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Mein langer Weg

Wenn man wie ich vor 18 Jahren mit einem CI versorgt wurde und wie man mir sagte, ich sei der 27. CI-Patient in Deutschland, so kann man wohl mit Recht behaupten, zu den CI-Veteranen zu gehören. Deshalb möchte ich zwar spät, aber noch nicht zu spät über mein Leben als Gehörloser berichten und wie ich zum CI kam. Der Bericht ist nostalgisch etwas angehaucht und geht biographisch etwas in die Tiefe.
 
Ich bin Jahrgang 1941. Im Alter von 6 Jahren wurde ich in die damalige Volksschule in meinem Heimatort eingeschult. Im 2. Schuljahr erkrankte ich im Alter von 7 Jahren an Hirnhautentzündung und verlor dadurch vollständig mein Gehör. Nach 13-monatigem Krankenhausaufenthalt wurde ich aus der Klinik entlassen. Danach begann die bittere Erfahrung wie man in unserer ungeduldigen Welt als hilfloser Außenseiter mangels gesellschaftlichen Verständnisses und Kommunikationsfähigkeit als nicht gesellschaftsfähig, als dumm oder gar doof angesehen wurde. Meiner Erinnerung folgend, habe ich den Eindruck, daß Behinderte im allgemeinen damals und mit Einschränkung auch heute noch zwar geduldet, aber von der Gesellschaft oft nur halbherzig akzeptiert wurden. Sich in der damaligen Zeit anfangs der 50er Jahre mit einer Behinderung zurechtzufinden war alles andere als einfach, denn es gab noch keinerlei Hinweise auf entsprechende bestehende Einrichtungen, außer den Taubstummenanstalten – so wurden die Gehörlosenschulen damals genannt -, die uns Behinderten mit ihren anstehenden Problemen mehr oder weniger behilflich sein konnten.
 
Es war eine schwere Zeit über die ich nur ungern zurückdenke. Wir suchten zwangsläufig verzweifelt nach einer medizinischen Lösung, um das Hören einigermaßen wieder herzustellen. An jeden Strohhalm klammernd wurde der eine oder andere HNO Arzt, Wunderheiler oder Kurpfuscher erfolglos aufgesucht. Aktuelle Hörgeräte hatten damals die Größe eines Video-Recorders, verbunden mit einem überdimensionalen Kopfhörer. Sie hatten Netzanschluß und waren demnach nur für den stationären Gebrauch verwendbar. Unsere damalige Schulleiterin bot mir an, eine der drei vorderen Eselsbänke in der Klasse frei zu machen und mir alleine zur Verfügung zu stellen, damit ich mit diesem Gerät dem Unterricht folgen könnte. Da diese Hörgeräte für mich vollkommen untauglich und somit nutzlos waren erübrigte sich dieses Vorhaben und wurde in Zukunft nicht weiter verfolgt. 
 
Zwangsläufig besuchte ich wieder die Volksschule im Ort. Dabei war ich immer auf die Hilfe einiger Schulkameraden angewiesen, die mir nach dem Unterricht bei den Hausaufgaben behilflich waren. Dies war neben den Schulbüchern und zusätzlich angeschaffter Literatur für mich der eigentliche Unterricht. Als Gehörloser dem Unterricht zu folgen war, wenn überhaupt, nur bedingt möglich. Eine Versetzung in die Oberstufe war infolge meiner Gehörlosigkeit ausgeschlossen, sodaß ich die Schule in meinem Heimatort in jedem Fall verlassen mußte.
 
