Erfahrungsbericht (M. Adam)
Hallo liebe Leser!
Mein Name ist Meike Adam, ich komme aus Friesland, bin 32 Jahre alt und seid frühester Kindheit hörbehindert. Leider fiel diese Tatsache weder meinen Eltern, noch Freunden und Lehrern auf. Meistens hieß es, was schulische Leistungen betraf, dass ich unkonzentriert und faul wäre.
1982 stellte ein Lehrer fest, dass ich offensichtliche Hörprobleme hatte und so kam ich im Alter von 12 Jahren endlich zu zwei Hörgeräten. Ich selbst war eigentlich nur froh, dass nun die Ursache für mein „faules" Verhalten gefunden worden war.
Mit den Hörgeräten kam ich mehr oder weniger gut zurecht. Wie die meisten Träger von Hörgeräten kann auch ich bestätigen, dass das Verstehen damit in Gesellschaft bzw. mit Störgeräuschen fast unmöglich war.
Was mein persönliches Umfeld betraf, hatte ich nur wenig Probleme, da ich ein Mensch mit einer positiven Lebenseinstellung bin, der auch selbst auf andere Menschen zugeht und für den deshalb die Hörbehinderung selten ein Hinderungsgrund war. Meiner Meinung nach hat man gar keine andere Wahl, als das Beste aus negativen Lebensumständen zu machen.
Im Berufsleben sah es da etwas anders aus! Leider war ich gezwungen viele Ausbildungen abzubrechen, da ich weder sicher telefonieren konnte, noch mit Kunden zurechtkam. Diese Umstände machten mich sehr unsicher, woraufhin mir natürlich viele Fehler unterliefen.
Eine abgeschlossene Berufsausbildung habe ich nicht. Die letzten Jahre war ich in einer hessischen Kurklinik im Bereich Hauswirtschaft tätig, was für mich auch einen Ortswechsel zur Folge hatte. Während dieser Zeit lernte ich meinen Mann kennen. Er und seine Familie störten sich nicht an meiner Behinderung.
Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich auf Hilfsmittel wie Spezialwecker, eine Blitzanlage für Haus- und Telefonklingel sowie Kopfhörer für Fernsehen angewiesen war. Mein Zustand verschlechterte sich in den folgenden Jahren immer mehr. Schließlich war ich nicht mehr in der Lage zu telefonieren oder einen Film ohne Untertitel zu sehen.
Der Wendepunkt für mich kam in 2002, als mir mein Hals-Nasen-Ohrenarzt etwas von Cochlear Implantation an der Uniklinik Würzburg erzählte.
Nach etlichen Untersuchungen stand fest, dass ich für diese operative Maßnahme geeignet war. Als Termin für eine entsprechende OP wurde August 2002 festgesetzt.
Angst vor dem Eingriff hatte ich nicht, allerdings waren auch meine Erwartungen nicht allzu groß. Ich konnte mir einfach keinen erheblichen Unterschied zwischen CI und meinen bisherigen Geräten vorstellen. Vielmehr dachte ich, dass es einer Neuanpassung der Hörgeräte sehr ähnlich sein würde.
Wie sehr ich mich in diesem Punkt irrte kann ich gar nicht in Worte fassen!
Ich stand nach der Erstanpassung des Tempo+ der Firma MedEl an einem Punkt zwischen Lachen und Weinen. Zunächst einmal bleibt zu sagen, dass ich unheimlich großes Glück hatte, denn die OP war in meinem Fall gut angeschlagen.
Auf einmal hörte ich überall sehr laute und eigenartig fremde Geräusche. Ich hatte den Eindruck, als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet. Nach nur wenigen Tagen konnte ich schon Sprache verstehen, wobei der Klang aber eher an Roboter bzw. Maschinensprache erinnerte. Aber egal, das Hören mit CI funktionierte einzigartig!!
Anfangs war ich schreckhaft, denn ich reagierte plötzlich auf Dinge, die ich vorher niemals wahrgenommen hatte. Kleinste Bewegungen oder „stumme" Gegenstände wie Thermoskannen machten auf einmal Geräusche!
Mittlerweile höre ich wieder sehr feine Frequenzen, z.B. das Ticken von Uhren, das Zischen beim Öffnen einer Mineralwasserflasche, ja sogar das Ziehen an einer Zigarette verursacht Knistergeräusche. Es ist unglaublich. Das Telefonieren klappte auch schon wenige Tage nach der Erstanpassung, ebenso wie das Ansehen von TV-Sendungen aller Art, zwar noch mit Kopfhörer, aber immerhin.
Etwas mehr Probleme hatte ich beim Hören von Musik. Ich empfand - zum Teil ist das heute auch noch so – meine schönen alten CDs mit guter Rock- und Popmusik, als sehr unangenehm. Also habe ich langsam und leise mit diesen CDs trainiert. Ich hörte immer wieder die gleichen Lieder, zunächst einfache bekannte deutschsprachige Titel, bei denen ich sogar endlich in der Lage war den Text zu verstehen. Irgendwann konnte ich dann auch wieder meine übliche Musik ertragen.
Schön ist auch, dass ich mich beim Autofahren wieder ohne Blickkontakt zu meinen Beifahrern unterhalten bzw. den Nachrichten und dem Verkehrsfunk folgen kann.
Meine Hörgeräte habe ich nach der OP nie wieder getragen, da ich persönlich der Meinung war, dass diese den Lernprozeß verlangsamen und das Gehirn nur zusätzlich verwirren.
Heute würde ich nie wieder ein Hörgerät tragen wollen. Damit will ich keineswegs den Einsatz von Hörgeräten in Frage stellen, schließlich war ich 20 Jahre dankbar, dass es diese Möglichkeit gab. Für viele Menschen ist diese Methode sicherlich auch weiterhin zufriedenstellend, ich habe jedoch mit CI das „Perfekte Hören" für mich entdeckt.
Ich habe mich inzwischen sehr gut damit arrangiert. Alle Stimmen und Geräusche klingen nicht mehr fremdartig. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass ich nie andere Höreindrücke hatte. Hin und wieder muss ich allerdings noch nachfragen, da ich manche Geräusche einfach noch nicht richtig zuordnen kann, eben deshalb weil ich sie früher nie wahrgenommen habe oder weil gewohnte Geräusche mit dem Implantat ganz anders klingen.
Im Großen und Ganzen habe ich überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Das sehr gute Ergebnis der CI-Anpassung war für die zuständigen Ingenieure immerhin Grund genug, mich zu Forschungszwecken nach Innsbruck zu verweisen, wo die Firma MedEl ihren Hauptsitz hat. Ich nahm dort an mehreren Tests teil, die alle Bestandteil einer statistischen Versuchsreihe waren. Auch hier war das Ergebnis sehr zufriedenstellend.
Abschließend bleibt zu bemerken, dass ich nun mit Spannung und Freude meiner zweiten OP entgegenblicke, die hoffentlich im März 2003 stattfinden wird.
Alles Gute,
Ihre Meike Adam
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