Skip to main content

Tausche Restgehör gegen CI

Vorgeschichte

Ich bin 26 Jahre alt, als Kind war ich gut hörend. Aus unbekannter Ursache (evtl. durch Masern-Erkrankung) sackte mein Hörvermögen schleichend progredient immer weiter ab. Als ich 14 war, bekam ich Hörgeräte verordnet. Es dauerte, bis ich die akzeptieren konnte…
 
Anfang 2001 bekam ich von meinem HNO-Arzt Infomaterial über CI, weil ich wegen meiner Schwerhörigkeit sehr niedergeschlagen war. Schon vorher hatte ich von dieser Technik gelesen. Ich wusste also bereits, dass es so etwas gibt. Dann habe ich mich aber ausführlicher informiert. Und: Ich war fasziniert von dieser Technik, aber es hat mir auch Angst gemacht. Außerdem habe ich mir gesagt: „Das ist sowieso nichts für mich, ich bin ja noch nicht taub!“ 
 
Also habe ich das Thema CI wieder verdrängt. Aber es kam mir immer wieder in den Sinn, wenn ich verzweifelt war und meinte, die Probleme durch meine Schwerhörigkeit nicht weiter ertragen zu können. Mein HNO-Arzt hat mir geraten, wenigstens mal die Voruntersuchung machen zu lassen. Aber allein davor hatte ich große Angst. Ich ließ mir einen Termin für Sommer 2002 geben, aber ich sagte wieder ab. Ich war noch nicht so weit. Außerdem machte ich im Mai/Juni 2002 eine Reha in Bad Grönenbach, und das setzte eine große positive Veränderung in Bewegung. Ich lernte, besser mit der Schwerhörigkeit umzugehen und sie zu akzeptieren. Nach der Reha machte ich große ‚Sprünge’, mir ging es richtig gut mit meiner ‚neuen Identität’. Auch technisch habe ich mich besser ausgestattet: Beantragung einer MicroLink FM-Anlage. Diese brachte Erleichterung der Kommunikation. Also rückte die Auseinandersetzung mit dem CI wieder in die Ferne (obwohl ich in Bad Grönenbach auch schon auf CI hingewiesen wurde).
 
Mit dem Hören ging es aber weiter bergab, ich war entsetzt darüber. Meine Hörgeräte allein waren inzwischen viel zu schwach, also habe ich neue, richtig starke Power-Geräte bekommen. Ich habe mir gesagt: „Ich will erst alles technisch mögliche austesten, bevor ich mich für CI entscheide.“ Die neuen Hörgeräte + MicroLink brachten in manchen Situationen schon viel. Aber ich stellte fest, dass das VERSTEHEN trotzdem sehr schwierig blieb. Meine Ohren verzerrten vieles, und ich verstand praktisch nur noch mit Absehen. 
 
Wieder bin ich mehr und mehr in Trauer versunken über das verlorene Hören. Mein HNO-Arzt sagte mir immer wieder, dass wirklich nicht mehr viel ‚verwertbares’ Resthörvermögen da ist und dass ich doch nun nach Hannover zur CI-Voruntersuchung fahren sollte. Nach langen Überlegungen entschloss ich mich, das auch zu machen. Denn ich wollte endlich Gewissheit haben, ob CI bei mir schon möglich ist oder nicht. Ich war eigentlich fest davon überzeugt, dass ich für CI noch nicht in Frage komme, weil ich das Restgehör für ‚zu gut’ hielt. Im Februar 2004 fuhr ich dann nach Hannover zur Voruntersuchung. Und siehe da: Ergebnis war, dass ich doch schon für CI geeignet bin! Ich war vollkommen verblüfft und durcheinander. Was nun??
 

„Soll ich oder soll ich nicht?“...

Es folgten Monate mit großen Zweifeln. Auch sonst gab es viele Tiefschläge (im privaten Bereich). Wie das so ist im Leben: Manchmal kommt alles auf einmal… – Die Sache mit dem Restgehör hat mich in eine tiefe Krise gestürzt. Immer wieder habe ich gedacht: „Ich höre doch noch soo viel…“ Das Problem ist eben, dass man schlecht einschätzen kann, was einem akustisch alles fehlt, wenn man schon relativ lange schwerhörig ist. Ich habe mich gefragt: „Überschätze ich mein Restgehör oder ist es wirklich so schlecht? Was ist denn nun wahr??“ Grübel, grübel… Jedenfalls war im Ton-Audiogramm schwarz auf weiß ein Hochtonsteilabfall zu sehen (bei beiden Ohren fast gleich): Im Tieftonbereich noch relativ gute Hörreste, im Hochtonbereich praktisch nichts mehr. Daher kam auch die Sprache meist nicht mehr rüber. Einsilberverstehen erreichte ich nur noch bei großer Lautstärke.
 
Die Auseinandersetzungsphase war schlimm und hat mich sehr belastet, teilweise war ich kurz vor dem Durchdrehen… Ich habe mich öfter dabei ertappt, wie ich mein Hörvermögen selbst getestet habe. Manchmal habe ich mir dann gesagt: „Das hättest Du doch gar nicht hören dürfen, das ist wieder zu gut für CI…“ Mal dachte ich, ich höre/verstehe noch ganz gut, und dann wieder nicht. Es schwankte hin und her. Aber ich musste mir doch eingestehen, dass es in den meisten Fällen nicht mehr gut klappte. 
 
