Mein Weg zum Ci*Borg
Von Jannes
Hi Du, schön, dass du es hier auf meinen Erfahrungsbericht geschafft hast. Ich möchte Dir ganz gern erzählen, wie es mir auf meinem Weg zum CI*Borg ergangen ist.
CI*Borg, da Cyborg ja jeder kann.
Ich bin Jannes Bastian, bin inzwischen 28 Jahre alt und arbeite im Rettungsdienst als Rettungssanitäter, aber alle nennen mich nur Jannes oder Jasti, ich habe seit Januar 2021 mein erstes Cochlea Implantat (CI) nach einem langen und nervenaufreibenden Weg. Aber lies selbst.
Kurz vorab, ich habe laut Aussage meiner Familie und auch aus eigenen Erfahrungen, immer die Flöhe husten hören!
Bis zum 11.11.19 dachte ich immer, dass meine Patienten übertreiben, wenn ihnen schwindlig war, aufgrund von HNO Problemen. Nun ja, was soll ich sagen. Schwindel aufgrund von einem ausgefallenem Gleichgewichtsnerv ist zum Kotzen. Im wahrsten Sinne des Wortes!!
Ich bin mit oder durch den selbigen am 11.11.19 morgens um 4 Uhr wach geworden. Es fühlte sich am linken Ohr jedenfalls komisch an. Taub, vom Gefühl! Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht, dass ich auch nicht mehr wieder hören würde auf diesem Ohr.
Mittags bin ich dann nochmal RTW gefahren, allerdings mal auf der Patientenseite. Im Krankenhaus angekommen, wurde ich von sämtlichen Kollegen angesprochen, was denn mit mir sei. Da merkte ich, dass links nichts ankam, von dem was sie sagten.
In der HNO Ambulanz wurde mir dann mehr und mehr bewusst, was passiert ist. Die erste Frage, die ich mir stellte war, „Was ist, wenn ich nie wieder hören kann?“
An die darauffolgende Woche kann ich mich nur trübe erinnern, ich war gefühlt halb tot. Ich weiß nur noch, dass ich mit Cortison, Vomex und irgend einem Antibiotika vollgepumpt wurde und täglich zum Hörtest musste.
Am 13.11. gegen 17 Uhr wurde ich plötzlich unerwartet in den OP geschoben. Es wurde eine Tympanoskopie gemacht, bei der geschaut werden sollte, was in meinem Ohr los war, eventuell Flüssigkeit drin wäre etc. Naja… die operierende Ärztin meinte, hier ist keine Flüssigkeit… das ist ja trocken wie in der Sahara! Somit war die OP vorbei. Ach so, die OP wurde unter örtlicher Betäubung durchgeführt. War mir egal, ich war eh fertig mit der Welt.
Ab dem nächsten Tag wurde es langsam besser, vermutlich aber, weil die Medikamente anschlugen. Besser, meine ich damit, dass der Schwindel minimal zurück ging und ich aufstehen und laufen konnte, allerdings war der Tinnitus sehr dominierend. Bis zur Entlassung habe ich es auch geschafft mal vorsichtig durchs Krankenhaus zu laufen und habe mir sämtliche Plakate und Infotafeln angeschaut und durchgelesen, die mit einem Cochlea Implantat zu tun hatten. Ich entschied mich, das mal daheim im Internet weiter zu verfolgen, nur für den Fall dass…. Ein Plan B ist immer gut.
Als ich wieder aus dem Krankenhaus raus war, musste ich alle paar Wochen zur Nachkontrolle. Auto fahren durfte und konnte ich noch nicht, da der Schwindel immer noch zu stark war.
Im Februar fand man dann eine auffällige Stelle im MRT… Das MRT war wie alle anderen Untersuchungen folgend, schon für das CI, welches mir vorgeschlagen wurde.
Ich wurde darüber aufgeklärt, konnte aber nach meinen Recherchen eigentlich viel mehr erzählen, als die Ärzte im Krankenhaus in Kassel. Die auffällige Stelle wurde als potentieller Tumor gesehen und ich wurde mit den Worten „Kommen Sie im September zum MRT wieder“ heimgeschickt.
Ich denke, du kannst mich verstehen, wenn ich erstmal völlig fertig war, gegoogelt habe, was ein Akustikusneurinom ist. Es ist ein gutartiger Tumor, der am vestibulären Teil des 8. Hirnnervens sitzt. Im Grunde genommen nichts lebensbedrohliches, aber er kann genau diese Symptome hervorrufen, die ich hatte.
Im September ging ich also wieder zum MRT und danach das Nachgespräch. Nun hatte das MRT auch noch was am Gesichtsnerv (Nervus fascialis) gefunden. Zu dieser Zeit hatte ich auch das Gefühl, dass meine linke Gesichtshälfte taub ist und ich musste immer wieder den Mundwinkel bis zum Ohr ziehen, damit die Mundseite wieder funktionierte. Auch diesmal verabschiedete man sich von mir im Klinikum Kassel mit den Worten „Machen Sie bitte im Mai 2021 ein neues MRT und dann machen wir auch mal auf und schauen rein.“
Ich fühlte mich etwas verarscht, und ich denke, jedem anderen erginge es genauso. Will man denn mit 27/28 Jahren mit einer Fascialis Parese rumrennen? NEIN!
