„Pferde sind meine Leidenschaft“
CI-Trägerin und Kaderreiterin Sophie Dlugos berichtet
Ich bin Sophie Dlugos, eine 18jährige Schülerin der Ursulinenschule in Fritzlar, in der ich in die 12te Klasse gehe, ich mache nächstes Jahr mein Abitur. Ich trage beidseitig Cochlea Implantate (CI) seit ungefähr sechs Jahren und reite quasi schon mein ganzes Leben lang.
Dass ich Reiterin werde, war mir fast schon vorbestimmt, meine Familie mütterlicherseits reitet ebenfalls und mein Opa, Otto Sölzer, züchtet zusammen mit meiner Mutter, Rita Sölzer-Dlugos, Hannoveraner-Pferde und auch ich habe vor nächstes Jahr ein Fohlen aus meiner eigenen Springstute zu ziehen.
Mein erstes Pony, ein Shetty, welches wir heute noch haben, bekam ich als ich drei Jahre alt war. Im Alter von gerade mal fünf Jahren ging ich bereits auf die ersten Turniere und ich reite schon eine lange Zeit bei Regine Koch im Unterricht. Ich hatte schon mehrere Ponys und Pferde und erzielte 2013 den zweiten Platz bei einem Reiterwettbewerb auf dem internationalen Festhallenturnier in Frankfurt mit meinem damaligem Pony Daylight - mein damals größter Erfolg.
Mit diesem Pony kam ich 2015 auch schon in die Ponyfördergruppe des Hessenkaders und kam 2016 mit meinem neuen Pony, Bonomelli, ebenfalls in diese Fördergruppe, in der ich zwei Jahre drinblieb. Mein erstes Pferd, Quadros, habe ich durch Regine Koch gefunden und wir haben ihn gemeinsam weiter ausgebildet. Mit ihm war ich auch in der Fördergruppe und seit mehreren Jahren bin ich mit ihm im E-Kader Hessen.
2019 durfte ich sogar mit Quadros zu dem Jugend-Dressurfestival der Nußlocher Pferdesporttage, bei denen ich es bis ins Finale schaffte und dort sogar platziert wurde. Ich habe es von „ganz unten“ nach relativ weit oben geschafft. In der Dressur habe ich Leistungsklasse 3, dementsprechend Siege bis zu L-Dressuren und Platzierungen in M-Dressuren und auch im Springen habe ich Leistungsklasse 5 und dort Platzierungen bis zur Klasse L, Vor ein paar Jahren bin ich beim Pferdesportjournalcup mitgeritten und erzielte dort ebenfalls den zweiten Rang.
Das Jahr 2020 lief dann eher negativ ab, denn erst fanden durch Corona keine Turniere statt und dann hatte ich mir durch einen Sturz mit Pferd mein Schlüsselbein gebrochen, welches operiert werden musste. Und auch dieses Jahr gab es für mich leider noch keine Turniere, bisher fiel alles wegen einem hochansteckenden und gefährlichen Pferdevirus (EHV1) aus und jetzt wieder wegen den steigenden Coronazahlen – wir alle hoffen, dass wir bald wieder auf Turniere fahren können.
Wie zu Beginn schon erwähnt trage ich beidseitig CI‘s. Meine ersten Hörgeräte bekam ich im Alter von drei Jahren, nachdem man eine hochgradige Hörschädigung bei mir diagnostizierte. Warum ich fast taub bin, beziehungsweise den Grund woher das kommt und ob ich vorher normal hören konnte, weiß man beides nicht. Es war für mich nie wirklich leicht schwerhörig zu sein. Ich habe schon immer nur mit Normalhörenden zusammengelebt (Kindergarten, Grundschule, Familie...).
