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Hören und Leben vor und mit CI

Um vom Hören mit CI zu berichten, möchte ich zunächst erwähnen, wie das Hören vor dem CI war.


Ich habe bis zu meinem 37. Lebensjahr gut gehört, bin mit 6 Jahren in den Kinderchor des Hessischen Rundfunks aufgenommen worden und sang später im Jugendchor und Figuralchor bis zu meinem 25. Lebensjahr. Diese Zeit war geprägt von öffentlichen Auftritten wie Konzerten, Hörfunkaufnahmen, Fernsehsendungen, Werbung im Rundfunk und Konzertreisen. Meine Schulzeit verbrachte ich , was das Hören angeht, völlig unauffällig. Ich machte das Examen als Kinderkrankenschwester und arbeitete 33 Jahre in diesem Beruf, u. a. 10 Jahre davon als Gemeindeschwester. Seit 1975 bin ich verheiratet und habe zwei Töchter.


Mit 37 Jahren fiel mir im Auto auf, dass ich meine Töchter zwar sprechen hörte, aber nicht genau verstand, was sie sagten. Unmittelbar darauf bekam ich nach einem anstrengenden Dienst im Krankenhaus meinen 1. Hörsturz in Kombination mit Tinnitus. Der von mir sofort konsultierte HNO-Arzt bestätigte nach dem Hörtest einen mittelgradigen Hochtonverlust (Innenohrschwerhörigkeit). Auch nach mehreren Infusionen verbesserte sich mein Hörstatus nicht.


Erwähnenswert wäre auch, daß ich 1980 während meiner 2. Schwangerschaft wegen einer blutigen Blasenentzündung Neomycin erhalten habe, welches bekannterweise ototoxisch wirken kann.


Bis zu meinem 50.Lebensjahr hatte ich insgesamt 8 Hörstürze und mittlerweile Tinnitus auf beiden Ohren. In diesen 13 Jahren habe ich eine wahre Odyssee erlebt. Alle erdenkbaren Therapien verliefen erfolglos. Aufgrund des progredient verlaufenden Hörverlustes wuchsen meine Ängste vor einer möglichen Ertaubung bis ins Unermessliche. Ich bekam Depressionen und konnte mich an fast nichts mehr im Leben erfreuen. Immer stand der hochgradige Hörverlust im Vordergrund. Auch die Versorgung mit den besten volldigitalen Hörgeräten stießen immer mehr an ihre Grenzen. Im Beruf hatte ich zunehmend Angst, ans Telefon zu gehen, um einem möglichen Missverständnis zu entgehen. Ich war immens froh darüber, wenn ich mich mit Kolleginnen und Kollegen arrangieren konnte. Sie gingen für mich ans Telefon und ich übernahm die Arbeit am Patienten. Aber diese Taktik funktionierte leider nicht immer.


Nach einer Reha 1999 in St. Wendel war es für mich unmöglich, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren, zu groß war der Hörstress im Krankenhaus. Auf Anraten der Reha-Klinik versuchte ich die Möglichkeit einer Umschulung auszuloten. Aufgrund meines Alters gab man mir aber bald den Rat, einen Erwerbsunfähigkeitsantrag zu stellen. Dies tat ich dann auch und wurde im Mai 2000 berentet. Bis 2007 hoffte ich, dass sich mein Gehör vielleicht doch etwas verbessern würde, aber im Gegenteil, es hatte sich bis dahin an Taubheit grenzend verschlechtert. Ich beantragte bei meiner Krankenkasse eine Reha in St.Wendel/Saarland, um eine Entscheidung pro oder contra CI treffen zu können. In der HNO-Uniklinik Homburg/Saar wurde ich vor untersucht und das Ergebnis lautete: ich war ein Kandidat für ein CI.


