechen zu können, wir sind froh, dass wir uns zum Reden treffen können. Die nächsten Selbsthilfegruppen sind einfach zu weit weg. Daher kam mir auch diese Idee. Ich hoffe, wir werden weiter wachsen und noch viele Jahre Erfahrungen austauschen.

Ich kann es jedem nur anraten, sich auch über eine CI-Versorgung Gedanken zu manchen. Vielleicht hätte ich dieses schon zehn Jahre länger, aber niemand kam je auf die Idee das man da etwas machen könnte. Schade eigentlich, es sind viele Jahre verschenkt.

Daher sollten auch die Ärzte viel mehr über CI aufgeklärt sein, das auch sie bei solch aussichtslosen Fällen wie bei mir (ist halt so, Taub ist Taub), zumindest die Versorgung mit in Betracht ziehen.

So lieber Michael, liebe Blechöhrchen und die es vielleicht noch vor sich haben: DANKE, dass ich das hier weitergeben kann, vielleicht macht es dem einen oder anderen Mut, und er/sie findet sich in dem Bericht wieder.

Ich wünsche euch allen eine schöne Adventszeit, erholsame, besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2020!!!

Dezember 2019
Marina Mattburger