Ab 1955 besuchte ich deshalb die damalige Landestaubstummenanstalt in Camberg (heute Bad Camberg). Da ich eine normale Sprachentwicklung hatte, fühlte ich mich unter den taubstummen Schülern und Schülerinnen der dortigen Oberstufe überhaupt nicht wohl. Die Gebärdensprache war mir zuwider, ich hatte Heimweh und sehnte mich nach normaler Unterhaltung mit den mir vertrauten Personen. Die Gebärdensprache habe ich mir bis heute nicht angeeignet weil ich weiterhin in Lautsprache kommunizieren wollte. Der Unterricht war mir zu langweilig und für mich bildungsmäßiger Leerlauf, da die Lehrer zwangsläufig bemüht waren, anderen Schülern und Schülerinnen außer dem Lehrstoff noch die Lautsprache beizubringen, die ich ja schon beherrschte. Der Direktor hatte irgendwann ein Einsehen und stellte einen angehenden Taubstummenlehrer ab, der mir regelmäßig Einzelunterricht im Lehrerzimmer erteilte. Somit konnte ich mir zusätzliches Wissen aneignen.
 
Im Jahre 1956 wurde ich mit einem überdurchschnittlich guten Zeugnis aus der Taubstummenanstalt entlassen. Im Jahre meiner Schulentlassung war es, wie heute ähnlich schwer, für Behinderte eine Lehrstelle zu finden. Durch Kontakte meiner Mutter war es möglich in einem metallverarbeitenden Betrieb unterzukommen. Dort war eine Lehrstelle als Reprograph frei, die ich notgedrungen annahm. Mein eigentlicher Berufswunsch war technischer 
Zeichner. Diesen Beruf traute man mir auf Grund meiner Behinderung in diesem Betrieb nicht zu. Nach zweijähriger Lehrzeit und bestandener Prüfung als Reprograph hatte man scheinbar einen guten Eindruck von mir. Ich bewarb mich jetzt in der gleichen Firma im zweiten Anlauf als technischer Zeichner, Fachrichtung Maschinen- und Apparatebau und wurde angenommen. Die Lehrzeit dauerte 3 Jahre. In der Berufsschule war ich der einzige Gehörlose. Die Prüfung als einziger Gehörloser unter Hörenden vor der Industrie und Handelskammer bestand ich mit den Noten 3 im theoretischen und 2 im praktischen Bereich. Darauf war ich einigermaßen stolz, da ich im Durchschnitt trotz meiner Behinderung bei den halbwegs besten Absolventen landete. Wie man sieht, hatte ich wegen meiner Gehörlosigkeit zwei verlorene Jahre in meinem Wunschberuf. Ich hatte mich beruflich sehr gut eingearbeitet und wurde 1961 ins Angestelltenverhältnis übernommen. 
 
Im Mai 1985 berichtete uns jemand von einem Professor Berger in der HNO Abteilung im ev. Krankenhaus Düsseldorf, welcher angeblich schon vielen Gehörlosen in irgendeiner Form zum Hören verholfen hätte. Eine Anfrage dort mit Schilderung meines Krankheitsverlaufes, die zur Taubheit führte ergab, daß bei mir noch keine operativen Maßnahmen zur Hörverbesserung möglich sind. Mir bliebe nur der Weg zum Hörgeräteakustiker mit dem Ziel, die besten Hörgeräte für mich zu ermitteln und anzupassen. Zu einer Untersuchung sei man zwar bereit. Um mir jedoch die weite Reise zu ersparen wurde vorgeschlagen seinen ehemaligen Oberarzt Dr. W. Gerath, der in Frankfurt praktiziert, aufzusuchen. Herr Dr. Gerath verordnete mir für die Dauer von 4 Wochen zwei Hörgeräte. Obwohl mir die Erfolglosigkeit dieses Vorhabens bewußt war, machte ich den Test mit. Die beiden Geräte erzeugten nur trompetenartige monotone, undefinierbare und nicht verwertbare Geräusche. Diese Geräte wurden nach Ablauf der 4 Wochen wieder zurückgegeben.
 
