Höher, schneller, stärker – gemeinsam!
Alexander Bley (30) als Weltmeister mit Cochlea Implantat
Von Michael Schwaninger
Lieber Alexander, was ist Deine Profession im sportlichen, beruflichen und im privaten Umfeld?
Im sportlichen Bereich gehöre ich seit 2013 dem Leichtathletik Nationalteam des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes an. Unterwegs bin ich dabei als Läufer über die Distanzen 1500m und 3000m Hindernis. Neben der sportlichen Karriere studiere ich an der Leibniz Universität in Hannover im Masterstudiengang Biomedizintechnik. Dort bin ich auch als studentische Hilfskraft tätig und unterstütze im Forschungs- und Studiengangkoordinationsbereich. In der Trainertätigkeit betreue ich zudem seit vielen Jahren eine Laufgruppe und arbeite auch in diesem Bereich der Leidenschaft gerne. Neben dem professionellen Sport und dem Studium ist dafür in den letzten Jahren leider nicht mehr so viel Zeit geblieben.
Privat engagiere ich mich ehrenamtlich gerne als Hörpate im Namen von Cochlear. Schon von klein auf bin ich zusammen mit meiner Mutter als junger CI-Träger zur Aufklärung und Motivation für das Tragen eines Cochlea Implantates (CI) unterwegs gewesen. Dies führe ich mittlerweile eigenständig weiter und freue mich immer wieder insbesondere Eltern von ertaubten Kindern Mut für eine Entscheidung pro CI geben zu können.
Wie und wann wurde Deine Hörstörung diagnostiziert und behandelt? Seit wann trägst Du Deine Cochlea Implantate?
Im Alter von 11 Monaten bin ich an einer Meningitis erkrankt, durch welche ich einen vollständigen Hörverlust erlitten habe. Mit 14 Monaten wurde ich 1992 als das damals jüngste Kind weltweit an der Medizinischen Hochschule Hannover von Professor Lehnhardt mit einem CI einseitig versorgt und habe danach sehr schnell wieder hören können. Zu der damaligen Zeit gab es keine Erfahrungen von Implantationen mit so jungen Kindern und insbesondere die therapeutischen Maßnahmen waren unerfahren. Ich konnte mich glücklich schätzen zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.
Gibt es wesentliche Einschränkungen, die Du im Leistungssport erlebst, wir fragen uns z.B. wie hört ein tauber Sportler den Startschuss?
Im Leistungssport starte ich im hörenden, wie auch im gehörlosen Sportbereich bei Wettkämpfen. Deshalb bezeichne ich mich da gerne umgangssprachlich als „Hybrid“. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ich im Gehörlosensport bei Wettkämpfen mein CI ablegen muss, da dies sonst zu einer Disqualifikation führen würde. Auch die Kommunikation beschränkt sich dann auf Lippenlesen und etwas Gebärdensprache. Das Startsignal wird dabei in Form eines Ampelstarts durchgeführt.
Auch während des Wettkampfes gibt es deutliche Unterschiede zum hörenden Laufen. Motivationsrufe oder auch Traineranweisungen werden dabei nicht wahrgenommen und man befindet sich komplett auf sich allein gestellt im Renngeschehen wieder. Auch die eigenen Schritte, der Atem oder die Konkurrenz werden akustisch nicht wahrgenommen. Insbesondere bei den internationalen taktischen Rennen sind das nochmal andere Herausforderungen. Ein kleiner Fehler kann einen dabei schnell den Sieg oder eine Medaille kosten.
Was möchtest Du jungen Menschen mit Hörbehinderung mitgeben, die heute ihre Sportkarriere starten?
„Wer aufgibt, der hat schon verloren“. Das ist ein Motto, dass sich durch viele Bereiche in meinem Leben gezogen hat. Das möchte ich gerne den jungen Menschen mitgeben, sich nicht entmutigen zu lassen, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Ich würde mich grundsätzlich als zielstrebigen und optimistischen Menschen bezeichnen, der immer ein Ziel vor seinen Augen hat. Das finde ich enorm wichtig, um daraus auch die notwendige Motivation für seine Vorhaben ziehen zu können.
In meinem Leben, insbesondere als CI-Träger, hatte ich auch nicht immer einen leichten Stand mit dem Hören. Vieles muss sich entwickeln, wie auch die eigene Persönlichkeit. Wenn es dann mal Rückschläge gibt, sollte man sich davon nicht zu sehr zurückwerfen lassen. Aufstehen, nach vorne schauen und optimistisch bleiben. Man gewinnt nichts, wenn man sich selbst unterkriegen lässt.
Wenn Du heute erneut vor der Frage stündest, würdest Du Dich wieder mit Cochlea Implantaten versorgen lassen?
An der Stelle möchte ich meinen Eltern den größten Dank aussprechen. Als Kind ist man nicht in der Lage eine solche Entscheidung selbst treffen zu können und zur damaligen Zeit war es für meine Eltern eine riesige Ungewissheit, wie sich mein Leben mit einem Cochlea Implantat entwickeln wird. Werde ich je wieder gut hören können? Werde ich ein normales Leben führen können und viele weitere Fragen stellten sich meinen Eltern. Es war eine sehr mutige Entscheidung, die Sie damals für mich getroffen haben. Dafür bin ich Ihnen heute sehr dankbar und würde das selbst jederzeit wieder so tun.
Ganz wichtig bei der Entwicklung des Hörens ist ebenfalls das Engagement der Eltern. Insbesondere in den ersten Lebensjahren entwickelt sich unser Hör- und Sprachverstehen immens, was sich im späteren Alter nicht mehr so gut nachholen lässt. Dann ggf. als älterer Gehörloser die Entscheidung für ein CI zu treffen, kann das Erlangen dieses Hörvermögens meist nicht mehr nachholen. Eine wirklich großartige Technik, die da erfunden worden ist.
Danke für dieses Interview Alexander Bley
Michael Schwaninger
Dezember 2021