Erfahrungsbericht Teil 2
Fast ein Jahr nach meiner zweiten CI–Operation möchte ich wieder in einem Bericht meine Erfahrungen schildern.
Kurz zu meiner Person. Mein Name ist Meike Adam, ich bin seid frühester Kindheit hörgeschädigt und habe fast zwanzig Jahre zwei Hörgeräte getragen. Im August 2002 bekam ich an der Uni-Klinik Würzburg mein erstes CI. Mehr dazu kann man unter http://www.gschwaninger.de/ohrenseite/eb_meike_adam.html nachlesen. Ich konnte schon sehr bald wieder richtig gut hören und verstehen, so dass ich unbedingt ein Zweites wollte!
Ich war überglücklich und sehr gespannt, wie es wohl sein würde, nach so vielen Jahren wieder mit zwei Ohren zu hören. Angst vor dem Eingriff hatte ich nicht, im Gegenteil, ich freute mich sogar darauf. Schließlich war mir ja schon alles bestens bekannt.
Im Gegensatz zu meiner ersten OP schraubte ich meine Erwartungen allerdings nun doch ziemlich hoch. Und wieder hatte ich Glück! Die zweite Anpassung verlief viel besser als beim ersten Mal. Irgendwie auch logisch, dachte ich, schließlich wusste ich nun ganz genau, wie fremdartig und merkwürdig das Hören mit dem CI sein würde. Ich war nicht mehr überrascht oder erschrocken über diese ungewohnte Geräuschevielfalt.
Außerdem hatte ich den Eindruck, dass alles wieder an Ort und Stelle saß. Nach der ersten OP kam es mir stets so vor, als ob mein Mund vollkommen verdreht wäre und ich mich nur auf einer Seite reden hören konnte. Meine andere Seite schien vollkommen taub zu sein, zumal ich auch mein Hörgerät nicht mehr zusätzlich benutzte. Nach der zweiten OP war das Gefühl von Gleichklang wieder hergestellt.
Dann kam für mich der schönste und spannendste Augenblick überhaupt, als beide CI's zusammengeschaltet wurden. Wow, was für ein wahnsinniges Gefühl! Es war, als würde sich eine Tür öffnen, die vorher für immer geschlossen zu sein schien. Ein wirklich ergreifender Moment, da beide CI's auch von der ersten Sekunde an sehr gut miteinander harmonierten.
Das neue CI alleine zu tragen, war anfangs natürlich nicht sehr angenehm, aber das war mir egal. Ich wusste ja inzwischen, dass es Zeit brauchen würde sich auszubilden. Wieder zu Hause, trainierte ich mein „neues Ohr", indem ich es oft stundenlang am Tag alleine trug. Ich hörte Musik und kaufte mir neue CDs, mit denen ich das Verstehen übte und ich zwang mein Ohr, sich im Alltag anzustrengen.
Ähnlich war es beim Fernsehen und Telefonieren. Ich wollte unbedingt, dass mein zweites Ohr genauso leistungsstark wird wie mein erstes. An das Richtungshören dachte ich dabei zunächst gar nicht, bis man mir sagte, ich solle doch überwiegend beide CIs zusammenschalten, damit sich auch dieses ausbilden konnte.
Zuerst zeigte sich bei dem Test zum Richtungshören noch nicht so viel, aber mit der Zeit wurde auch das deutlich besser. Ich war wirklich recht schnell in der Lage, zu bestimmen, ob ein Ton nun von rechts oder links kam. Das kann zum Beispiel im Straßenverkehr lebenswichtig sein! Mit nur einem Ohr ist es nicht möglich genau zu erkennen, aus welcher Richtung ein Fahrzeug kommt. In einer solchen Situation sprang ich, anstatt auszuweichen, in die falsche Richtung und nur knapp vor ein Auto. Glücklicherweise konnte der Fahrer Schlimmeres verhindern.
Nun fühle ich mich im Straßenverkehr wieder sicher, da ich sogar an einer stark befahrenen Ampelkreuzung in der Lage bin, eine Fahrradklingel herauszuhören.
In Gesellschaft habe ich kaum noch Probleme einem Gespräch zu folgen, selbst bei sehr starken Hintergrundgeräuschen. Ich erkenne meistens genau, welche Person mich anspricht, ohne dass ich ständig den Kopf drehen muss.
Fremde Leute merken zu einem Normalhörenden keinen Unterschied. Andere hingegen, die von meiner Hörbehinderung wussten, sind über diesen positiven Wandel total verblüfft und begeistert.
Werde ich gefragt, in welchen Situationen ich noch eingeschränkt bin, muss ich erst überlegen. Ich antworte dann, dass mir das Telefonieren mit dem Handy manchmal noch Probleme macht. Sonst fällt mir wirklich nichts ein!!!
Oft kann ich es selbst kaum glauben, wie sich mein Leben durch moderne Technik, innerhalb nur eines Jahres, derart positiv verändert hat. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, Musik stereo zu hören und den Klang der Instrumente so richtig zu genießen.
Außerdem ist es für mich ein großer Ansporn, mein neues Hören sinnvoll zu nutzen. Ich besuche inzwischen EDV-Kurse bei der Volkshochschule, was mir früher nahezu unmöglich erschien. Den für mich sonst so wichtigen Blickkontakt zum Lehrer oder Dozenten brauche ich heute nicht mehr.
Trotz allem will ich aber ehrlich sein und sagen, dass ich es mir schon fast zur Gewohnheit gemacht habe, das Hören in schön und nicht schön einzuteilen. Ich habe ja eindeutig einem Normalhörenden gegenüber den Vorteil, in Lärmsituationen einfach meine Ohren abschalten zu können.
Ein Buch liest sich zum Beispiel viel angenehmer, ohne das Brummen von Nachbars Rasenmäher. Kochen geht ohne Gebrutzel von Pfannen und ohne Rauschen der Abzugshaube ebenfalls entspannter.
Dazu kommt noch, dass ich öfter mal „abschalte", wenn viele Kinder in der Nähe sind. „Die kleinen Geister" können ja manchmal ziemlich kräftig Radau machen. Diese Beispiele sollen jetzt aber keineswegs widersprüchlich wirken. Ich sehe allerdings nicht ein, meine Nerven unnötig zu strapazieren.
Ich weiß von Bekannten, dass ich um diese Fähigkeit sogar etwas beneidet werde. Jeder andere würde diesen Vorteil sicherlich auch gerne nutzen.
Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass es vom ersten zum zweiten CI noch einmal ein enormer Sprung und Fortschritt ist. Für das absolute Wohlgefühl ist eine zweite OP meiner Meinung nach unglaublich wichtig. Ich würde mir wünschen, dass alle Betroffenen, die dies möchten, in den Genuss eines zweiten CIs kommen könnten.
Meike Adam
Borken
März 2004
- Erstellt am .