Hören mit 2 CIs
Jeder Mensch besitzt zwei Ohren!!
„Zwei Ohren, um die Sprache aus dem Störlärm besser herausfiltern zu können, um Richtungen von Geräuschquellen zu orten, um einfach natürlich zu hören ..."
Aufgrund einer Autoimmunerkrankung, dem Cogan-Syndrom, bin ich beidseitig ertaubt und wurde im November 2001 mit einem Cochlear-Implantat auf der linken Seite versorgt. Mein Hörerfolg war von der ersten Minute an sehr gut. Trotzdem hatte ich schon nach kurzer Zeit den Wunsch, mein zweites Ohr ebenfalls mit einem CI versorgen zu lassen. Dies hatte mehrer Gründe:
- Nach der Ertaubung durch das Cogan-Syndrom können Obliterationen drohen, die die Insertion des Elektrodenträgers erschweren.
- Obliterationen können auch die Ganglienzellen verändern, was dazu führen kann, dass das Hörergebnis mit CI umso schlechter sein kann je länger man mit der Implantation wartet.
- Ich bin Lehrerin, möchte weiter in meinem Beruf arbeiten, absolviere derzeit ein Aufbaustudium und benötige dazu einfach zwei „Ohren", nein 2 CIs!
Für meine zweite Implantation wählte ich wieder die HNO-Klinik Mainz. Bei Herrn Prof. Mann und seinem gesamten Team war ich medizinisch sehr gut betreut und die OP verlief völlig komplikationslos. Alles in allem: die OP war sehr schnell vergessen und ich wieder auf dem Weg zum Studium der Hörgeschädigtenpädagogik nach Heidelberg.
Dann kam der 5. November 2003, der Tag der Anpassung. Aufgeregt war ich nicht, fast schon zu wenig neugierig, was sich nun ändern sollte. Das Anpassen meines ersten CIs war inzwischen zur Routine geworden. Mit Herrn Pera, dem Ingenieur der Firma Cochlear, würde das genauso gut laufen wie in den vergangenen zwei Jahren, für die „neue Seite" würde es nicht anders sein! Zuerst musste mein „altes CI" angepasst werden, das war schon längst überfällig, was dann auch die neue MAP zeigte.
Dann war das „neue CI" dran. Den Klang der Töne empfand ich anders als links, der Ablauf war natürlich der gleiche. Als dann alles programmiert war, schaltete Herr Pera life. Hmmmm! Ja, ich muss gestehen, ich war enttäuscht. So sollte ich mit dem „neuen" CI hören? Das wollte ich nicht glauben. Irgendwie klang doch alles sehr metallisch und blechern, rudimentär, ganz anders, nicht so natürlich wie mit meinem ersten CI. Ich konnte zwar Sprache erkennen, musste aber sehr oft nachfragen und auch von den Lippen lesen, um genau zu verstehen.
Der direkte Vergleich der beiden CIs zeigt einen deutlichen Unterschied und bewies wieder einmal, dass ich mit dem linken CI einfach phänomenal gut höre! Aber ich werde auch mit dem neuen CI gut hören können, ich muss eben etwas Geduld haben, sagte ich mir. So verließ ich die Klinik mit dem Eindruck, dass rechts und links nicht zusammenpasst.
Zu Hause wartete man gespannt auf mich und auch dort – ich schaltete das „alte CI" ab – war ich nicht so richtig begeistert. Aber es war ja auch ein sehr langer und ermüdender Tag gewesen. Einfach mal abwarten, was der nächste Tag bringt, war meine Devise.
Den neuen Tag begann ich dann nur mit dem „neuen CI" und stellte fest, es tat sich was!
Ja, das Hören wurde schon besser, schon leichter als am Abend davor konnte ich verstehen. So übte ich dann abwechselnd das Hören mit einem oder mit zwei CIs. Nur zwei Tage später schien mir die Anpassung schon überholt. Lautstärken stimmten nicht mehr und ich hörte immer wieder verzerrt.
Aber was mir ganz deutlich wurde: Ich konnte viel besser im Störlärm verstehen! Der Lautheitsgewinn war für mich ganz deutlich zu spüren. Auch viele meiner Mitmenschen stellen fest, dass ich nun noch mehr und gerade bei Störlärm gut verstehe.
Nach nur zehn Tagen musste dringend neu angepasst werden und die Werte zeigten, dass sich schon einiges getan hatte: vor allem in der Dynamikerweiterung! Aber auch das war schnell überholt und so folgten einige neue Anpassungen. Das Hören auf der „neuen Seite" wurde immer besser.
Nach wenigen Wochen konnte ich schon mit bekannten Personen telefonieren, zwar nur kurz und mit etwas mehr Geduld, aber immerhin. Mit meiner Tochter sprach ich sogar schon über Handy.
