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Erstanpassungsbericht

Hallo Leute!
 
Isch bin der Machtien, den einige evtl. schon aus dem HCIG-Forum sowie aus dem Pinboard des Schwerhörigennetzes kennen. Ich stamme aus einer SH-Familie, d.h. Schwerhörigkeit ist bei uns genetisch bedingt, wird jeweils von einem Elternteil auf die Kinder vererbt. Die Schwerhörigkeit hält sich in jungen Jahren noch in Grenzen. Ab einem Alter von ca. 35 Jahren geht es rapide „bergab". Bei einigen, wie bei einem meiner Brüder, tritt die Schwerhörigkeit auch schon im Kindesalter auf. Bei mir stellte sich ab 1984 zunächst leichte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr ein. Nach einiger Zeit konnte ich damit nicht mehr telefonieren. 
 
Das rechte Ohr folgte dann ca. 2 Jahre später. Es war deprimierend. Kein Telefon mehr, Musik nur noch aus dem Kopfhörer. Das Sprachverstehen nahm rapide ab, also: Hörgeräte beidseitig. Für mich als reinen Kontaktmenschen war es anfangs schwierig, auf die Menschen zuzugehen. Es hat sich später aber wieder weitgehend normalisiert, so dass ich auch heute mit Freunden und Bekannten, die ich teilweise schon mehr als 20 Jahre kenne, in regem Kontakt stehe. Es kommen jetzt auch immer noch welche dazu.
 
Über das CI hatte ich das 1. Mal vor ca. 10 Jahren gehört bzw. in der Zeitung gelesen, damals war ich noch mittelgradig schwerhörig, was sich dann im Laufe der Zeit verschlechtert hat. Einer meiner Freunde sagte: „Das wäre doch auch was für dich." Nur steckte das noch in den Anfängen und ich hatte da meine Zweifel. Ich sagte: Warten wir erst mal die Entwicklung ab. Ich habe das dann zunächst nicht mehr weiterverfolgt, bis ich 1997 bis 2000 eine berufliche Rehabilitation absolviert habe, und zwar in Hamburg im Berufsförderungswerk in einer Schwerhörigengruppe. 
 
Damals hatten sich zwei, drei Leute aus der Gehörlosengruppe, mit denen wir natürlich in Kontakt standen, implantieren lassen. Da hatten mich zwei Dinge abgeschreckt: Die riesige Narbe am Kopf und die Verkabelung für den Taschenprozessor. Ich sagte mir: „Nee! So läufste nicht herum!" 
 
Zurück in Köln. Ich absolvierte ein mehrwöchiges Berufspraktikum für SH. Da sah ich bei einem Kollegen das erste Mal einen HdO-Prozessor. Keine Riesennarbe mehr am Kopf. Trotz meiner mittlerweile 90% GdB konnte ich mich noch nicht dafür entscheiden. Im Hinterkopf blieb das CI aber „haften". 
 
Die Wende kam, als ich frisch ins Schwerhörigennetz-Pinboard „reingeflattert" bin und irgendwann das CI zur Sprache kam. Die DiskussionsteilnehmerInnen hatten natürlich mehr Ahnung als ich und ich konnte daher viele Informationen, die ich bisher nicht hatte, in meine Entscheidung pro oder contra einbeziehen. Irgendwann gab mir der Manfred dann den Tipp, mal ins HCIG-Forum reinzuschauen und meinen „Landsmän" Peter zu kontaktieren, der auch in Köln implantiert wurde. Nachdem ich mit dem Peter ein persönliches Gespräch führen konnte, fiel dann die Entscheidung innerhalb von drei Tagen. Pro.
 
Zunächst folgte aber erst ein Gespräch mit meiner Frau. Die habe ich damals übrigens kennen gelernt, als ich schon hochgradig schwerhörig war, daher kann sie sich sehr gut auf mich einstellen. Die Besprechung verlief positiv und als ich dann endlich den VU-Termin hatte, drückte sie mir die Daumen, dass für mich ein CI möglich wäre. Es war ja auch als Hörende eine Belastung für sie, die ganze Zeit lauter sprechen müssen, Geduld zu haben, aufzuschreiben, wenn etwas nicht in meinem Sprachverstehenssektor ankommen wollte etc. 
 
Nachdem die VU ein erfolgreiches Ergebnis gebracht hatte, naja, teilweise, weil der linke Hörnerv tatsächlich geschädigt ist, folgte dann die Befundbesprechung eine Woche später. Auch da war nicht alles so einfach. Ich hörte also, dass nach der Implantation auf dem rechten Ohr möglicherweise kein Hörgerät mehr benutzt werden kann - was ja auch tatsächlich eingetreten ist- und ich nur noch auf dem linken Ohr noch Hörgerät tragen kann. 
 
Also rechts: Vollkommen taub, kein Restgehör mehr, das musste man erst mal verkraften... 
Ich entschied mich dann aber noch keine Minute später für die OP und fiel fast vom Stühlchen, als mir die Ärztin den OP-Termin schon eine Woche später vorschlug. Ich dachte: Bringen wir's hinter uns... Zu Hause angekommen, teilte ich das meiner Frau mit, die sofort ziemlich aufgeregt war. Tenor: "Das muss ich erst mal verkraften! Soooo schnell..." 
 
Am Mittwoch, dem 12. November war es soweit: Einchecken in der Klinik. Abends kam dann noch der Peter zu Besuch, wahrscheinlich und insbesondere aus Gründen der moralischen Unterstützung... 
 
Noch was Untersuchungen, Donnerstag um 8:15 Uhr gings ab auf die "Schlachtbank". Reichlich Gewusel im OP, 100 Krankenschwestern, Narkoseärztin und was weiß ich wer noch alles. Kleiner Pricks in die rechte Hand, und wech war ich! 
 