Da inzwischen der OP-Termin feststand, wollte ich nicht mehr absagen. Denn ich war mir sicher: „Irgendwann werde ich mich sowieso für CI entscheiden. Wenn ich den Termin absage, schleppe ich die Belastungen nur weiter mit mir herum. Das wäre nicht gut.“ Auch wenn Zweifel und Ängste blieben – ich entschied mich, JETZT die Chance zu nutzen, die das CI bringen kann. Ich war es leid, mich so weiter durchzuschlagen.
 
Ohne die Unterstützung von Freunden und Bekannten hätte ich diese Zeit wohl nicht durchgestanden. Eine große Hilfe war auch der Austausch mit anderen CI-Trägern und das Diskussionsforum der HCIG. Ich war bestens informiert. Dass mir auch von ärztlicher Seite aus gute Chancen gegeben wurden, hat mich beruhigt.
 

OP-Zeit

Kurz vor der OP gab es noch einige Turbulenzen. Ich hatte befürchtet, eine Grippe auszubrüten. Aber das waren zum Glück wohl nur Symptome von Aufregung. Die Fahrt nach Hannover am 22. September 2004 war voller Hindernisse: Erst hatten wir eine Panne, und danach steckten wir im Stau fest. Aber irgendwann kamen wir doch noch an. Dann wurde es richtig hektisch, da noch einige Untersuchungen und Gespräche betreffend der OP anstanden.
 
Am nächsten Tag (Donnerstag, 23. September) wurde ich um 11 Uhr aus dem Zimmer geschoben. Nach 17 Uhr war ich zurück. Eine lange Zeit… Der Eingriff selbst hat 3,5 Stunden gedauert. Es lief alles erfolgreich und ohne Komplikationen. Ich bin mit einem Nucleus-CI im Kopf (links) wieder aufgewacht. Sehr erleichtert war ich, als ich festgestellt habe, dass mein Gesichts- und Geschmacksnerv in Ordnung waren, dass mir nicht übel war und dass die Bilder an der Wand hängen blieben (sprich: kein schlimmer Schwindel – jedenfalls nicht im Liegen). Allerdings wurde mir bei bestimmten Kopfbewegungen schwindlig. 
 
Ziemlich heftige Schmerzen haben sich erst später eingestellt, und ich hatte ein Stechen im Kopf. Es war schwierig, den Kopf in eine angenehme Lage zu bringen. Halswirbelsäule und Kiefer taten ebenfalls weh. Was mir auch zu schaffen gemacht hat und immer noch da ist, sind extreme Tinnitus-Attacken. Aber vorher hatte ich ja auch schon Tinnitus, dadurch hat es mich nicht unvorbereitet getroffen. Ich habe die merkwürdigsten Geräusch-Konzerte im Ohr: Von einem Dröhnen bis zu Bohrmaschinen-Krach (das bisherige Pfeifen ist natürlich auch noch da). Außerdem ‚klackt’ es. Aber das wird sicher auch zurückgehen. Jedenfalls bin ich froh und dankbar, dass alles gut gegangen ist und ich weiter keine Beschwerden hatte.
 
Das Restgehör ist weg, ich bin auf dem implantierten Ohr taub. Davor hatte ich vorher so große Angst. Aber nun, wo es eingetroffen ist, nehme ich es eigentlich relativ locker. Das heißt, manchmal schockiert es mich schon… – Da mein Hörvermögen vorher auf beiden Ohren fast gleich war, ist es ungewohnt, nur mit einem Ohr hören zu können. Ich stelle fest, dass das Richtungshören ‚weg’ ist. Alle Geräusche scheinen nur von rechts zu kommen… Ohne das Hörgerät auf der rechten Seite höre ich wirklich nur noch sehr wenig. Ich kann jetzt auch die Lautstärke meiner eigenen Sprache nicht mehr so gut kontrollieren.
 
5 Tage nach der OP war ich im Hörzentrum und habe schon einen Probeton über das Implantat gehört. Es scheint also zu funktionieren! – Die Krankenhaus-Zeit habe ich ganz gut herumbekommen. Besuch hat mich aufgeheitert, und ich habe nette Unterhaltungen mit ande-ren Patienten geführt. Zum Schluss war eine Frau in meinem Zimmer, die nach einer Kehlkopf-OP nicht sprechen durfte. Der eine kann nicht hören, der andere nicht sprechen. Da muss man eben andere Kommunikationsformen finden… Teilweise war das recht lustig! Ich habe auch festgestellt, dass es manchmal ‚nützlich’ ist, fast nichts zu hören (zum Beispiel hat es mich nicht gestört, wenn es im Zimmer lebhaft zuging)!
 
Ich war sehr froh, als ich am 8. Tag nach der OP nach Hause durfte. Wieder daheim, komme ich mir richtig ‚neu’ vor mit dem CI im Kopf. Aber es ist komisch, dass plötzlich alles so still ist… Das verunsichert mich in manchen Situationen.
 
Die Fäden gezogen hat mein heimischer HNO-Arzt. Etwas Sorgen bereitet mir, dass noch Blut im Mittelohr ist (daher dieses ‚Klack’-Geräusch)… Ansonsten ist alles in Ordnung. Als ich den Schnitt erstmals selbst im Spiegel betrachtet habe, habe ich wirklich gestaunt: Er ist kaum zu sehen. Sehr gute Arbeit! 
 
Die größte Hürde zum ‚neuen’ Hören ist überwunden, mir geht es wieder ganz gut. Nun bin ich gespannt auf die Erstanpassung des Sprachprozessors (ab 25. Oktober 2004). Wie wird es sich wohl anhören??? Ich lasse mich mal überraschen!
  • Erstellt am .