So etwas hätte ich mir niemals vorstellen können
Es war in unserem Sommerurlaub in Italien 1998 als ich nach einem aufregenden Telefonat starke Ohrschmerzen bekam und ein leichtes Rauschen. Wir hatten zuvor im Pool gebadet und dachten an eine Mittelohrzündung. Unsere Tochter hatte auch Ohrenschmerzen, aber ohne Rauschen. Wir sind zum Arzt gegangen und er bestätigte unseren Verdacht. Die Beschwerden wurden mit Ohrentropfen behandelt, wobei es bei meiner Tochter besser wurde, aber bei mir das Rauschen immer lauter.
Wenige Tage später traten wir die Heimreise an und ich bin zuhause zu meinem Hausarzt gegangen. Er bestätigte die Diagnose und sagte zu mir: "Das linke Ohr ist stark entzündet." Nach einer Woche wurden die Beschwerden, trotz Behandlung, immer heftiger. Er hat mich zum HNO-Arzt überwiesen. Nach Schilderung meiner Beschwerden veranlasste er einen Hörtest. Dieser Test war der Anfang meiner Leidensgeschichte.
Ich hatte einen starken Hörsturz auf dem linken Ohr. Er verordnete mir Kortisontabletten, da es für Infusionen zu spät war, wie er mir erklärte. Der Kontrollhörtest war besser, aber das Rauschen im Ohr immer noch in der gleichen Stärke vorhanden. Der HNO-Arzt wies mich daraufhin, dass wohl der Tinnitus bleiben könnte und ich damit leben muss. Es folgten mehrere Hörstürze im linken Ohr, bis irgendwann das Ohr so schlecht war, dass es auf Medikamente nicht mehr reagierte.
Der Tinnitus blieb und wurde oft unerträglich. Stress konnte ich nicht mehr vertragen, den quittierte mein Körper sofort mit seiner Ohrensprache. Im Februar 2001 hatte ich dann den ersten Hörsturz mit Tinnitus im rechten Ohr. Da ich beruflich und privat leider immer noch "unter Strom" stand, blieben mir weitere Hörstürze nicht erspart.
Es war eine weite Fahrt über die See mit zwischendurch auch sehr hohem Wellengang. Das tat meinen Ohren nicht gut und im November 2002 bekam ich die Hörgeräte verordnet. Meine Akustikerin machte mir immer wieder Hoffnung durch ständiges Tragen der Hörhilfe, dass mein Hörvermögen sich steigern konnte.
Die Enttäuschung war groß, es gab keine Besserung. Ich konnte auf dem linken Ohr nur leise verstehen. Auf dem rechten Ohr war die Verständlichkeit optimal. Nach ca. vier - fünf Monaten war die Verständlichkeit im linken Ohr erschöpft und ich hörte nur noch Gemurmel.
Während ich die Hörgeräte fleißig trug, blieben mir auch weitere Hörstürze nicht erspart. Die Degeneration meiner Ohren schritt weiter fort. Was mir blieb, war der starke Tinnitus, sehr betont auf dem linken Ohr und ein fortschreitender Hörverlust auf beiden Ohren. Mit dieser Behinderung lebte ich, akzeptierte meine Situation und sagte mir: es wird immer schlechter bis du überhaupt nichts mehr hörst. Der Gedanke, dass meine Mutter auch sehr schwerhörig war und Hörgeräte trug, bestärkte mich in meinem Pessimismus. Meinen Mann schleppte ich überall mit hin, bzw. schob ihn vor, weil ich im täglichen Leben nun fast nicht mehr zu recht kam.
Ich hatte mir ein Schneckenhaus aufgebaut und ganz schnell zog ich mich darin zurück. Es war mein großer Schutz vor der Menschheit!!! Im März 2007 hatte ich zufällig eine Begegnung mit einer CI- Trägerin. Sie meinte zu mir: "Du kannst mit deinen Hörgeräten aber wirklich sehr schlecht verstehen. Ich möchte dich einladen zu unserem Treffen der Selbsthilfegruppe in Marburg in diesem Monat. Dort lernst du Leute kennen, die genau das gleiche Problem hatten und haben, wie du es hast."
