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Mein Weg zum besseren Hören

Mein Name ist Karin Herwegh - Jahrgang 1957.

Meine Schwerhörigkeit besteht seit meiner Geburt. Mit ca. 1 1/4 Jahre hatte ich eine böse Ohrenentzündung, die für meine Erinnerung sehr, sehr schmerzhaft war. Das Sprechen setzte bei mir verzögert ein. Wenn man mich gerufen hatte, habe ich überhaupt nicht reagiert. Mein Hörbereich war mehr im Tieftonbereich, die hohen Töne habe ich nie richtig gehört. Die Vögel im Wald nicht, die Fahrradklingel nicht, das Martinshorn von weitem nicht. Meine drei Geschwister spielten Musikinstrumente. Ich konnte diese nie richtig lernen, weil ich die Töne nicht unterscheiden konnte bzw. nicht hören konnte.

Bevor ich in die Schule kam, wurden mir die Polypen entfernt, weil man der Meinung war, wenn diese entfernt sind, würde ich wieder besser hören. Und auch später mit 12 Jahren wurden mir noch die Mandeln entfernt, auch in der Hoffnung, das würde mir wieder beim Hören was verbessern.

Ich bin statt 1963 erst 1964 im September eingeschult worden. Die erste Klasse ging ja noch. Die Bemerkung in meinen Jahreszeugnis „leider im sprachlichen Ausdruck große Schwierigkeiten“ wurde ernst genommen, indem meine Mutter mit mir einmal in der Woche nachmittags zur Sprachheiltherapie in eine besondere Schule gegangen ist.

In der 2. Klasse wurde es für mich schlimm. Die Lehrerin lachte mich aus, wenn ich Wörter falsch ausgesprochen hatte, z.B. Kirschen. Ich kann mich noch an dieses Unterrichtsdetail sehr gut erinnern. Es ging um Obstsorten, die wir gerne essen würden. Ich meldete mich und erzählte, dass ich gerne Kirschen esse. Da lachte die Lehrerin und meinte: „Was für Kirchen?“ Ich wiederholte oft das Wort „Kirschen“ und alle lachten. Ich konnte das „s“ nicht richtig aussprechen. In meinem Jahreszeugnis stand dann auch wegen meines Hörfehlers habe ich das Klassenziel nicht erreicht. Deshalb habe ich die 2. Klasse wiederholt, in der Hoffnung es wird besser. Im Wiederholungsjahr hatte ich eine ältere Lehrerin. Diese setzte mich vorne in die erste Bankreihe und sie selbst hatte sich vorne auf den Schreibtisch gesetzt. So konnte ich sie immer gut verstehen. Diese Lehrerin ist nicht im Klassenraum herumgelaufen wie es in den anderen Klassen war.

Dann kamen die 3. und die 4. Klasse. Ohje, ohje. Wir waren gut 40 Kinder in einer Klasse. Damals lief die Lehrerin zum größten Teil in der Klasse herum anstatt vorne am Pult stehen zu bleiben. Die Lehrerin war auch zugleich die Direktorin der Schule. In den beiden Klassenjahren gab es jeden Montag in der letzten Stunde immer ein Diktat. Wir hatten oft schon am Freitag ein Diktat genannt bekommen und dieses zuhause mit meiner Mutter geübt. Da waren bei der Übung, soviel ich mich noch erinnere, meistens so um die 2-3 Fehler. Aber dann am Montag war es immer schrecklich. Während des Diktierens des Textes lief die Lehrerin immer in der Klasse herum. So dass sie mal in meiner Nähe war, im nächsten Moment war sie wieder wo anders in der Klasse. So verstand ich nicht immer alles. Nachdem das Diktat geschrieben war, wurden die Hefte eingesammelt. Die Lehrerin hatte sich dann den Stapel Diktathefte vor sich hingelegt und aus dem Stapel irgendein Heft heraus gezogen. Dies war komischerweise meistens mein Heft. Diese korrigierte sie vor versammelter Klasse und zählte dann die Fehler zusammen. Fast in jedem Wort waren irgendwelche Fehler.

An einem Montag war es wieder mal so schlimm, dass die Lehrerin zu mir kam. Sie schlug mir rechts und links ins Gesicht, aber so fest, dass ich rote Backen hatte. Sie behauptete vor der ganzen Klasse, ich hätte nicht geübt übers Wochenende. Ich ging weinend nachhause. Am nächsten Tag ging meine Mutter mit mir zur Schule. Während ich zum Unterricht ging, sprach meine Mutter mit der Direktorin die zugleich meine Klassenlehrerin war.

