Ein Traum ging in Erfüllung
Ein Traum ging in Erfüllung von Anna Krott
Bevor ich von meinem Weg zum CI berichte, möchte ich mich kurz vorstellen. Ich bin 40 Jahre alt, verheiratet und habe einen Sohn(20 Jahre ) und eine Tochter(16Jahre ).
Schwerhörig wurde ich durch eine Kinderkrankheit (Masern) in meinem 6. Lebensjahr. In dieser Zeit besuchte ich die Volksschule in meinem Heimatort. Eines Tages hörte ich etwas schlechter. Ich verstand damals auch nicht so recht, was mit mir los war. Doch meiner Mutter war es schon aufgefallen, denn ich wusste nicht einmal was ich an Hausaufgaben aufhatte. Sie fragte sich: Entweder sie weiß es nicht oder sie will es nicht oder sie kann es nicht. Ein richtiger Alptraum begann. Nach langem hin und her wurde ich vom Gesundheitsamt untersucht. Dort stellte man fest, dass ich schwerhörig sei. Damals besuchte ich die 4. Klasse. In der HNO–Klinik Würzburg wurde meine Schwerhörigkeit bestätigt. Man sagte uns, dass man diesen Hörverlust durch Hörgeräte ausgleichen kann. So bekam ich mein 1.Hörgerät auf der linken Seite. Zu dieser Zeit hatte ich einen Hörverlust von 60%. Im September 1974 musste ich in die Schwerhörigenschule nach Würzburg. Dies war für mich ein großer Schock. Von heute auf morgen war alles anders. Meine Eltern, meine Schwester, meine Oma und meine Freunde durfte ich für eine Weile nicht mehr sehen, da ich im Heim lebte. Mit der Zeit gefiel es mir aber gut. Es war eine meiner schönsten Zeiten. Nach dem Schulabschluss machte ich eine Lehre als Hauswirtschafterin. Dabei besuchte ich die normale Berufsschule und hatte keine Probleme.
1982 heiratete ich, 1983 kam mein Sohn zur Welt, 4 Jahre später meine Tochter. Die Elternabende der Kinder im Kindergarten und in der Schule konnte ich solange es ruhig zuging, gut verfolgen, da ich das Lippenablesen beherrschte. Ob im Beruf, Freizeit, Kindergarten, Schule, Kirche, Veranstaltungen, Sportplatz u.s.w., ohne dass ich die Leute von vorne sah, hörte ich gar nichts. Telefonieren konnte ich nur mit Hörhilfe, fernsehen nur mit Untertitel . Beim Radio hörte ich nur, dass er angeschaltet war, aber ich konnte nichts verstehen. Musik hörte ich zwar gerne, verstand aber nichts vom Text.
Je älter ich wurde um so schlechter wurde mein Gehör. Dabei wurde ich immer unzufriedener und baute auch körperlich ab. Es folgten Gesprächstherapien bei Psychologen, Orthopäden, Ärzten u.s.w. Zum Schluss simulierte ich. Eines abends kam die Sendung „Die Sprechstunde" in Bayern 3. Hier wurde über das CI, das in der MHH in Hannover implantiert wird berichtet. Das war 1995. Voller Hoffnung dachte ich, das ist was für mich. Einen Termin hatte ich auch, doch geholfen wurde mir dort nicht. Mein Leben wurde immer unerträglicher. Immer wieder wurde mir gesagt: „Anna das hast du nicht richtig gehört" oder „Das ist nicht so." Mit der Zeit fühlte ich mich als Mensch 2. Klasse. Im Job wurde es auch immer schlimmer. Dort wurde ich gemobbt.
In meiner Not ging ich zu meinem Hörgeräteakustiker Herr Kockmann. Zu ihm hatte ich noch Vertrauen. Er sagte: „Frau Krott ich kann ihnen auch nicht helfen, denn es gibt keine Geräte ihrer Hörstärke auf dem Markt. Aber ich kenne eine Kundin, die sich ein CI einbauen ließ. Wenn Sie möchten, mache ich einen Termin in der HNO–Klinik in Würzburg bei Dr.Moser. Der ist selber Hörgeräteträger.
Am 20.02.2002 war es soweit. Dr. Moser hatte viel Zeit für meine Fragen. Mit einem Prospekt und gemischten Gefühlen ging ich nach Hause. Tag und Nacht überlegte ich, was ich machen sollte. Meine Mutter meinte: „Mein Gott Anna so was hast du vor. Als du das erste Mal in der HNO–Klinik warst sagten sie, dass deine Gehörnerven kaputt sind. Es ist nichts mehr zu machen." Ich sagte: „Mutter, das war vor Jahren. Die Medizin macht doch große Fortschritte. Ich lasse mich jetzt erst einmal drei Tage lang untersuchen."
