CI - Mit dem Zweiten hört man besser
oder: Meine persönliche Erfolgsgeschichte
Von Annette Rausch-Müller
„Ach, da haben wir ja einen Wiederholungstäter...!“, meinte die Mitarbeiterin der Reha-Klinik schmunzelnd, als sie mich wiedererkannte. Schließlich war es meine zweite Reha in Bad Nauheim und dies ist mein zweiter Erfahrungsbericht.
Für mein erstes Cochlea Implantat (CI) entschied ich mich im Frühjahr 2017 – nach über 50-jähriger hochgradiger, beidseitiger und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, die mit Hörgeräten nicht mehr zu kompensieren war und mir den Alltag in den letzten Jahren doch sehr erschwerte, vor allem im Berufsleben.
Zuerst kam das linke Ohr dran. Über den Erfolg war ich wirklich überrascht und wahrscheinlich nicht nur ich. An das neue Hören gewöhnte ich mich sehr schnell, zumal ich das Hörtraining zu Hause wirklich konsequent betrieb, unterstützt durch meinen Mann, der da sehr viel Geduld an den Tag legte und es bis heute noch tut.
Und so ließ ich mir im November 2018 das 2. CI auf dem rechten Ohr einsetzen. Auch hier verliefen OP und Wundheilung unkompliziert und die vier Wochen bis zur Erstanpassung des Prozessors wollten gar nicht schnell genug verstreichen.
Die letzten drei Jahre waren für mich geprägt von schönen Erlebnissen und einer enormen Verbesserung meiner Lebensqualität.
Ich denke da an die freundliche Frage des Oberarztes während meiner 2. Prozessor-Anpassung, ob ich denn nicht den MedizinstudentInnen des Uniklinikums ein wenig von mir, meiner Hörbiographie und meinen Cochlea Implantaten erzählen möchte. Im Uniklinikum Mainz ist man zur Anpassung zweimal im Abstand von vier Wochen je eine Woche stationär untergebracht und erhält die Anpassung sowie Hörtraining.
Wenn man gerade dabei ist, über sich selbst hinauszuwachsen, schlägt man solch eine freundliche Bitte natürlich nicht aus, auch wenn der innere Schweinehund sich ganz kurz meldet, ob das denn zu schaffen ist..., also sagte ich zu und war ziemlich nervös!
Ich hielt meine „Vorträge“ an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor insgesamt sechs Gruppen mit je 10-12 StudentInnen. Sie waren wirklich sehr interessiert, freuten sich mit mir und stellten mir jede Menge Fragen. Und ich verstand und beantwortete ihre Fragen......
Dann diese Situation an meinem Labor-Arbeitsplatz: Im lauten Labor, bei laufender Zentrifuge, saß ich mit dem Rücken zur Tür und arbeitete an der ebenso laut brummenden Bench und hörte im Hintergrund ein freundliches Hallo. Mein erster Gedanke: Du kannst nix gehört haben, hier ist es viel zu laut. Und doch: Ich drehte mich um und im Türrahmen stand der Kollege, von dem dieses Hallo kam.
Mein ganz großes „Projekt“ war und ist das Telefonieren. Nach 30 Jahren ohne Telefon führte ich die ersten kurzen Gespräche mit meinem Mann, mit meiner Mutter, meinen Söhnen und meiner Freundin, später dann Anrufe bei der Friseurin zwecks Terminvereinbarung, in der Verwaltung des Seniorenheims, in dem meine Mutter lebt, ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt meiner Mutter. Ich traue mich immer mehr.
Auch an meinem Arbeitsplatz wagte ich mich dann ans Telefonieren. Es ist für mich eine unglaubliche Erfahrung, mal eben schnell anderswo anrufen zu können. Gespräche mit Lieferanten, mit der IT-Abteilung und den Kolleginnen und Kollegen sind für mich inzwischen selbstverständlich geworden. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich den Telefonhörer nach dem Gespräch vor dem Auflegen einen kleinen Moment andächtig betrachte und dann ziemlich stolz auf mich bin.
Ein ganz besonderes Klang-Erlebnis war für mich der Besuch der Aufführung von Fidelio in der Semper-Oper in Dresden. Auch Theaterbesuche haben für mich nun eine ganz neue Qualität.
Nicht zuletzt die Treffen unserer Selbsthilfegruppe des CIV HRM in Darmstadt. Ich lernte hier andere CI-Träger kennen und habe die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen oder natürlich auch einfach nur mal ein Käffchen zu trinken und zu schwätzen.
Annette Rausch-Müller
April 2020