Ein paar Tage später war ein Arzt in der Schule. Die ganze Klasse wurde eins nach dem anderen zum Arzt bestellt. Dieser Arzt nahm mich an die Hand, drehte mich zu ihm um und sagte mir, ich solle ihn anschauen. Er hat mich gebeten, mich anzuziehen, nachhause zu gehen und meine Mutter hierher zu holen. Jetzt gleich. Ich zog mich an, ging eilend und weinend nach Hause, holte meine Mutter in die Schule zum Arzt. Was dann geschah, das weiß ich heute nicht mehr.

Irgendwann kam mein Vater nachhause und erzählte uns, dass er heute während eines Außendienstarbeitsauftrages der Firma auch die Gehörlosenschule aufsuchen musste und bei dieser Gelegenheit mit dem Schulleiter über mich gesprochen hat.

Er gab ihm gleich einen Termin, mich bei ihm vorzustellen. Ich fühlte mich gleich von ihm verstanden. Er prüfte mein Gehör. Töne, Sprache und auch die Intelligenz wurden getestet. Nach diesem Test hatte der Schulleiter meinen Eltern eine Standpauke gehalten. So jedenfalls erzählten mir die Eltern dann zuhause. Einige Zeit später nach diesem Test bekam ich mein erstes Hörgerät im rechten Ohr. Und von da an wurde ich von meinen Mitschülern gehänselt. Dann stand im Jahreszeugnis der 4. Klasse von der Volksschule: „Im 2. Halbjahr konnte ich das Ziel der 4. Klasse der Volksschule nicht erreichen. Das lag z.T. an ihrem schlechten Gehör, so daß zu erwarten ist, dass sie bei gleichem Fleiß im 5. Schuljahr der Sonderschule mit ihren Klassenkameraden Schritt halten kann.“

Von 1969 bis 1971 bin ich in die Nürnberger Gehörlosen-Schule gegangen. Da begann meine bessere Schulzeit. Aufgrund meiner guten Leistungen und bestandenen Aufnahmeprüfung war ich 1971 in die neu eingerichtete Realschule für Hörbehinderte in München-Pasing gewechselt.

Irgendwann hatte ich zwei Hörgeräte verschrieben bekommen. Damit kam ich erstmal ganz gut zurecht.

Im Juli 1973 wurde mein Vater von seiner Firma nach Frankfurt versetzt. Im November 1973 zogen meine Eltern und ich in die Nähe von Frankfurt. Auf Anfragen meiner Eltern beim Schulamt in Frankfurt, ob ich in München weiterhin zur Schule gehen könnte - in München war ich schon in der 9. Klasse – wurde eine Unterstützung zu den Internatskosten mit der Begründung – in Hessen haben wir auch eine Schule für Hörbehinderte - abgelehnt. In Bad Camberg kam ich in die Freiherr-von-Schütz-Schule in die 7. Klasse. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Was soll ich in der 7. Klasse?

Heute würde ich das so erklären: In Bayern wurde nach der 4. Klasse auf das Gymnasium oder nach der 6. Klasse in die Realschule gewechselt. In Hessen wurde schon nach der 4. Klasse in die weiterführende Schule gewechselt.

Meine Kontakte waren vielseitig, auf der Seite der Normalhörenden und auf der Seite der Hörbehinderten. Von der Zeit der Volksschule traf ich noch ein paar Kameraden, mit denen ich auch nachmittags spielte. Nach einer gewissen Zeit verloren wir uns aus den Augen, weil jeder einen anderen Weg ging. Ich gewann aber auch neue Freunde in den neuen Schulen und Orten.

Durch den Internat-Aufenthalt in München hatten sich natürlich Freundschaften in diesem Umfeld gebildet. Mit Kameraden, die in München und Umgebung direkt wohnten und jeden Tag von zuhause in die Schule kamen, ergab sich, dass ich an den Wochenenden mit Erlaubnis meiner Eltern zu den befreundeten Kameraden fuhr und dort das Wochenende verbrachte.

