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Erfahrungen mit dem ESPrit 3G

Ein Vergleich Taschenprozessor-HdO-CI
 
Seit fast 40 Jahren habe ich eine Innenohrschwerhörigkeit. Zuerst nur leicht – Anfang der 60iger Jahre als „verfrühte Altersschwerhörigkeit" diagnostiziert – bis ich dann schon in den 90iger Jahren als ertaubt galt. Ich hatte links noch ein Resthörvermögen im Tieftonbereich und war an diesem Ohr mit einem Hörgerät versorgt. Rechts konnte ich Sprache auch mit einem Hörgerät nicht mehr verstehen, die Geräusche waren eher störend für mein Sprachverständnis. 
 
Mit dem Hörgerät kam ich gut zurecht. Ich hatte mir unbewusst eine gute Hörtaktik angeeignet, die ich dann, nach meinem Kontakt seit 1991 mit der Hörbehindertenszene in Deutschland und meinem immer tiefer gehenden Engagement in der Selbsthilfe, noch deutlich verbessern konnte.
 
Für unseren Bundesverband (heute Deutsche Hörbehinderten-Selbsthilfe DHS) organisierte ich dann im März 1998 ein Seminar zu dem Thema: „CI – schon bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit?". Ich selber beschäftigte mich auch schon geraume Zeit mit diesem Thema. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gab es bereits CI-Träger, die mehr oder weniger gut mit ihren Geräten zurecht kamen. 
 
Es waren spektakuläre Erfolge darunter, aber eben auch solche, die das Sprachverständnis nicht zurück brachten. Trotzdem war das CI in jeden Fall für die Träger ein deutlicher Gewinn und eine totale Verbesserung im Sprachverständnis. Das bedeutet ja auch ein entspannteres Leben, da das CI in den meisten Fällen besseres Hören und Verstehen ermöglichte, andererseits aber die ständige muskuläre Anspannung bei diesem Prozess verminderte. 
 
Während dieses Seminar sprach unter anderem auch Prof. Lenarz aus Hannover sowie Dr. Zeh aus Bad Berleburg, der wenige Tage nach dem Seminar selber „unters Messer" kam und später sehr erfolgreich mit einem CI versorgt wurde.
 
Das Seminar war sehr gut besucht und so hatte ich Gelegenheit, mich mit anderen Betroffenen, die am gleichen Stand des Denkprozesses angelangt waren wie ich, auszutauschen. Mein Wunsch, es mit diesem Implantat dann doch mal zu versuchen, wurde immer stärker. Aber irgendwie traute ich mich nicht. Wie ich heute weiß, werden die meisten anderen Interessenten von mehr oder weniger den gleichen und vielfach irrationalen Ängsten befallen, wie ich selber. Die größte Angst hatte ich vor einer Gesichtsnervverletzung. Das ist eine OP-Komplikation, die heute etwa so oft vor kommt, wie der Tod als Folge einer normalen Blindarmoperation. 
 
Wie auch immer, eines Tages war es soweit. Genauer: am 07. Januar 2000 wurde ich in Freiburg/Deutschland implantiert. Ich hatte mich für das rechte Ohr entschieden und für ein Gerät der Fa. Cochlear. Die OP war ein voller Erfolg. Ich war praktisch gleich wieder auf den Beinen und hatte keinerlei Probleme, weder mit Schwindel noch mit Übelkeit noch mit sonst was. 
 
Am 14.02.2000 trat ich dann erneut in Freiburg an zur ersten Anpassung. Das war ein merkwürdiges Gefühl. Erwartung, Angst, Spannung...
 
Ich bekam, wie damals noch üblich, einen Taschenprozessor und los ging's. Es wurde ein richtig spektakulärer Erfolg! Ich verstand sofort Sprache sehr deutlich wenn auch etwas ungewohnt hoch und irgendwie weit weg. Ist schwer zu erklären. Was ich nicht mehr hörte waren Nebengeräusche. Das ist meiner Erfahrung nach absolut selten und verunsicherte mich total, wenn ich draußen rum lief. Daher setzte ich kurzerhand auch mein Hörgerät ein und von da an ging es nur noch aufwärts. 
 
Es war am Anfang sehr stressig, dauernd im Hochtonbereich hören zu müssen, was ich seit Jahren ja nicht mehr konnte. Auch mein Hörgerät war immer im Tieftonbereich eingestellt, weil ich so das beste Sprachverständnis hatte. 
 
In den folgenden Jahren hatte ich dann 2-3 x noch Anpassungstermine. Ich brauchte eigentlich recht wenige und war total zufrieden. Ich verstand ohne Blickkontakt, konnte im Auto wieder meine Beifahrer/Mitfahrer verstehen, konnte Radio hören und verstehen und brauche beim Fernsehen keine UT mehr. Auch Musik wurde schnell wieder angenehm für mich, eine ziemliche Überraschung. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Abgesehen von Blasmusik habe ich an allem Freude, verstehe die Sänger sogar wieder und schaue mir sehr oft Opern und Operetten im TV an. Es war und ist eine tolle Erfahrung! 
 
Theoretisch hätte ich auch schon telefonieren können. Aber daran traute ich mich einfach nicht. Im Gegensatz zu anderen, die nach der Anpassung als erstes das nächste Telefon ansteuern, um zu probieren, ob das klappt. 
 