Der OP-Termin wurde für Januar 2008 festgelegt. Unmittelbar nach der OP hatte ich extrem starken Tinnitus auf dem operierten Ohr, welcher sich glücklicherweise nach einigen Tagen erträglicher gestaltete. Ich hatte weder Schwindel noch Trigeminusbeschwerden, lediglich ein Hämatom hatte sich hinter dem Trommelfell gebildet, welches sich im Laufe der nächsten Zeit resorbierte. 4 Wochen nach der OP erhielt ich die Sprachprozessoranpassung und die 1. Einstellung. Ungewohnt waren die zusätzlichen Töne, die ich hörte und meine eigene Stimme klang, wie wenn ich ins Telefon sprechen und sie wieder zurückkommen würde, als so eine Art von Nachhall. Ich hörte bereits nach kürzester Zeit Geräusche, die ich schon lange nicht mehr vernommen hatte, z. B. Vogelgezwitscher, den Blinker im Auto ticken, das Plätschern des Regens auf dem Autodach oder auf dem Regenschirm, usw. Nach erneuten Einstellungen des Sprachprozessors und Hörtrainings jeweils im Abstand von 14 Tagen, begann ich Anfang April also 3 Monate nach CI-OP, die stationäre Reha in der Bosenberg-Klinik St. Wendel. Diese Klinik war mir gut bekannt und ich fühlte mich dort sehr wohl und in jeder Hinsicht professionell betreut. Am Tag nach meiner Ankunft wurden die Eingangshör- und Sprachtests gemacht und mein damaliger Hörstatus ermittelt. Die für mich zuständige Ärztin legte den vorläufigen Wochen-plan fest. Es war ein sehr straffes Programm, bestehend aus Einzel - und Gruppenhörtrainings, welche von einer Logopädin begleitet wurden, parallel dazu Computer-Hörtrainings. Sport -und Entspannungstechniken nahmen ebenfalls einen großen Stellenwert ein. Der Sprachprozessor wurde nach Bedarf einer Feinanpassung unterzogen. Sehr wichtig war in dieser Phase der Reha, dass kein Hörgerät auf dem anderen Ohr getragen wurde, um das Hören mit CI zu trainieren. Erfreulicherweise wurden mir insgesamt 6 Wochen Reha genehmigt. Nach 3 Wochen Aufenthalt fand ein erneuter Hör- und Sprachtest statt, um den aktuellen Hörstatus zu ermitteln, ebenfalls nach Beendigung der gesamten Reha. Es wurde ausgesprochen deutlich, welche enormen Verbesserungen während dieser Zeit das Hören mit CI machte. Das Telefonieren mit CI war für mich persönlich ein ganz besonderes Ziel, welches ich mir gesteckt hatte! Zusammen mit der Geduld meiner Logopädin und meinem Ehrgeiz schaffte ich es, am Ende meiner Reha mit CI telefonieren zu können. Ich kaufte mir sogar ein Handy. Auch das Hören und Verstehen im Störlärm war sehr wichtig und ist es noch heute. Wenn Probleme mit dem Hören mit CI auftreten, dann doch vermehrt in Verbindung mit Störlärm. Es ist zwar möglich, ein geräuschreduziertes Programm auf dem Finetuner einzustellen, aber anstrengend ist es in den meisten Fällen trotzdem. Gewöhnungsbedürftig ist auch das CI-Hören im Flugzeug, da dort die Nebengeräusche sehr laut sind. Auch hier ist es von Nutzen, die Empfindlichkeit mithilfe des Finetuners zu verändern. Das Musikhören ist nach meiner persönlichen Erfahrung angenehmer in Konzertsälen oder in der Oper, als im Radio oder im Fernsehen. Allerdings verbessert sich dies auch im Laufe der Zeit, indem man immer wieder übt und evtl. auch FM-Anlagen gelegentlich zu Hilfe nimmt.


Durch meine persönliche Erfahrung muss ich immer wieder betonen, dass auch noch nach 2 Jahren CI-Hören Erfolge erzielt werden können. Man darf sich nur keinen schwierigen Hörsituationen entziehen, sondern muss sich ihnen stellen. Ich möchte mein CI keinen Tag mehr missen. Es hat mir eine neue Lebensqualität eröffnet und ich bin sehr dankbar dafür.


Mittlerweile habe ich mich für das 2. CI auf dem rechten Ohr entschieden. Die anstehenden Voruntersuchungen wurden in der HNO-Universitätsklinik Frankfurt/Main bereits vorgenommen. Sollte die Krankenkasse den Antrag genehmigen, so wird der OP-Termin am 14.06.10 stattfinden. Für mich wäre dies ein ganz persönlicher Beitrag für den diesjährigen 5. Deutschen CI-Tag!

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