Das machte mir Mut und ich ging, wie immer selbstverständlich nicht ohne meinen Mann, zum Treffen. Ganz aufgeregt stellte ich mich vor, schilderte kurz meine Leidensgeschichte und somit war ich im Kreis der Menschen untergebracht, die ihre Behinderung miteinander teilen können. Nach dem offiziellen Teil sprach mich Prof. Sprinzl an. Er bot mir an, mit mir einen Termin auszumachen und mich zu untersuchen. Er sagte zu mir: "Ich will Ihnen helfen und ich bin der Meinung, das man bei Ihnen mit Sicherheit etwas tun kann."
Das machte mir Mut und ich vereinbarte einen Termin. Nach etlichen Untersuchungen, die ich teilweise nicht kannte, nur eine genannt BERA, kam man zu dem Ergebnis, dass mein linkes Ohr für ein implantierbares Hörgerät-CI tauglich war. Ich stimmte der Operation zu und wurde Ende August 2007 "implantiert".
Die OP verlief komplikationslos, wobei ich anmerken möchte, leider mit heftigen Kopfschmerzen. Ich hatte die schönste klassische Musik im Ohr, alles gab das Ohr wieder ab. Ich empfand es aber nicht lästig. Nach drei Tagen wurde der erste Hörtest gemacht und horch da, ich hörte die ersten Töne auf dem linken Ohr, phänomenal, kann ich das nur bezeichnen.
Stolz trug ich meinen Ausdruck zur Stationsärztin, sie freute sich mit mir. Auch Prof. Sprinzl war mit meinem Start zufrieden. Nach knapp einer Woche wurde ich entlassen. Nach vier Wochen Regenerationszeit bekam ich mein "Test-CI" - das Tempo+ angepasst. Aufgeregt saß ich da, spannend wartend was ich zu "hören" bekomme. Nach Freischalten des Gerätes hörte ich "Robotergeplapper". Interessant, dachte ich. Herr Müller, unser Audiologe, wies mich daraufhin, das im Laufe der Zeit der Klang sich bessert. Danach wurde der erste Hörtest gemacht mit dem CI.
Mir fehlten die Worte um auszudrücken was ich bei jedem gehörten Wort empfand. Ich war einfach nur überglücklich. Die Testerin rief Herrn Müller, um ihm das freudige Ergebnis zu übermitteln. Da meine Wunde noch nicht ganz optimal verheilt war, ging Herr Müller zur Poliklinik um einen Arzt zum Nachschauen zu holen. Völlig überraschend kam Prof. Sprinzl und wollte sich die Sache selber ansehen.
Zuerst hat er ihm den Hörtest in die Hand gedrückt. Freudestrahlend standen die drei Mitarbeiter der Klinik neben mir über den ersten exzellent gelungenen Fall eines implantierten Hörgerätes in der Klinik in Marburg. Ich fühlte mich, als wenn ich einen Sechser im Lotto gewonnen hätte, das gleiche empfand ich auch bei Prof. Sprinzl. Ich freute mich mit ihm über seinen super gelungenen Einsatz.
Nach weiteren sechs Wochen bekam ich mein richtiges implantiertes Hörgerät angepasst. Ich trage das Duet von MedEl. Das Duet besteht aus dem CI-Tempo+ und einem Hörgerät von Siemens. Es ist für mich einfach faszinierend, welche Fortschritte ich schon gemacht habe in dieser kurzen Zeit. Ein Hörtraining steht noch aus, welches aus persönlichen Gründen sich etwas verzögert hat. Ich bin nur glücklich und kann jedem empfehlen mit einem Verlust im Hochtonbereich, sich mit einem implantierbaren Hörgerät anzufreunden.
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