Der Abschied von meinem Hörgerät Teil 2
Hätte ich beim Schreiben des ersten Teils schon gewusst was nach der Erstanpassung mit meinem Gehör passiert, hätte ich mich für eine andere Überschrift entschieden. Das hole ich jetzt nach:
Juchhu die Zukunft hat begonnen
Die Erstanpassung bei Herrn Pera von der Firma Cochlear war für mich ein lang erwarteter und spannender Moment. Im Beisein meiner Frau und meiner Tochter wurde der Nucleus ESPRIT 3G nach vorherigen kurzen Programmierungen endlich eingeschaltet. Das war schon ein super Gefühl, wenn nach fast 5 Monaten der Taubheit wieder Töne in das Gehirn strömen.
Noch schöner war es, wie ich die ersten Worte von meiner Frau verstanden habe. Nach weiteren kurzen Einstellungen sollten wir erst mal 1 Stunde auf dem Klinikgelände spazieren gehen.
Ich erinnere mich gut wie ich mich an der ersten quietschenden Tür richtig erschrocken habe, aber gleichzeitig fasziniert dem Schuhgetrippel auf den Treppen zuhörte. Das erste zaghafte Gespräch mit Susanne (meine Frau) war natürlich mit Nebenwirkungen wie leichtes Klingeln nach jedem Wort oder etwas metallisch hohlem Klang verbunden, aber die üblichen Roboter bzw. Mickeymaus-Stimmen blieben mir erspart. Ich konnte sofort die Stimmen meiner Familie erkennen. Um die Worte zu verstehen musste natürlich noch Blickkontakt bestehen. Es ist berauschend, wenn man hört, wie andere Menschen sich unterhalten und lachen, auch wenn man das Gesagte nicht versteht. Die Stunde war viel zu schnell um und wir mussten noch einmal zu Herrn Pera.
Im Wartebereich waren wir alleine und machten schon ein paar Wortspielchen von einer Wand zur Anderen. Herr Pera programmierte an diesem Tag noch ein zweites Programm in mein Gerät, das ich in einigen Tagen ausprobieren sollte.
Am nächsten Morgen ging ich sofort wieder zur Arbeit. Mein Personal war sehr überrascht, dass ich die normalen Sätze sofort richtig verstand. Mit meinem Vorarbeiter lief ich dann den ganzen Tag über das Betriebsgelände und habe mir alle Geräusche, soweit ich diese nicht selbst erkannte, erklären lassen. Das war ein echt lustiger Arbeitstag. Es war mir gar nicht mehr bekannt, dass eine Computertastatur klappert und eine Maus klickt.
Der Hörerfolg kam mit riesigen Schritten auf mich zu, so dass ich schon nach drei Tagen das zweite Programm aktivieren musste. Seitdem führte ich schon zaghafte Gespräche über Telefon und Handy mit meiner Frau und meinen Eltern.
Acht Tage später kam dann schon Programm 3 und 4, mit denen ich fünf Wochen trainieren konnte. Interessant war, dass ich mit dem CI in dieser Zeit Töne gehört habe, die mir fast 15 Jahre nicht mehr zu Ohren kamen. Die ganze Bandbreite der hellen Töne wie z. B. elektronische Eieruhren waren mir nicht mehr bekannt. Auch in der Gaststätte habe ich auf einmal die Leute auf der anderen Seite der Theke wieder gehört und zum größten Teil verstanden. Seltsamerweise waren aber gerade die dunklen Töne, die ich bis kurz vor Hörverlust am Besten gehört habe, nur noch schwer herauszuhören.
Frau Michels vom CIC Friedberg hat mir aber erklärt, dass die hellen Töne als unbekannte Töne dominierend wären und dass die dunkeln bald wieder von mir wahrgenommen würden.
Ich hatte vom 1. Tag an das Gefühl, wieder im Leben zu stehen. Endlich konnte ich mich wieder unter die Leute trauen. Selbstverständlich gab es und gibt es noch große Einschränkungen. Ein CI kann nun mal kein Ohr ersetzen, aber es ist ein großer Schritt in diese Richtung. Man gehört auf einmal wieder zur Gesellschaft. Hätten meine letzten Hörgeräte annähernd die Leistung gebracht, wie mein CI, wäre mir in den letzten Jahren manches leichter gefallen.
