Mein Weg zum Cochlea-Implantat
Von Ilse Kleiner
Seit ungefähr zwei, drei Jahren liebäugele ich mit einem Cochlea Implantat (CI). Mein HNO-Arzt hatte mir jedoch mitgeteilt, dass ein Implantat für mich noch nicht infrage kommt. Naja ich verstand ja in der Selbsthilfegruppe auch viel besser als manch anderer, dachte ich.
Vergangenes Jahr im August war es mal wieder soweit, dass mein Akustiker sagte, er kann nichts mehr rausholen aus dem Hörgerät, aber ich ja im Oktober nächsten Jahres Anspruch auf neue Geräte habe. Er wollte mal sehen, ob man schon früher mit der Anpassung anfangen könne.
Also bin ich wieder zu meinem HNO-Arzt, seine Frau hat wieder einen Hörtest gemacht und dabei wieder festgestellt, dass ich auf dem rechten Ohr keine Sprache, aber Töne verstehe. Der Arzt sagte mir das auch, aber er meinte für eine schnellere Verordnung liege kein Grund vor. Er gab mir eine Verordnung für den Akustiker, er solle meine Geräte besser anpassen. Mein Akustiker schaute mich groß an und sagte, dass er nicht zaubern kann. Ich wusste ja, dass er schon alles versucht hatte. Wenn er lauter machte oder auch nur die Sprachfrequenzen anhob, tat es weh, da die Schmerzempfindlichkeit und die Lautstärke, die ich zum Verstehen brauche, sehr dicht beisammen liegen. Ich war etwas traurig, aber zum Glück hatte ich mich zum Herbstseminar der Deutschen Hörbehinderten Selbsthilfe angemeldet.
Freitags ist immer ein Ausflug eingeplant und so habe ich Anne gefragt, ob sie mir was über ihre CI-OP und ihr Menieré erzählen könnte und das tat sie sehr ausführlich. Sie gab mir Tipps und machte mir Mut nicht auf den Arzt zu hören, sondern es selbst in die Hand zu nehmen, mich bei einer Klinik anzumelden mit der Fragestellung „CI: JA oder Nein“.
Zuhause habe ich dann gleich im Internet recherchiert und wollte zu einem Vortrag mit Untersuchungen zu diesem Thema nach Bad Nauheim. Leider, oder zum Glück, wie man es sieht, war der Termin längst ausgebucht.
Dann war ich bei meinem Computerfachmann und der begrüßte mich: „Meine Frau hat vor vier Wochen ein CI bekommen und ärgert sich, dass sie es nicht schon vor ein paar Jahren hat machen lassen. Für das andere Ohr hat sie auch schon einen Termin.“ So sind wir ins Gespräch gekommen und er hat so geschwärmt von den netten Ärzten und dem geduldigen Technik-Personal, dass er mir gleich die Telefonnummer der Sekretärin von Frankfurt aufgeschrieben hat.
Daheim habe ich es meinem Mann erzählt und gleich dort angerufen. Ich bekam schon nach drei Wochen einen Termin, mit dem Hinweis viel Zeit mitbringen. Ich will hier nicht zu langatmig werden, die Ärzte und das Technik-Personal waren sehr nett und haben sich Zeit genommen, das Ergebnis war: „CI, ja sofort“.
Der Termin war dann der 10. Februar mit Operation am 11.2.. Und am 14.2. wurde das CI eingeschaltet und ich konnte nach Hause. WOW, wie komisch, jeder von der Familie und meinen vielen Bekannten hat ungefähr dasselbe gefragt: „Und was hörst du?“ Ich antwortete:
„Alles ist tch tch tch, aber im Sprachrhythmus.“ Wie?????? Ja, anders kann ich es nicht erklären.
Zehn Tage nach der ersten Erstanpassung war der nächste Termin und es wurden mehr Elektroden frei geschaltet und das Hören wieder getestet. Alle waren zufrieden. Acht Tage später war dann die letzte Erstanpassung. Ich bekam insgesamt 12 Elektroden eingeschaltet und ich war verblüfft, dass manche Töne bis zum Anschlag der Skala liefen und manche schon in der Mitte aufhörten. Der nette Mann, der die Messung durchführte, erklärte mir, dass manche Töne vom Gehirn gut erkannt würden und manche schlecht, je nachdem was ich vorher noch gehört hatte. Dann wurde die Lautstärke getestet. Ich wollte gerne in meiner „Wohlfühl-Lautstärke“ bleiben, aber das durfte nicht sein, das Gehirn muss mehr arbeiten! Also ging es bis vor die Schmerzgrenze. Und gleich wieder zu den verschiedenen Hörtests. Ich war erstaunt, wieviel ich schon verstehen konnte. Die „Nonsens-Sätze“ waren das Schwerste, da fiel das ach so gut gelernte kombinieren weg. Aber auch das klappte besser, als ich dachte. Die Zischlaute traten jetzt etwas in den Hintergrund. Auf der Bahnfahrt nach Hause war ich erfreut über alles was ich hörte.
Jetzt vier Wochen nach der OP ist das rechte Ohr mit dem CI das dominante Ohr. Ich habe ein neues Hörgerät links zum Testen, aber ich merke sehr, dass die Ärztin recht hat, dass dieses Ohr auch sehr schlecht ist. Ich dachte nach meinem Umzug aus einem Haus im ruhigen Wohngebiet in die Hauptverkehrsstraße, dass dort keine Vögel sind. Dank CI höre ich sie wieder, allerdings nicht mit dem linken Ohr mit Hörgerät.
Jetzt warte ich, dass Corona vorbei geht und die Chinesen die Bauteile für das stärkere Hörgerät liefern, dass Phonak dann wirklich dieses Hörgerät bauen kann.
Ich werde mit dem zweiten CI nicht zu lange warten, die Operation als solches war ein Spaziergang und jetzt heißt es üben, üben, üben und das mache ich.
April 2020
Ilse Kleiner
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