„Hören mit zwei CIs" bedeutet aber auch wieder an zwei Schauplätzen teilzunehmen: in der S-Bahn links von mir unterhielten sich zwei Frauen und rechts zwei Herren, einfach genial. Und es klingt alles viel räumlicher, einfach wieder „rund um den Kopf", eben fast so natürlich wie früher.
Nach nur vier Wochen mit zwei CIs wusste ich: ich möchte das zweite, nein, ich werde das zweite CI nicht mehr hergeben, denn es bringt mir noch viel, viel mehr entspanntere Hörerlebnisse.
Und ich weiß inzwischen, dass:
- ein direkter Vergleich nach zwei Jahren Hören mit CI eigentlich nicht mehr oder besser gesagt nicht objektiv möglich ist, da ich vor der Anpassung des ersten CIs vier Monate überhaupt nichts hörte, damals eine andere Ausgangssituation vorhanden war, mein erster Höreindruck damals völlig anders empfunden werden musste als nun das Hören mit 2. CI im Vergleich mit der gut angepassten ersten Seite.
- auch das Hören mit dem zweiten CI bewusst trainiert werden muss und sollte, da es ansonsten aufgrund der „ersten" gewöhnten und dominanten Seite in seiner Leistungsfähigkeit nicht ausgeschöpft wird.
- Geduld und eine positive Einstellung zum Hören mit CI die besten Voraussetzungen für einen guten Erfolg sind.
Folgendes möchte ich noch einmal zusammenfassen:
- Ich höre mit zwei CIs viel besser als vorher, da der Lauheitsgewinn wirklich enorm, nein exponentiell, ist! Fallen die Batterien aus oder schalte ich ein CI ab, ist dies mehr als spürbar! Im Alltag ist dies in vielen Situationen eine sehr große Hilfe: Straßenverkehr, am Bahnhof, in größerer Gesellschaft bei Festen und Feiern.
- Ich höre nun wieder echt „stereo", nicht nur „rund um den Kopf", sondern erkenne inzwischen über unterschiedliche Lautstärken und auch Variationen in den Tönen, dass etwas von der rechten oder linken Seite kommt, d. h. wirklich „Hören über zwei Kanäle", die auch zusammenpassen!!! Ich kann deshalb auch wieder genauer „orten", wo etwas gesprochen wird, wo Geräuschquellen vorhanden sind, ....
- Ich kann wieder zwei „Schauplätzen" zuhören. Zwei unterschiedliche Schauplätze sind nicht nur wahrzunehmen, sondern inzwischen hat sich mein Gehirn auch wieder daran gewöhnt, zwei Schallquellen zu erkennen und die unterschiedlichen Informationen (zwar noch in nicht ganz optimaler Qualität) wieder aufzunehmen und zu verarbeiten.
- Ich bin nun für alle auch wieder von rechts ansprechbar und ich muss niemandem „unbewusst" die kalte Schulter zeigen. Wie schön, vor allem auf Feiern an einer langen Tafel, im Straßenverkehr, beim Einkaufen, beim Spazierengehen, beim Telefonieren, ....
- Ich kann als Rechtshänder endlich wieder rechts telefonieren und das schon mit fremden Personen und mit bekannten schon richtig lang! Es tut sich täglich noch etwas, weitere Anpassungen fanden inzwischen wieder statt, die Kurve ist schon recht stabil. Höre ich nur mit dem „neuen CI" zum Trainieren, dann stellt es schon fast keiner mehr fest. Für mich ist es so, als wenn es vorher nie anders gewesen wäre.
- Und ganz aktuell: beim Skifahren zeigt sich ebenfalls der Vorteil des beidseitigen Hörens. Meinen ausgefallenen Gleichgewichtssinn konnte ich viel besser kompensieren, da ich über beide Seiten Geräusche wahrnehmen konnte, also nicht nur auf zwei Brettern stand sondern auch über meine beiden CIs wichtige Informationen aufnahm, die mich im Gleichgewicht hielten, auch bei Neuschnee, was im vergangenen Jahr nicht möglich war.
Die CIs: sie sind und bleiben für mich ein bemerkenswerter Erfolg, nicht nur ein positives Lebensgefühl vermittelnd sondern weil sie mich wieder zurückbrachten mitten in die Gesellschaft und das fast genauso gut kommunizierend wie vor meiner Ertaubung. Allen an diesem Erfolg Beteiligten möchte ich hier noch einmal ein herzliches Dankeschön sagen!
Ich möchte noch hinzufügen: So positiv, wie ich hier berichtet habe, erlebe ich mein jetzt beidseitiges CI-Hören wirklich. Vor dreieinhalb Jahren hörte ich noch normal und hatte nur geringe Kenntnisse von Hörproblemen. Meine plötzliche Ertaubung hat mich diesbezüglich sehr schnell aufgeklärt. Ein Leben ohne Hören wäre für mich nur schwierig zu verkraften gewesen. Jetzt höre ich zwar mit Einschränkungen, die aber tägliche Freude über den Wiedergewinn nicht mindern können.
Ute Jung
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