Später. Ich wache aus der Narkose auf, 2 Schwestern um mich herum. Schwerer Kopf, dick verbunden und ein tierischer Tinni, lauter als alles, was ich vorher miterlebt habe. Den war ich aber in Kürze wieder los, und zwar waren die Schwestern nicht ganz "unschuldig" daran. Die fragen mich nämlich beinahe gleichzeitig: Hamse Schmerzen? Ich: "Nee!" Da kam bei mir der Peng-peng-Effekt auf: "Peng-Peng! Ich komme grad ausse Narkose und da fragen die mich ob....; huhuuu!" Das hat für reichlich Ablenkung gesorgt und der Tinni war vorläufig weg. Der kam vehement zurück, als ich wieder im Zimmer war und versuchte, den Kopf ein bissel zu bewegen. 
 
Also hielt ich die Birne erstmal ruhig und versuchte etwas zu schlafen. Abends um 23 Uhr dann schon die ersten Gehversuche. Reichlich schwankend, und ich konnte mich an einer nicht ganz so hübschen Krankenschwester festhalten... Der Gleichgewichtstest bei der VU hatte also seinen Sinn! Nächsten Morgen das gleiche Spiel, aber dann bis zum WC und wieder zurück, 2 Mal. Das dritte Mal lief ich dann selber ohne Begleitung, mit der Hand am Flurgestänge und gaaanz langsam! 
 
Freitag kam dann nochmal der Peter zu Besuch, um mein groilisches Gesicht mit den Verbänden zu betrachten. Samstag war dann meine Frau da und hat die Station auf Vordermän gebracht. Die diensthabende Ärztin war bald selber reif für'n Krankenbett... 
 
Sonntag durfte ich dann schon nach Hause. Aus Gründen des "Kerlduschaffstdasschon" bin ich mit Bus und U-Bahn gefahren und auch unfallfrei nach Haus gekommen. Schwindlig wars mir unterwegs aber auch noch, wenn auch nicht mehr allzu stark. zu Hause vorsichtige Begrüßung und dann ab inne Heia. 
 
Vier Wochen Wartezeit auf den SP. Die OP-Narbe verheilt relativ schnell, leichter Druck am Kopf, wo das Implantat sitzt. Naseputzen verboten, Haarewaschen ganz vorsichtig (den schmierigen Jod hatte ich erst nach einer Woche rausbekommen, groilisch!). Nach einer Woche Pause wieder zur Arbeit, mit nur dem linken Hg an, mit dem ich sowieso schon immer schlechter gehört habe. Kollegen mussten verstärkt aufschreiben, alles kein Problem! 
 
Dann der Tag X: Erstanpassung. Unser Audiologe packt das Weihnachtsgeschenk aus, mein funkelnagelneues Esprit 3G samt Starterkit. Laptop aufgeklappt, Kabel rein und mit dem SP verbunden. 
 
Dann kamen Töne, RICHTIGE TÖÖÖÖNE!!! Brummen, Piepen, Klackklackklack, mal laut, mal leise. 
 
Er fuhr mit dem Fingernagel über die Tischplatte: Gehört! War vorher nie der Fall! Er hat geatmet, ich auch, alles zu hören, Töööne! Ich war vom Hocker, könnt ihr mir glauben! Dann kam die Sprache. Er fing an zu sprechen, aber nicht langsam, aber ich konnte das meiste mitverfolgen, weil er eine tiefe Stimme hat. Seine Mitarbeiterin habe ich da schon schlechter verstanden. 
 
Dann gings zurück zur Arbeit. Ein Chaos! Aus der Werkstatt unter meinem Büro Geräusche, in meinem Büro Geräusche, laufendes Radio, hereinplatzende MitarbeiterInnen. Ich war abends total geschafft und müde. Kopfschmerzen waren auch da. Bei jedem Geräusch fing es dann auch noch an zu piepen. Dann kam noch einer meiner Freunde bei uns zu Besuch, und ich hatte Mühe, den zu verstehen, weil noch nebenher Musik lief und meine Frau ihren Schnabel auch nicht halten konnte, was weiter nicht verwunderlich ist... :o) 
 
Die Tage danach. Ich nahm erst mal frei für den Rest der Woche. Es wurde einfach zuviel und zu Hause hatte ich es ruhiger. Ich hörte plötzlich das Maunzen unserer Katzen, jedes kleine Gekratze, jedes Gepolter meiner Frau aus dem Nebenzimmer. Nur die Sprache war zu leise, kam aus dem Hintergrund. Jedenfalls kam das bei mir so rüber. Meine Frau musste dann auch so laut und langsam wie bisher sprechen, vor allem, wenn nebenbei noch der Fernseher lief. 
 
An die vielen neuen Geräusche musste ich mich erst einmal gewöhnen. Dazu gehören Atemzüge, das Ticken einer Uhr, das Klicken des Blinkers im Taxi. Einfach überwältigend für den Anfang!
 
Mittlerweile war ich zum Nachjustieren beim Dipl.-Ing. Das Gepiepe ist weitgehend abgestellt, die Sprache kommt etwas klarer rüber, die Nebengeräusche stehen nicht mehr so im Vordergrund. Trotzdem wird es noch einige Zeit dauern, bis die optimalen Einstellungen gefunden sind. Da heißt es: Übe dich in Geduld...
 
An dieser Stelle möchte ich mich zum Schluss für die vielen Tipps und für die Unterstützung aus dem HCIG-Forum sowie aus dem Pinboard, bedanken. Ich hoffe auch, mein Erfahrungsbericht hilft denen, die ein CI in Erwägung ziehen, bei ihrer Entscheidungsfindung weiter.
 
Herzliche Grüße
Martin aus Köln
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