Gut zwei Monate nach Erstanpassung gehörte das Hören fast schon wieder zur Normalität. Ich musste meiner Familie aber noch ständig sagen, dass sie nicht so laut reden und vor allem mich nicht erst anstoßen soll, wenn sie mir etwas mitteilen wollte. Das Telefonieren mit Bekannten und Verwandten klappte auch schon ganz gut, nur bei Fremden bekam ich noch Schweißausbrüche und wurde nervös. Dann versteht man natürlich nichts mehr. Aber das war nur noch eine Frage der Zeit……!
Ich bin froh, mich für eine Reha-Maßnahme in Friedberg entschieden zu haben, weil man dort nicht nur das Ohr trainiert, sondern auch, dass man lernt daran zu glauben, was man hört.
Man merkt beim Hörtraining auch am schnellsten, wo die Schwächen liegen und was man trainieren muss. Ich habe mir die CD Hörtraining 2 besorgt und die ganzen Texte in MP3 umgewandelt. So kann ich mit einem kleinen MP3-Player Hörtraining durchführen. Ich habe auch schon versucht mir das Hörbuch „Der kleine Prinz" anzuhören, aber das war noch zu schwierig. Ich muss aber auch gestehen, dass ich mir viel mehr Zeit zum Hörtraining nehmen müsste, nur hat man(n) nach Feierabend und familiären Pflichten meist keine Lust mehr.
Ich habe jetzt fast zwei Monate das CI und schon vor acht Wochen habe ich Michael Schwaninger den zweiten Teil meines Berichtes versprochen. Er möchte mir bitte verzeihen, dass es noch so lange gedauert hat, aber es gab ständig Neuigkeiten, die ich gerne noch mit in diesen Text eingeflochten hätte. Es ist fast unmöglich, alles an die Leser so „rüberzugeben", wie man es gerne möchte.
Die Hörtests in Friedberg sind viel versprechend und beim Verstehen von Zahlen komme ich auf 99 %. Bei den Einsilbern auf 40 – 50 %. Auch das Telefonieren fällt mir immer leichter. Aber ich benutze immer noch am liebsten den Telefonschalter von meinem Nucleus ESPRIT 3G. Leider geht das nur mit analogen Telefonen, aber in der Regel steht noch auf jedem Schreibtisch ein solches Gerät. Die digitalen Telefone muss man einfach ausprobieren. Es gibt welche mit guten und schlechten Klangqualitäten. In der Regel bin ich aber bis jetzt mit Siemens-Telefonen und Handys gut zurecht gekommen.
Bei einer Fastnachtssitzung im Februar hatte ich Anfangs noch etwas Probleme um die Büttentexte zu verstehen. Aber nach einiger Zeit habe ich bemerkt: wenn man die Lautstärke ganz heruntersteuert, kann man die Worte in einer so großen Halle sehr deutlich verstehen. Somit war ich auch mal wieder in der Lage über Büttenreden zu lachen.
Die großen Erfolge haben mich aber auch in meinem Entschluss bestärkt, die zweite Seite in Angriff zu nehmen. Nachdem ich in der Uni Frankfurt noch einige Tests über mich ergehen lassen musste, konnte ich den Antrag Ende Februar bei der Krankenkasse einreichen.
Natürlich bin ich mir im klaren, dass dieser Antrag erst einmal abgelehnt werden könnte. Aber da ich durch meinen Beruf mit vielen Störgeräuschen zu tun habe und auch in die Ruf- und Arbeitsbereitschaft nachts und am Wochenende integriert bin, benötige ich dringend ein zuverlässiges zweites Ohr. Auch aus medizinischer Sicht gibt es keine Einwände. Aus diesen Gründen werde ich den langen Kampf mit der Krankenkasse nicht scheuen. Natürlich werde ich mich dann wieder hinsetzen und Ihnen alles so gut wie möglich berichten.
Frau Michels in Friedberg hat jetzt, Ende März, wieder mein Programm überarbeitet. Ich höre morgens die Vögel zwitschern und freue mich auf die anderen Frühlingsgeräusche.
Im Sinne meiner zweiten Überschrift wünsche ich allen CI-Trägern und den künftigen viel Erfolg und gutes Hören.
Friedhelm van Koeverden
Das Foto entstand im Januar 2004 bei einer Veranstaltung des CIV HRM auf der ich mich sehr angeregt über mein neues Hören unterhielt und nicht mal wahrnahm, daß Michael Schwaninger mich grade samt Familie fotographierte :-)
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Stand: 22.03.2004
Das Foto entstand im Januar 2004 bei einer Veranstaltung des CIV HRM auf der ich mich sehr angeregt über mein neues Hören unterhielt und nicht mal wahrnahm, daß Michael Schwaninger mich grade samt Familie fotographierte :-)
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