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Akustische Wiedergeburt oder: Mein Leben mit Sprachprotz

Seit Ende April bin ich nun „online“ und auf die vielgestellte Frage, wie ich mit dem elektronischen Weltempfänger hinter'm Ohr zurecht komme, antworte ich gern: „CI? - Meine akustische Wiedergeburt!!“
 
Ganz in diesem Sinne will ich mein „Neugeborenes“ nun genauer unter die Lupe nehmen. Die ersten Tage, die wir gemeinsam verbrachten, waren äußerst amüsant: Ob Menschenstimmen, vorbeifahrende Autos, PC-Tastatur... -mein „Baby“ piepte und klingelte fröhlich :-) Der anfängliche Klangbrei differenzierte sich jedoch in Windeseile: schon nach etwa einer Woche bemerkte ich, dass sich erste Wörter formten. Ein überwältigendes Gefühl -ich konnte Sprache hören und verstehen ohne abzusehen! Als fortschreitend Schwerhörige hatte ich zuletzt nur noch mit den Augen hören können, musste jedem Gesprächspartner angestrengt auf den Mund starren, um jeden verstandenen Buchstaben ringen. Und nun kamen die Wörter wieder zu mir und mein Ohr erwachte aus der Sprachlosigkeit.
 
Klickernde PC-Tastaturen, quietschende Autoreifen, plärrende Kleinkinder, Piepsen beim Registrieren der Ware an der Supermarktkasse, helles reines "Pliiiiiing" beim Anstoßen von Gläsern auf Geburtstagsfeiern, das Zischeln einer Tiefkühlpizza auf heißem Backblech...- Simple Alltagsgeräusche - für Normalhörende. Für mich eine einzige spannende Entdeckungsreise. Und getreu dem Motto aus Kindertagen „Wer, wie, was - der, die, das - wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm..“ fragte ich meiner Umwelt Löcher in den Bauch, wenn ich ein Geräusch nicht gleich identifizieren konnte... An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Gelöcherten für die mir entgegengebrachte Ausdauer :-)
 
Anfang Juli ging's zum stationären Hörtraining nach Bad Berleburg. In täglichen Gruppen- und Einzelsitzungen wurde das Feinlauschen geschult - mit akustisch anspruchsvollen Texten und doch auf eine lockere, unterhaltsame Art. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein beachtliches Sprachverstehen, aber ans Telefonieren traute ich mich noch nicht so recht. Dank der sanften Überzeugungskraft meiner Logopädin habe ich es eines Tages doch gewagt: ich griff zum Hörer und rief meine Mutter an... Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang fremd und elektronisch, doch ich konnte sie VERSTEHEN! Für mich war das ein sehr bewegendes Erlebnis.
 
Während der Reha bestand auch die Möglichkeit, verschiedene CI-Einstellungen zu testen. Da sich Musik immer noch recht grob anhörte, fragte ich meinen Techniker, ob sich da nicht ein spezielles Programm entwickeln ließe. „Haben Sie ihre Lieblings-CD'S hier? Bringen Sie sie mit, wir probieren dann mal etwas aus...“ Mit Norah Jones' „Feels like home“ im CD-Player, einem parallel dazu an den Computer angeschlossenen Sprachprozessor und klopfenden Herzens erlebte ich dann wenige Minuten später, wie mein bis dato recht unmusikalisches CI den mir von früher vertrauten Klänge immer näher kam. Musik hat in meinem Leben stets eine große Rolle gespielt. Durch die fortschreitende Schwerhörigkeit hatte ich sie fast verloren und nun wurde sie mir zurückgeschenkt. Freudentränen habe ich geweint in diesem Moment!
 
Am Ende der Reha standen die obligatorischen Hörtests an. Besonders das Hören im Störschall und mein Einsilberverstehen hatten sich innerhalb der 5 Wochen signifikant gesteigert. Und während früher allein der Gedanken an Audiogramm & Co. Schweißausbrüche und Fluchtideen bei mir ausgelöst hatte, hatte ich nun richtig Spaß dabei, denn mit diesen Daten lässt sich der Hörfortschritt „Schwarz auf Weiß“ dokumentieren. Natürlich merke ich, dass ich im Alltag akustisch immer besser zurechtkomme. Wenn ich anderen Menschen erklären will, wie sich das Sprachverstehen mit CI gebessert hat, sind Zahlen jedoch einfach anschaulicher als die doch recht schwammige Aussage „Ich höre jetzt viel besser“. Natürlich tun sie auch dem Selbstbewusstsein gut :-)
 
Wenn ich mein CI zu Beginn als „akustische WiederGEBURT“ bezeichnet habe, muss das „Kind“ natürlich noch einen entsprechenden Namen bekommen. Die Wahl fällt nicht schwer: Offiziell abgekürzt wird das kleine Wunder ja mit „Sprachproz.“ = Sprachprozessor... Flugs einen Buchstaben ergänzt und schon habe ich meine ganz persönliche Version: den Balken hinter'm Ohr nenne ich jetzt liebevoll „Sprachprotz“! :-)
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