Ebenfalls im Jahre 1985 sind in der Regenbogenpresse und in einigen Tageszeitungen Berichte erschienen mit der Überschrift wie „Taube können wieder Hören", „Mutter hört erstmals ihre Kinder lachen" u.s.w. erschienen. Es handele sich hierbei um ein vom Herzschrittmacher abgeleitetes und weiterentwickeltes Gerät, wobei ein Teil im Innenohr implantiert wird, welches mittels elektrischer Impulse die Hörnerven stimuliert und diverse Töne erzeugt. Also das heutige CI. An der medizinischen Hochschule in Hannover würde ein neues operatives Verfahren angewendet, nach dem Gehörlose wieder hören können. Namentlich wurde nach meiner Erinnerung auch Hanna Stuhr, die heutige Frau Hermann in einem dieser Artikel erwähnt. 
 
Aufmerksam geworden durch diese Berichte reifte mein Entschluß, die Angelegenheit bedingungslos weiter zu verfolgen, da ich nichts zu verlieren hatte. Ich redete mir ein, es kann alles nur noch besser werden….
 
Herr Dr. Gerath war diese Neuigkeit, die an der Medizinischen Hochschule in Hannover möglich sein sollte, mittlerweile auch bekannt und ich verlangte im Juni 1985 eine Überweisung dort hin. Nach Kontaktaufnahme mit der Medizinischen Hochschule Hannover teilte mir der für die Technik zuständige Herr Dr. Battmer mit, die Möglichkeit einer endgültigen Auskunft der Implantation einer Innenohrprothese setze eine dreitägige stationäre Untersuchung an der MH Hannover voraus. Am 16.10.1985 wurde ich diesbezüglich dort stationär aufgenommen.
 
Neben den allgemeinen obligatorischen Untersuchungen und den audiologischen Tests war der Promontorialtest von ausschlaggebender Bedeutung. Dabei wurden die Trommelfelle beidseitig mit einem kleinen Schnitt geöffnet und die Nervenbahnen mit einer eingeführten Sonde stimuliert. Ich empfand nur mehr oder weniger ein Brummen im Kopf und konnte mir nicht vorstellen, auf diese Art zu einem halbwegs natürlichen Hören zu kommen. Man sagte mir es sei nur ein Test um festzustellen ob die Nervenzellen im Gehirn noch reagieren und mit einem CI wird das neue Hören erst möglich. Die dabei durchgeführten Aufzeichnungen ergaben auf der linken Seite ein besseres mononaurales Ergebnis. Sollte ich mich für eine Implantation entscheiden, so würde man bewußt das Implantat auf der rechten schlechteren Seite plazieren. Die linke Seite mit dem besseren Ergebnis sollte man sich für spätere Zeiten reservieren, d.h. wenn es Forschung und Entwicklung gelänge auf diesem Gebiet den Patienten künftig Implantate auf höherem Niveau zur Verfügung zu stellen um dann eventuell eine bilaterale Versorgung vornehmen zu können. Auf Grund dieser Tatsache wird deutlich, daß die ganze Angelegenheit 1985 noch in den Kinderschuhen steckte. Man traute der ganzen Sache m.E. doch noch nicht so recht. Außerdem wurden nur Erwachsene Patienten mit einem CI versorgt, die im Vollbesitz der Sprache gewesen sind, um die monauralen Wahrnehmungen sinngemäß wiederzugeben und um das Sprachverständnis zu testen. In diesem Sinne stellten wir uns damals quasi als Versuchskaninchen mit ungewissem Ausgang zur Verfügung. Gehörlose und ertaubte Kinder wurden zu dieser Zeit noch nicht mit einem CI versorgt. Heute kann man nicht früh genug damit beginnen... 
 
Im Rahmen der stationären Voruntersuchung konnte dann die Möglichkeit der Implantation einer Innenohrprothese durch Herrn Prof. Lehnhardt bestätigt werden. Herr Dr. Laszig (heute Prof. in Freiburg) war an den Voruntersuchungen ebenfalls maßgeblich beteiligt.
 
Nach reiflicher Überlegung stimmte ich der Operation zu und der 27.05.1986 wurde als OP Termin festgelegt.
 