Nachdem ich mit meinen Eltern in die Nähe von Frankfurt gezogen war, musste ich ja hier in Hessen auch zur Schule gehen. In der neuen Schule in Bad Camberg wohnte ich probeweise zwei Tage im dazugehörigen Internat. Es gab für mich gegenüber dem Internat in München etliche Einschränkungen, die ich nicht hinnehmen wollte. Aber lieber pendelte ich jeden Tag mit dem Zug zwischen Schule und Zuhause. Dadurch dass ich den ganzen Tag in Bad Camberg in der Schule war, konnte ich auch Freundschaften mit den Mitschülern, die in Pflegestellen im Ort wohnten, schließen. Am Abend war ich dann zuhause in den örtlichen Vereinen unterwegs. In den örtlichen Vereinen z.B. DLRG; Sportverein, Reitverein meines neuen Wohnortes versuchte ich neue Kontakte zu knüpfen.

Ich habe gleich beim ersten Kontakt erzählt, dass ich hörbehindert bin. In den meisten Fällen blieb es nur bei internen Kontakten innerhalb des Vereines. Bei einem Kontakt durfte ich auch mal die gesamte Familie kennenlernen und wurde auch akzeptiert.

Ich machte eine Ausbildung zur Verwaltungsbeamtin im mittleren Dienst. Während der Ausbildung besuchte ich die Verwaltungsschule in Frankfurt. Da merkte ich schnell, dass ich an meine Grenzen vom Sprachverstehen gekommen bin. Ich habe meist so weit wie möglich vorne in der Nähe vom Dozenten gesessen. Dafür verstand ich selten jemanden aus der Klasse, der dem Dozenten geantwortet hatte. In den Pausen habe ich bei einigen über die Themen nachgefragt. Bei direktem Gespräch konnte ich vieles noch verstehen. In einem großen Raum aber wo alle so weit auseinander saßen, hatte ich meine Probleme mit dem Verstehen.

Im Amt hatte ich einen Ausbildungsleiter, dem ich das Problem erklärte. Er sprach mit den Dozenten in der Verwaltungsschule darüber. Aber leider konnte keine akustische Lösung gefunden werden. Ich habe mir durch schriftliche Ausarbeitungen der einzelnen Themen das Wissen aus den Fachbüchern und Kollegen angeeignet. Bevor irgendwelche Prüfungen anstanden, hat mein Ausbildungsleiter in der Verwaltungsschule angefragt, welche Fragen in etwa dran kämen. Daraus hatte er mir einen Fragenkatalog zusammengestellt, die ich ihm beantworten musste.  So konnte ich mein Wissen für diesen Beruf verfestigen und selbstsicherer werden. Und die Prüfungen habe ich gut bestanden. Nach meiner Ausbildungszeit wurde ich übernommen.

Das Telefonieren im Amt ging einigermaßen noch gut. Der Publikumsverkehr ging am Anfang gut, aber bei Anfragen von Ausländer/innen bekam ich meine Probleme mit dem Verstehen.

In Gesellschaftsgruppen, Versammlungen und bei Vorträgen hatte ich mit dem Sprachverstehen meine Probleme. War ich aber mit 2 – 3 Leuten zusammen, konnte ich die Unterhaltung mit gestalten, weil ich es verstanden habe.

1983 lernte ich meinen Mann kennen, dem ich gleich am Anfang unserer Beziehung erzählte, dass ich hörbehindert bin. Wir heirateten später, ich gebar 2 Söhne. Von 1988 bis 1998 habe ich mich wegen den Kindern unbezahlt vom Dienst befreien lassen.

Meine Kinder sind normalhörend. Durch die Kinder habe ich wieder neue Kontakte knüpfen können. Einige Bekannte beschwerten sich später bei mir, dass meine Kinder beim Essen so laut schmatzen, so laut reden, manche Wörter nicht richtig aussprechen würden.

Doch dann irgendwann bemerkten Bekannte, dass meine Aussprache bzw. mein Sprachverstehen schlechter wurde. Ich suchte meinen HNO-Arzt auf und erklärte ihm, dass ich mit dem Sprachverstehen Probleme hätte. Ein Hörtest zeigte bei den Tönen keine Verschlechterung, aber beim Sprachverständnis. Ich bekam wieder neuere stärkere Hörgeräte verschrieben. In den nächsten Jahren hat sich mein Sprachverstehen ganz langsam weiter verschlechtert. Im September 1998 nahm ich meinen Dienst wieder auf und ging halbtags arbeiten.

Die Jahre 1999 bis 2001 waren für mich schrecklich. Mein Mann wurde sterbenskrank und starb kurz darauf. Meine Mutter erkrankte ebenfalls und starb dann 2001. In dieser Zeit hatte ich so einige schwere Erkältungen durch gemacht, wobei ich auch Antibiotikum geschluckt habe. Dazu diagnosierte man bei mir auch Arthrose in den Daumengelenken und kurz darauf auch in den Kniegelenken.

