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Meine Erfahrungen mit dem Cochlea Implantat (CI)

von Ingrid Kratz

Mein Name ist Ingrid Kratz, ich bin beidseitig implantiert und leite seit 11 Jahren die CI-SHG-Frankfurt im CIV HRM e.V.

Der Hörverlust veränderte mein Leben radikal, doch mit meinen beiden Cochlea Implantaten kann ich heute das Leben wieder wie früher genießen. Die Welt der Musik faszinierte mich eigentlich immer – und ich bin überglücklich, sie auch heute wieder genießen zu können!

Mit sechs Jahren begann ich im Kinderchor des Hessischen Rundfunks zu singen, danach im Jugend- und Figuralchor und später schloss ich mich einem Kirchenchor an. Die Zeit bis zu meinem 25. Lebensjahr war geprägt von öffentlichen Auftritten: Konzerte, Hörfunk- und Fernsehsendungen und Konzertreisen.

Meine Schulzeit und Jugend verbrachte ich, was das Hören angeht, völlig unauffällig.

Bis zu meinem 37. Lebensjahr hatte ich gut gehört – machte mein Examen als Kinderkrankenschwester und arbeitete 33 Jahre in diesem Beruf.

Mit 37 Jahren erlitt ich nach einem anstrengenden Dienst im Krankenhaus meinen ersten Hörsturz in Kombination mit Tinnitus. Die Diagnose lautete nach eingehender HNO-ärztlicher Untersuchung und einem Hörtest: Innenohrschwerhörigkeit. In den darauffolgenden 13 Jahren erlitt ich insgesamt acht Hörstürze und mittlerweile beidseitigen Tinnitus. In diesen 13 Jahren erlebte ich eine wahre Odyssee. Alle Therapien blieben erfolglos! Auch die besten volldigitalen Hörgeräte stießen irgendwann an ihre Grenzen und konnten mir kein ausreichendes Sprachverstehen ermöglichen.

Aufgrund des progredient verlaufenden Hörverlustes wuchsen meine Ängste vor einer möglichen Ertaubung. Das Gefühl der Ausweglosigkeit machte sich breit. Ich bekam Depressionen und konnte mich an fast nichts mehr im Leben erfreuen – immer stand der hochgradige Hörverlust im Vordergrund. Vor allem das Telefonieren fiel mir zunehmend schwerer. Die Angst, während meines Dienstes im Krankenhaus ans Telefon gehen zu müssen und die damit verbundene Furcht vor möglichen Missverständnissen wurde immer größer. Der Leidensdruck war immens! Ich recherchierte im Internet, las Fachzeitschriften und besuchte Vorträge über das CI. Es war ein schwieriger Entscheidungsprozess, der sieben Jahre dauerte!

Mein Gehör verschlechterte sich bis an Taubheit grenzend, sodass ich mich nach einer Voruntersuchung 2008 zur linksseitigen CI-OP mit dem OPUS 2 und 2010 zur rechtsseitigen CI-OP mit dem OPUS 2XS von Med-El entschied. Ich hatte nichts mehr zu verlieren.

Das war die beste Entscheidung, die ich habe treffen können!

Die CI-OP verlief unauffällig. Nach drei Tagen wurde ich entlassen und nach einer Woche wurden die Fäden entfernt. Vier Wochen nach der CI-OP erfolgte in drei aufeinanderfolgenden Tagen die Erstanpassung, die Basistherapie, des CI-Prozessors.

Es waren anfangs ungewohnte Töne, die ich hörte, auch klang alles etwas metallisch, nach Computer-und Micky-Maus-Stimme, und meine eigene Stimme hatte einen gewissen Nachhall, was aber sehr schnell wieder verschwand. Der Hörtest fiel schon recht gut aus!

Die ersten Geräusche, die ich hörte, waren Vogelgezwitscher, Regentropfen auf dem Regenschirm und das Ticken des Blinkers im Auto – ich hatte diese Geräusche bestimmt seit 10 Jahren nicht mehr gehört. Meine Freude darüber ist nicht zu beschreiben!