Vorgesehen war ein ca. zweiwöchiger stationärer Aufenthalt zur OP und Einheilung in der MH Hannover. Zu Hause sollte ein ca. zwei- bis dreiwöchiger Aufenthalt zur Stabilisierung der Heilung erfolgen und danach würde die Anpassung des Sprachprozessors sowie das primäre Hörtraining erneut einen ca. zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalt in der MH Hannover erforderlich machen.
 
Der Anreisetag 25.05.1986 mit dem Nachtzug, um frühmorgens den 26.05.1986 in Hannover zu sein, rückte immer näher. Zufällig gab es am 25.05.1986 im Fernsehen eine Reportage, welche das CI zum Inhalt hatte. Es wurde ein junger Mann, vermutlich in Aachen operiert, vorgestellt. Er war mit einem Implantat versorgt, welches eine Steckverbindung durch die Kopfhaut hatte, was zu Problemen bei der Wundheilung führte. Es wurde auch mitgeteilt, daß dieses System keine Anwendung mehr findet. Der Mann gab an, gut zu hören, aber keine Sprache verstehen zu können. Ich hatte da auch meine Zweifel, da er sich ausschließlich in Gebärdensprache äußerte welche untertitelt wurde.
 
Im Anschluß daran behandelte man das CI und die Operationsmethode wie es bei mir an der MH Hannover zur Anwendung kommen sollte. Auch dieses Verfahren bekam schlechte Kritiken und endete mit dem Schlußsatz, der ebenfalls in Gebärdensprache vorgetragen und untertitelt wurde:
 
„Das CI ist zum Hören und Sprachverstehen vollkommen ungeeignet".
 
Mir kamen jetzt berechtigte Zweifel. Sollte ich mir das antun, eine schwierige Operation am Kopf über mich ergehen zu lassen, womöglich erfolglos und mit nachträglicher Reimplantation?
 
Neben mir stand der gepackte Koffer und ich sollte noch am selben Abend im Frankfurter Hauptbahnhof den Zug nach Hannover besteigen. Ich war nahe daran den Koffer wieder auszupacken und das ganze Unternehmen abzublasen.
 
Da der Termin feststand und der Fahrschein gebucht war, habe ich mich nach Rücksprache mit meiner Frau doch noch dazu durchgerungen mit dem Nachtzug – es gab damals noch keinen ICE - mit großer Skepsis und gewissen Vorbehalten nach Hannover zu fahren. Auf der Fahrt kam ich aus dem Grübeln nicht mehr heraus und ich dachte, ich fahre zu meiner eigenen Beerdigung. Für mich gab es nach dieser Fernsehsendung noch eine Menge Klärungsbedarf. Absagen konnte ich die Operation im äußersten Fall ja dann immer noch.
 
An der MH Hannover teilte ich mein Zimmer mit einem bereits implantierten Herrn. Dieser Herr war ein kontaktfreudiger und unterhaltsamer Mann, der stets voller Optimismus in die Zukunft schaute. Er war begeistert von seinem CI. Wenn auch sein neues Hören noch nicht optimal war, so war er voller Zuversicht und Hoffnung, es würde sich im Laufe der Zeit alles zum Guten wenden.
 
Ich berichtete ihm von der negativen Kritik der Fernsehsendung vom Vorabend. Das konnte er nicht nachvollziehen und ich würde doch sehen wie gut es ihm gehe und wie zufrieden er mit dem CI sei. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ohne den Zuspruch, die Aufmunterung und den Optimismus meines Zimmerkollegen nach der negativen Fernsehreportage vom Vorabend mich in Hannover hätte operieren lassen. Nach längeren Gesprächen und Diskussionen habe ich mich von ihm positiv überzeugen lassen und betrachtete die ganze Angelegenheit aus einem positiveren Blickwinkel. Für mich stand jetzt unumstößlich fest mich mit einem CI Implantat versorgen zu lassen.
 
