Vom Kämpfen und Siegen
Von Annelies Bauer alias Seilenna
Es ist heiß. Ein wunderschöner Sommertag. Unser Hund liegt neben mir, meine einzige Gesellschaft in diesem Moment. Wir befinden uns auf unserem gepachteten Fischteich, den eine äußerst große, saftige Wiese umgibt. Der Hund nass und zufrieden zu meinen Füssen, ich rauchend in meinem Campingstuhl.
Es ist nicht zu begreifen, wie still es ist um uns herum, man hätte die außergewöhnlichsten Laute machen können, man hätte sie durch diese unglaubliche Stille hindurch kilometerweit hören können. Da war ich mir sicher. Aber eigentlich war nur sicher, dass morgen meine Aufnahme ins Krankenhaus bevorstand.
Da sich diese unglaubliche Stille in mir breit machte, seit vier Jahren nun, im schleichenden, aber dennoch für mich hurtigen Galopp. Ich verliere mein Gehör, meine hohen Töne, um genauer zu sein. Was der Grund sei, das kann mir bis zum heutigen Tag keiner sagen. Ich hörte immer normal. Kein böser Tumor, keine Krankengeschichte kann mir sagen warum. Ich hätte es auch nicht verhindern können.
Meine einzige Aufgabe bestand darin, das Leben, wie ich es mir vorgestellt hatte, wie man es ab 14 eben nur erträumen kann, aufrechtzuerhalten. Jede Lähmung und jede schmerzhafte Erfahrung an meiner Seele abzuwehren. Ein Leben inmitten hörender Menschen als schwerhöriger ist verdammt hart, es ist vor allem verdammt hart, weil es mir auferlegt wurde und ich nicht wusste, wie ich bleiben sollte, wer ich bin, weil ich ja nicht mehr sein konnte, wer ich mal war.
Wenn plötzlich eine unsichtbare Mauer zwischen dir und einfach jeder Person, die dir begegnet steht, auch zwischen denen, die du kennst und liebst, aber auch und gerade bei denen, die du nicht magst. Du wirklich immer über diese Mauer springen musst, damit du siehst, was dahinter ist, dann ist dieses Springen unglaublich ermüdend und auch oft extrem erniedrigend.
Jeder Sprung wird intensiver und du kannst aber nicht trainieren, um besser zu werden, nein, im Gegenteil, du hast darüber einfach keinen Einfluss, egal wie oft du bittest und bettelst. Beim Weinen nach der zermürbenden Party auf der du kaum ein Wort verstanden hast, auch keine Kontakte knüpfen konntest und deine bestehenden Kontakte vor den Kopf gestoßen hast, weil du wie so oft, nicht mehr verstanden hast, was dir ins Ohr geplaudert wurde.
Es hilft einfach nichts, dein Gehör ist weg. So fest du es auch gehalten hast, es hat dich zurückgelassen, unter vielen Hörenden, in einem Leben in dem Gehör allgegenwärtig ist… Du wirst des Springens müde, das ist Fakt. Weil es auch mit jedem neuen Tag, nicht einfacher wird.
Ich bin aber weitergesprungen. Und ich bereue es keinen Tag.
Da sitz ich nun an dem Teich, mit unserem Pauli und ich streiche und rubble hinter meinem rechten Ohr, in dem Wissen dass mir übermorgen ein Implantat, ein Cochlea Implantat operiert wird; es wird dort sitzen und man kann es dann fühlen, wenn man darüber streicht, es hat dann einen Prozessor mit Magnet, der einem Hörgerät gleicht und es hilft mir mein Leben wieder zu hören. Zu ERLEBEN.
Von Annelies Bauer alias Seilenna
Verfasst vor ihrer CI-Operation, wie es danach weiterging, lesen sie hier: Die Reanimation des totgeglaubten Gehörnervs