In zweiwöchentlichen Abständen erfolgten erneute Feineinstellungen des CI-Prozessors. Das CI-Hören klang immer natürlicher und der Hörtest wurde immer besser!

Drei Monate nach der CI-OP begann ich eine stationäre Reha, die Folgetherapie, für die ich mich bewusst entschieden hatte, um mich voll und ganz auf das neue Hören konzentrieren zu können. Ich hätte ansonsten auch die Möglichkeit einer ambulanten Reha gehabt.

Schwerpunkt dieser Reha war das Einzel-und Gruppenhörtraining, Hörtraining am Computer mit dem Audiologprogramm, Hörtraining im Störschall und das Richtungshören. Mein oberstes Ziel war, wieder möglichst gut telefonieren zu können. Es gelang! Mit viel Geduld meiner Logopädin, Disziplin und vor allem Ehrgeiz. Auch das Musikhören mit CI wurde trainiert. Allerdings klingt Musik mit nur einem CI lange nicht so gut wie mit zwei CI’s. Der Klang ist wesentlich natürlicher und voller! Ich denke, meine frühe musikalische Ausbildung hat mir sehr dabei geholfen, heute, nach viel Übung wieder annähernd so gut Musik hören zu können, wie früher.

Ein Grund mehr zur bilateralen CI-Versorgung, besonders wegen der verbesserten Sprachwahrnehmung im Störschall
und dem besseren Richtungshören!

FAZIT: Der Alltag ist der beste Lehrmeister!

Ich habe mich keiner schwierigen Hörsituation entzogen, sondern mich ihr gestellt, z.B. im Lokal oder bei Familienfeiern in geräuschvoller Umgebung. Auch Hörbücher trainieren das Hören mit CI! Ebenso spezielle Hörtrainings – CD’s und DVD’s. Es gibt auch spezielle Apps zum Herunterladen für das Hörtraining auf dem Smartphone oder iPhone oder die kabellose Anbindung mit Bluetooth für das CI. Nach Bedarf kurze Hörpausen am Tag einlegen. Man kann auch nach Jahren noch Hörerfolge erzielen!

Vor zehn Monaten habe ich ein Upgrade erhalten und trage nun das Sonnet 2 mit großem Erfolg. Ich möchte meine CI‘s keinen Tag mehr missen! Sie haben mir eine neue Lebensqualität und Lebensfreude eröffnet und ich bin sehr dankbar dafür!

In der Selbsthilfegruppe beraten wir angehende CI-Patienten, die noch voller Zweifel und Ängsten einer CI-OP gegenüberstehen. Auf Wunsch geben wir auch eigene Erfahrungen weiter. Es finden regelmäßige Treffen in der „Weinstube im Römer“ zum gegenseitigen Austausch statt. Wir organisieren Exkursionen, besuchen Museen und nehmen an Führungen teil.

Sehr wichtig ist uns die Öffentlichkeitsarbeit: Wir organisieren Infostände am CI-Tag, den Hörtag an der Uniklinik, SHG-Tag im Römer, organisieren musikalische Lesungen, sowie Musik-und Tanzworkshops für CI-Träger.

Durch meine Mitarbeit im Kundenbeirat von Fraport konnte ich vor Jahren erreichen, dass im Terminal 1 +2 an den Info-Points induktive Höranlagen fest installiert wurden, damit CI-Träger oder Hörgeräteträger störungsfrei kommunizieren können.

Sehr schätze ich die Einrichtung des MED-EL Care Center in unmittelbarer Nähe der HNO-Uniklinik Frankfurt. Dort finde ich fachkundige Beratung und persönlichen Service, falls es technische Probleme gibt, ein passendes Ersatzteil oder ein Zubehör fehlt. Auch Rehabilitationsmaterial zum Hörtraining für zu Hause kann ich hier erhalten. Es ist für mich von großer Bedeutung, einen guten technischen Service vor Ort zu haben – das beruhigt enorm! Jährlich bietet das Care-Center einen kostenlosen Hör–TÜV an, für den ich mich schon frühzeitig vormerken lasse.

Oktober 2020
Ingrid Kratz