Es hatte sich im Laufe der Anpassungen auch schnell ergeben, dass ich mit dem Sprachprogramm SPEAK nicht so gut verstehen konnte. Daher bekam ich relativ schnell ACE. Für mich wurde die Sprache dadurch noch „schärfer" und so auch besser verständlich. Merkwürdigerweise störten mich Nebengeräusche nur unwesentlich. Wo andere CI-Träger kaum noch etwas verstanden, hörte ich zwar den "Krach", konnte einem Gespräch aber noch sehr gut folgen. Wobei mich zugegebener Maßen, die in vielen Jahren entwickelte Hörtaktik sehr unterstützte!
 
Im Herbst 2000 war ich dann beruflich „gezwungen" den Versuch mit dem Telefon zu machen. Und siehe da: es klappte einwandfrei. Lange Zeit benutzte ich dazu das mitgelieferte Kabel. Heute brauche ich das auch nicht mehr, sondern kann den Hörer ganz normal „ans Ohr" halten. Ich kann auch ganz normal telefonieren. Selbst mit Menschen, die ich nicht kenne.
 
Im Sommer 2000 probierte ich schon den damals erhältlichen ESPrit von Cochlear aus und war total unzufrieden. Ich konnte mit diesem HdO-Gerät nicht mehr in der mittlerweile gewohnten Form kommunizieren. Das lag wohl daran, dass dieses Gerät vorerst nur mit SPEAK eingestellt werden konnte. Also blieb ich vorerst weiter beim Taschenprozessor.
 
In diesem Jahr nun hatte ich Gelegenheit, den ESPrit 3G (nachfolgend 3G genannt), das neueste HdO-Gerät von Cochlear auszuprobieren. 
 
Die Anpassung war für mich sehr viel mühevoller als seinerzeit mit dem Taschenprozessor. Die für mich optimale Einstellung verbrauchte Unmengen an Energie. Die drei Knopfzellenbatterien waren nach nicht mal 2 Tage leer. Eine teure Sache also!! 
 
Zusammen mit meinem Akustiker, der schön länger Einstellungen macht, versuchten wir, das Bestmögliche aus dem 3G herauszuholen. Immer wieder hatte ich das Problem, dass ich Nebengeräusche kaum hörte, selten mitbekam, wenn ich von hinten angesprochen wurde und ähnliches. Absolut phantastisch war von Anfang an die Möglichkeit, selbst bei 120 und mehr Stundenkilometer im Auto die Radioansagen sehr gut verstehen zu können. Da ich viel unterwegs bin war das kein unwesentlicher Vorteil. 
 
Und als ebenso bereichernd empfand ich die integrierte Induktionsspule! Meines Wissens ist der 3G immer noch das einzige HdO-CI mit dieser Funktion. Zusammen mit meinem Hörgerät, welches ebenfalls eine Induktionsspule hat, kann ich bei entsprechenden Gelegenheiten problemlos und stereo hören und verstehen. Eine Freundin hat in ihrem Wohnzimmer z.B. eine Indusktionsschleife verlegt. Hier kann ich mit meinen beiden so gut ausgerüsteten HdO-Geräten schnurlos am Fernsehen verstehen. Auf meinem Wunschzettel steht daher schon eine Weile eine solche Induktionsschleife ?. 
 
Auch telefonieren geht mit dem 3G bestens. Dazu benutze ich jedoch keine Induktion, sondern halte den Hörer einfach an das Mikrophon. Hier gilt auch wieder: einfach alle Möglichkeiten ausprobieren und herausfinden, was persönlich am besten ist.
 
Mit der Einstellung Whisper Setting, die in bestimmten Situationen auch leisere Geräusche der Umgebung hervorheben soll, konnte ich leider bisher nichts anfangen. Ich weiß aber von anderen Trägern des 3G, dass sie davon sehr profitieren. 
 
Wie in allen Bereichen des CI kann also niemand sagen, so und so geht das. Jeder muss für sich selber die verschiedenen Möglichkeiten ausprobieren, die ein CI bietet. Mit dem 3G bin ich jedenfalls schon fast so zufrieden wie mit dem Taschenprozessor. 
 
Der Einstellungsprozess ist ja noch nicht abgeschlossen. Erst vor kurzer Zeit erfuhr ich z.B, dass der 3G nur mit 20 Elektroden arbeiten kann und also 2 abgeschaltet werden müssen. Das machen die Techniker meist aufgrund der vorliegenden Einstellungsergebnisse, so dass der CI-Träger meist gar nicht merkt, was da jetzt „fehlt". 
 
Das scheint bei mir nicht so zu sein. Bei der nächsten Einstellung werden wir auch hier etwas ausprobieren. Ich gehe davon aus, dass anschließend mein Sprachverständnis mit dem 3G nicht wesentlich anders sein wird als mit dem Taschenprozessor. 
 
Spaß macht mir persönlich auch die Möglichkeit, je nach Laune oder Kleidung die Batteriekammerfarbe wählen zu können. Schon seit Jahren trage ich ein rotes Hörgerät mit rotem Ohrstück und entsprechendem Schlauchteil. Von Cochlear wünsche ich mir, dass es bald auch hier mehr Farbauswahl für den Magnetteil gibt und die entsprechenden Kabel. Dieses triste beige und braun ist nichts für mich!!
 
Wer gern persönlich mit mir Kontakt aufnehmen möchte darf das gerne tun. 
 
Erika Classen
Uferpromenade 9
88709 Meersburg
Fax: 07532-6995
Tel. 07532-808149
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Dieser Beitrag erschien zuerst im Forum der Deutschen Hörbehinderten-Selbsthilfe e.V. im Heft 19 im Juni 2003
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