Gleichgewichtstest, Hörnerventest, Hörtests, CT und andere Untersuchungen wurden durchgeführt. Zwei Tage vor Ostern sagte man mir, dass ich für ein CI geeignet sei. Damals war ich zu 85 % schwerhörig. Anschließend hatte ich unendliche Ängste vor der OP, Narkose, Haare ab,.... Mit solchen Gefühlen entschied ich mich für die OP. Mein rechtes Ohr wollte ich opfern, denn wenn die OP nicht gelingen sollte, so konnte ich noch auf mein linkes Ohr zurückgreifen, denn hier trage ich schon seit 30 Jahren mein Hörgerät.
Der Einweisungstag am 03.07.2002 war da. Einen Tag später um 11:30 Uhr lag ich im OP. Dr.Müller und sein Team setzten mir das Cochlear-Implant von Med-El ein. Die OP verlief problemlos. Auf der Station waren Schwestern und Pflegern und alle anderen, die dazugehörten einfach super. Ihnen gehört mein herzliches Dankeschön. Für mich war dieser Aufenthalt Erholung.
Als ich nach 10 Tagen zu Hause war, fragte mich jeder: „Na Anna hörst du jetzt wieder besser ?", doch so schnell ging es nicht. Erst musste die Wunde heilen, dann wurde der Sprachprozessor angepasst. 6 Wochen später am 27.08.2002 war es soweit. Doch die Enttäuschung war groß. Eine Woche darauf war es schon etwas besser. Manche Geräusche hörte ich anders. Es war nicht unangenehm. Ich hörte Vögel, den Regen, Grillen, das Raschen des Baches, Blätter, meinen Atem. Alles hatte Wellen. Wenn ich an früher denke, so hörte ich alles nur in einem Ton. Mein Hörgerät ist analog, d.h. diese Tone und Geräusche sind alle nur ein „Gebrumm". Mit dem CI höre ich wellenartiger, klarer, sauberer, lauter. Mit Worten kann man dies schwer beschreiben. Es hört sich einfach schöner an .
Schnurlose Telefone und Handys waren für mich bis dahin out, da ich nichts hörte und auch nicht ran ging. Seit ich das CI habe, ist alles anders. Ich kann telefonieren. In der Kirche, bei Veranstaltungen, beim Fernsehen, Radio....
Ich habe das Gefühl dabei zu sein. Die Menschen in meiner Heimat sagen: „Schaut euch die Anna an. Sie hört ja und spricht nicht mehr so laut. So richtig verändert ist sie."
Meine Familie hatte nun ein Problem. Jetzt heißt es: „Was, das hast du gehört?" Oder „Nicht so laut, sie hörts !". Ich kann jetzt das Auto meines Sohnes hören, meinen Mann, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, meine Tochter im Treppenhaus, den Hund, wenn er schnarchte...
Insgesamt hatte ich noch zwei Prozessor-Einstellungen. Bei einer der Einstellungen sagte ich: „Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin. Es klappt doch ganz super mit dem Hören." Als ich die Klinik verließ, schaute ich zum Himmel und hatte vor Glück Tränen in den Augen.
Was ich mit dem Hörgerät links und dem CI rechts nicht kann, ist das Richtunghören. Zu einer Prozessoreinstellung begleitete mich mein Mann. Bei diesem Test hörte ich über den Lautsprecher genau so gut wie er und der Akustiker. Dort fragte ich auch, ob es mit einem zweitem CI noch besser werden kann. Die Auskunft war: „Vielleicht." Zur Zeit plane ich mein zweites CI .
Eine Reha oder ähnliches habe ich nicht mitgemacht. Dafür habe ich meine Umwelt, in der ich lebe und übe.
Auf diesem Wege möchte ich mich bei meinem Arbeitgeber, der Fa. Otto Hein aus Haibach mit Familie, bei Herrn Kockmann von Optik Schäfer (Wertheim), bei Dr. Müller und seinem Team von der HNO–Klinik Würzburg, bei Dr. Brix aus Dammbach, bei meiner Familie (die all die Jahre mit mir ausgehalten hat) und bei meinen Freunden und Bekannten herzlich bedanken.
Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Durch das Hören hat für mich ein neues Leben angefangen. Ich wünsche allen CI-Trägern von Herzen Glück und Erfolg.
Juli 2003
Anna Krott
Grabenweg 7
63874 Dammbach
Tel. und Fax 06092/6289
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