Somit habe ich im DHZ in Hannover angerufen und um einen Termin gebeten. Innerhalb von drei Wochen hatte ich diesen. Ich erzählte den Ärzten dort von meinem Fall, wurde in der nächsten Woche direkt drei Tage stationär aufgenommen, um alle Untersuchungen nochmal zu machen. Und siehe da: KEIN Tumor am Gesichtsnerv (Es war auch alles wieder in Ordnung) und nur eine fragliche Entzündung dort, wo man in Kassel das AKN sah.
Bevor ich heimgekommen bin, habe ich mit der Oberärztin noch besprochen wie es jetzt weiter geht.
Ich habe zwei Optionen bekommen:
- Abwarten, beobachten und irgendwann ein CI oder
- Ein CI setzen und danach weiter beobachten
Natürlich nahm ich Option 2. Ich wollte so schnell wie möglich wieder hören.
Am 12.01.21 war es dann soweit. Nachdem ich am 11.01. eingecheckt hab, konnte ich sagen, ab dem 12.01. wird alles besser.
Ich wurde gegen 12 Uhr abgeholt und kam um 13.30 Uhr in die Einleitung vom OP.
Wie spät es war, als ich das erste Mal die Augen aufmachte, weiß ich gar nicht, allerdings war meine zweite Frage direkt „Hab ich das CI jetzt endlich?“ Die Antwort war „Ja!“
Ich war überglücklich und zu meinem Erstaunen auch super schnell wieder auf den Beinen. Kein Schwindel, keine Übelkeit, kein nichts, außer Schmerzen nach der OP. Aber die hielten wir mit Paracetamol in Schach.
Ich hatte vor der OP richtig Angst, dass ich wieder mit üblem Schwindel wach werden würde, denn möglich ist das. Mir reichten nur die insgesamt zehn Monate Schwindel am Stück, von dem Vestibularisausfall. Ja, du hast richtig gelesen... 10 Monate... Ich muss dazu aber sagen, das Gleichgewichtsorgan hat sich bei mir vollständig erholt!!
Am 14.01. sollte ich von der MHH runter ins DHZ gehen und dort wurde das erste Mal, das CI aktiviert, um zu sehen, ob alles funktioniert.
Ich bekam tatsächlich auch ein Leihgerät mit, mit den ersten gröbsten Einstellungen, damit sich mein Kopf gewöhnen kann. Wenn ich grob schreibe, dann meine ich das auch so. Bis auf den Takt des gesprochenen, habe ich nichts wahrgenommen.
Als ich beim Fäden ziehen war nach zehn Tagen, sagte die HNO-Ärztin, dass der Heilungsprozess super lief und am 11. Tag sah man die Narbe kaum noch.
Vom 15.02.21 bis 19.02.21 habe ich meine Erstanpassungswoche gehabt. Am 15.02. um 14 Uhr war es endlich soweit. Das Warten hatte ein Ende, ich habe meinen N7 von Cochlear in den Händen halten können und meine ersten feinen Einstellungen wurden vorgenommen. In meinem ersten Hörtest habe ich sehr, sehr viel gehört.
Ich kann dir ja mal die Werte zeigen:
Freiburger Zahlen: 100%
Freiburger Einsilber: 60%
HSM Satztest in Ruhe: 73,6%
HSM Satztest in Noise (10dB): 33%
Am 16.02. hatte ich auch schon die erste Hörübungs-App, die von Asklepios, durchgehört. War mir irgendwie zu einfach. Die App von MedEl war da schon anspruchsvoller, aber auch die war mir irgendwie zu einfach.
Seitdem übe ich eher mit verschlossenem rechtem Ohr und Hörbüchern und höre sehr viel Musik. Gitarrenmusik hört sich schon komplett normal an, Vögel hören sich auch normal an und das Beste ist, dass ich endlich das Richtungshören wiederhabe!
Bis jetzt haben sich die tiefen Stimmen ein wenig normalisiert, die hohen sind immer noch wie Chip&Chap (Ahörnchen und Bhörnchen).
Darüber hinaus wurde ich von der Firma Cochlear auch schon gefragt, ob ich Hörpate werden will, da es wohl noch keinen aus dem Rettungsdienst gibt. Klar gern, dachte ich mir, genauso wie, als Michael mich nach einem Erfahrungsbericht für seine Ohrenseite gefragt hat.
Eine stationäre Reha ist beantragt, bisher habe ich aber noch keine Rückmeldung erhalten. Daher kann ich auch nicht mehr berichten.
Allerdings würde ich mich immer wieder für ein CI entscheiden, hoffe aber dennoch, dass ich nicht unbedingt noch eins brauche.
Liebe Grüße
Jannes
April 2021