Um überhaupt Anspruch und Recht auf eine Regelschule zu haben, mussten wir bereits vor der Grundschule dafür kämpfen und viele Tests machen, aber dennoch habe ich es geschafft. In der zweiten Klasse wollte ich lieber auf eine Schule für Hörgeschädigte gehen und machte eine Probe auf der Hermann-Schafft-Schule in Homberg. Hier merkte ich aber schnell merkte, dass ich unterfordert war. Probleme mit Schülern oder Lehrern hatte ich damals nicht in Bezug auf meine Behinderung, ich habe sie nur selbst zu Beginn nie wirklich akzeptiert, was auch der Grund ist, weshalb ich mich erst im Alter von 12 Jahren für eine CI-Operation entschied - was übrigens eine meiner besten Entscheidungen war. Ich kann nur jedem raten dies auch zu tun!
Als ich dann auf das Gymnasium, also die weiterführende Schule kam, wurde alles ein wenig schwieriger, allein schon, weil die Klassen viel größer waren (meist ca. 30 Schüler/innen) und viele verschiedene Kinder/Jugendliche aufeinandertreffen. Bereits in der Grundschule benutzten die Lehrer die FM-Anlage von Phonak und auch auf der Ursulinenschule benutzen wir diese. Zusätzlich habe ich drei Mikrofone, die unter den Schülern herumgegeben werden, damit ich auch diese besser verstehe. Drei Mikros für bis zu 30 Mitschüler sind leider auch nicht immer so leicht, wie es eigentlich sein sollte und auch die neuen Schüler und Lehrer mussten sich daran gewöhnen, mehr hat aber die Krankenkasse auch nicht übernommen.
Es gab natürlich zwischendurch sowohl Probleme mit Schülern, als auch mit Lehrern, die mittlerweile aber alle beseitigt sind. 2018 überlegte ich erneut auf eine Schule für Hörgeschädigte zu wechseln und machte eine Probewoche auf einem Internat in der Nähe von Freiburg (BBZ Stegen) und es war wirklich wunderschön dort. Ich habe mich aber vor allem wegen des Reitens letzten Endes gegen das Internat entschieden.
Der ein oder die andere fragt sich sicherlich, wie es dazu kam, dass ich erst mit 12 Jahren einer Operation zugestimmt habe. 2015 war ich das erste Mal auf einer Freizeit mit Schwerhörigen, organisiert von der Bundesjugend – Verband junger Menschen mit Hörbehinderung e.V. (BuJu) und der Kontakt und die Freundschaft zu Gleichaltrigen mit den gleichen Problemen tat mir sehr gut. Ich habe gelernt damit zu leben, meine Behinderung zu akzeptieren, habe Erfahrungen gesammelt und mich ausgetauscht, denn früher kam ich mit meiner Behinderung nie klar und habe sehr oft deshalb geweint. Mit einigen stehe ich noch heute in Kontakt und treffe mich mit ihnen, wenn Corona es zulässt. Ich bin die einzige aus der Gruppe, die in Hessen wohnt, die meisten habe ich seit über einem Jahr nicht mehr gesehen.
Beim Reiten haben meine Reitlehrer von Anfang an die FM-Anlage benutzt, was meistens auch sehr gut geklappt hat und auch neue Reitlehrer, oder wenn ich beispielsweise einen Lehrgang habe, sind immer sehr offen und freundlich. Auf Turnieren, bei denen die Aufgabe vorgelesen wird, bekommen die jeweiligen Leser immer das Gerät und auch dies ist zu 99% kein Problem.
Seit ich die CI‘s habe, muss ich beim Helmkauf wirklich darauf achten, dass der Helm zwar sitzt, aber dennoch nicht am Implantat drückt. Bisher hatte ich immer Glück und wir mussten noch nie einen Helm mit Sonderanfertigung kaufen. Wir achten beim Kauf immer darauf, dass der Helm an der Stelle der Spule weicher gepolstert oder ausgehöhlt und das Ohrstück groß ist, genauso auch beim Ski - und Motorradhelm.
Meine Hörschädigung beeinträchtigt mich im Leben kaum noch und auch beim Reiten treten zum Glück meist keine Probleme auf. Mittlerweile gebe ich sogar selbst Longeunterricht für kleine Kinder und werde im Sommer meinen Trainerschein C machen.
Es gibt immer Höhen und Tiefen im Leben, aber man darf nie aufgeben und muss immer weiterkämpfen, dann kann man alles erreichen, was man erreichen will!
Sophie Dlugos
Mai 2021