Leider war das Schicksal meinem optimistischen Zimmerkollegen nicht wohl gesonnen. Er hatte Probleme mit der Wundheilung. Ich bin medizinisch unerfahren und möchte den schicksalhaften Ablauf aus seinen Erzählungen und aus meiner Sicht schildern. Im unteren Bereich der operativen Bogennaht hinter dem Ohr bildete sich eine Entzündung, die Wunde fing an dauerhaft zu nässen und verheilte nicht. Er spielte die Angelegenheit herunter und glaubte felsenfest daran, dieses kleine Problem löse sich mit der Zeit von selbst was sich als Trugschluß herausstellte. Auf Grund dieser Probleme mußte er noch mehrmals die MH Hannover aufsuchen und etliche zusätzliche Operationen über sich ergehen lassen. In diesem Zusammenhang wurde auch das Implantat einige Male versetzt. Schließlich wurde, wie er mir brieflich mitteilte, sein Gehör immer schlechter. Bei halbwegs normaler Elektrodenstimulation konnte er nichts mehr hören und im erhöhten oder im maximalen Grenzbereich der el. Stimulation traten unkontrollierbare Gesichtszuckungen auf. Hierbei vermutete er ein Herausrutschen der Sonde aus der Schnecke. Unter diesem und unter dem Aspekt, der nicht in den Griff zu bekommenden Wundheilung war eine Reimplantation unausweichlich. Er schrieb mir: „Ein schöner Traum vom wieder gewonnenen Hören ging für mich leider nicht in Erfüllung und ich muß nun den Weg in die Stille wieder antreten". Es tat mir alles unendlich leid………..
 
Nachfolgend berichte ich was jeder CI Träger aus eigener Erfahrung schon kennt. Nach der Einweisung erfolgten noch mehrere obligatorische Untersuchungen sowie das Aufklärungsgespräch mit der Narkoseärztin. CT und MRT waren in Ordnung, sodaß einer Operation nichts mehr im Wege stand.
 
Am 26.06.1986 erfolgte dann frühzeitig die Implantation durch Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. mult. h.c. Lehnhardt mit einem Implantat der Fa. Nucleus. Nach meiner damaligen Kenntnis gab es noch keine Auswahl hinsichtlich anderer Fabrikate. Etwas später konnte man sich auch für ein Implantat der Marke Clarion entscheiden.
 
Die Operation erfolgte reibungslos. Probleme mit der Wundheilung und andere möglichen negativen Nebenwirkungen traten glücklicherweise nicht ein. Nach ca. 14 Tagen wurde ich zur Wundausheilung für 3 Wochen nach Hause entlassen. Nach Ablauf dieser Zeit wurde ich wieder für 3 Wochen zwecks Anpassung, Reha- Maßnahmen und Sprachprozessorcodierung an der MH Hannover stationär aufgenommen.
 
Ich war unendlich gespannt, welche Höreindrücke mich erwarten und ob das Ganze überhaupt Erfolg hat. Herr Prof. Dr. Battmer und der Audiologe Herr Ruckser nahmen die Anpassung vor.
 
Das Gerät bestand aus Implantat, Mikrofonteil, Sendespule und einem Kopfbügel sowie dem Sprachprozessor. Der Kopfbügel (siehe Foto) bestand aus kunststoffummanteltem Federstahldraht und wurde –ähnlich wie eine Brille- nur andersherum vom Hinterkopf her aufgesetzt und getragen. Zusammen mit meiner Brille hatte ich also 4 Bügel über den Ohren. Im Bereich des Implantats war am Kopfbügel ein Ring vorhanden in dem die Sendespule eingelassen war und ohne Magnethaftung an der Kopfhaut über dem Implantat zur Auflage kam. Das Mikrofonteil war seitlich etwas hinter dem Ohr am Kopfbügel befestigt und klappte immer nach außen wie der Fahrtrichtungsanzeiger der Autos der 50er Jahre. Insgesamt gesehen war das Tragen dieses Kopfbügels etwas lästig. Ich habe mal über eine Verbesserung nachgedacht und erinnere mich 100%ig genau daran bei einer Sprachprozessor-Neueinstellung aus einer Laune heraus gesagt zu haben, die Sendespule mittels eines Magneten am Kopf über dem Implantat zu befestigen. Dabei habe ich, ehrlich gesagt, nicht im geringsten an die Machbarkeit dieser Idee geglaubt.
 
Glücklicherweise hatte man scheinbar die Idee bereits und sie wurde recht bald umgesetzt, wie sie auch heute noch Anwendung findet. Auch bei einem Besuch der Fa. Kind in Hannover bemängelte ich diesen Drahtbügel. Da bei mir das Implantat direkt über dem Ohr angeordnet ist, kam dem Hörgeräteakustiker die Idee, die Spule einfach an das Mikrofonteil zu kleben und mittels Ohrhaken über das Ohr zu hängen sodaß der Drahtbügel entfällt. In 15 Minuten war die Sache erledigt. Ich bin dankbar und froh über den besseren Tragkomfort, wie er auch heute nach 18 Jahren noch besteht.
 
Nach Einstellung und Codierung der 22 verfügbaren Töne wurden mir die ersten Geräusche wie Traktor, Hubschrauber, Pferdegetrappel, Bohrmaschine, Tierlaute usw. vorgespielt und die Herren waren gespannt auf meine Reaktion. Wenn man bis zur Implantation 37 Jahre taub war, muß man sich an diese Geräusche erst wieder gewöhnen bzw. neu erlernen, da das Hören mit dem CI mit einem normalen Gehör ja nicht vergleichbar ist. Es klang alles fremdartig und ungewohnt und ein Vergleich mit dem früheren Hören aus meiner Erinnerung war absolut nicht möglich. 
 
An ein normales Sprachverstehen war überhaupt nicht zu denken. Am deutlichsten waren noch das Vogelgezwitscher, Fußgetrappel, Telefonklingel, Pfiffe und das monotone Ticken der Uhr. Alle Geräusche waren mir einfach zu laut, ich empfand es als störend und war froh, das Gerät abends wieder ablegen zu können. Ich möchte hier niemand langweilen und auf jedes gehörte oder nicht gehörte Geräusch eingehen. Zusammenfassend kann ich sagen, ich nehme fast jedes Geräusch wahr. Das Sprachverstehen ist bei eliminierten Nebengeräuschen mit einer deutlich und langsam sprechenden Person bedingt möglich. Die Sprachkontrolle wurde immer besser und man wunderte sich, daß ich nicht mehr lauter sprach als unbedingt nötig. Es wurden bei meinen vielen Besuchen in Hannover immer Zahlen, Vokale und Konsonanten geübt. Auch wurde aus Büchern Geschichten vorgelesen. Die Zeit wurde gestoppt und zwar standen jeweils 5 Minuten mit Absehen vom Munde und die anderen 5 Minuten nur monaural zur Verfügung. Die Worte bzw. Silben wurden gezählt und protokolliert, um bei der nächsten Sitzung feststellen zu können, inwiefern sich das Verständnis verbessert hat.
 
Nach ca. 4 Jahren wurde der Sprachprozessor gegen den verbesserten, kleineren Spectra 22 ausgetauscht, der nur mit 1 statt 3 Batterien betrieben wurde. Ich könnte hier über meine Erlebnisse noch unendlich weiterschreiben, aber das sprengt den Rahmen. Ich bin den Umständen entsprechend mit meinem CI zufrieden, da ich in Verbindung mit Lippenablesen eine wesentliche Erleichterung bei der Verständigung erfahren habe und es bisher nichts Besseres für mich gab. 
 
Ich habe die Operation noch keine Sekunde bereut und würde alles noch einmal so machen.
 
Ich beende diese Zeilen in Erwartung einer bilateralen Versorgung mit einem 2. CI und werde zu gegebener Zeit bei erfolgreicher Implantation und nach der Anpassung darüber berichten.
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