2009 war ich bei meinem HNO-Arzt und wollte mir wieder neue Hörgeräte verschreiben lassen. Der Arzt meinte, ich wäre für ein CI geeignet. Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch nicht sehr viel über das CI gehört oder gelesen. Ich hatte nochmal die Hörgeräte Audeo Yes V von Phonak bekommen, weil ich mit den Hörgeräten wieder ein bisschen besser verstanden habe als mit den alten.

2010 hat eine Bekannte sich implantieren lassen und war recht angetan, wieder besser hören zu können. Sie erzählte mir, ich solle mich gut informieren und in der Uniklinik FFM untersuchen lassen. Mittlerweile hatte ich auch erfahren, dass einige meiner Klassenkameraden schon implantiert sind. Jeder erzählte seine Geschichte. Der eine war zufrieden, der andere war noch nicht zufrieden. Jeder auf seine Art. Ich informierte mich in allen möglichen Bereichen. Im Internet, wälzte Bücher, Zeitungen, Prospekte von den CI-Herstellern. Ich war hin und her gerissen. Auf der einen Seite wollte ich wieder besser hören und verstehen, auf der anderen Seite hatte ich auch Angst. Was passiert mit meinen Restgehör?

2011 ging ich nochmal in die Uniklinik Frankfurt und wollte die Voruntersuchungen machen lassen, ob ich auch wirklich dafür geeignet bin. MRT, Gleichgewichtstest. Ich wurde immer stiller, wollte nicht mehr fernsehen, keine Musik hören. Mit meiner Umgebung gab es immer mehr Missverständnisse. Im Juni 2015 stellte ich mich wieder in der Uniklinik Ffm. vor und wollte mich nochmal austesten lassen, ob ich jetzt noch mal Hörgeräte verschreiben oder mich jetzt schon implantieren lassen soll. Ich hatte nochmal die Hörgeräte Naida von Phonak ausgetestet und ich stellte fest, dass diese nicht mehr ausreichten. Der Hochtonbereich war so übersteuert angepasst, dass es immer wieder pfiff wie bei den alten Hörgeräten.

Im Beruf wurde es für mich auch immer schwieriger. Ein Zurufen von Büro zu Büro war nicht mehr möglich. Das Telefonieren mit Fremden wurde komplizierter. Mit Kollegen, deren Stimme ich schon kannte, ging es noch einigermaßen gut. Außerdem wurde ich immer lauter, weil ich mich selber nicht mehr richtig hörte. Bei Gesprächen im Büro verstand ich immer weniger. Oft musste ich noch mal extra auf das Thema ansprechen und erklären lassen, worum es geht.

Ausschlaggebend war ein familiäres Ereignis, das mich zu dieser Entscheidung Richtung CI gebracht hat. Bei dieser Feier war es ziemlich laut. Ich unterhielt mich mit meinem Vater und seiner Lebensgefährtin. Mein Vater hatte auch Hörprobleme. Plötzlich standen einige meiner Geschwister und mein Lebensgefährte um uns herum und sagten mir, man versteht dich hier im ganzen Raum, was du dem Vater erzählst. Daraufhin habe ich nur noch gesagt, bei dieser Lautstärke kann man sich ja sonst nicht normal unterhalten. Also muss ich so laut gesprochen haben, was ich selber überhaupt nicht empfunden habe.

Danach habe ich mich von sehr vielen familiären Ereignissen zurückgezogen, weil ich mich nicht mehr traute, mit jemanden zu unterhalten, weil ich ja zu laut spreche.

Um mehr fachliche Informationen zu erhalten, habe ich an einem CI- Seminar in Bad Nauheim in der Kaiserberg-Klinik im Sept. 2015 teilgenommen. Bei diesem Seminar wurde nochmal das Gehör überprüft und einige Tests zum Sprachverständnis. Es wurde unter anderem ein Text vorgelesen ohne auf dem Mund zu schauen und ich musste nachsprechen, was ich verstanden habe. Bei diesem Test ist mir klar geworden, es kann so nicht weiter gehen. Mein Wunsch war nur noch: Ich will wieder besser hören und verstehen können. Das CI kann für mich nur ein Gewinn sein. Die verschiedenen Dozenten des Seminars waren bis auf einen alle CI-Träger.

Am 19. November 2015 wurde ich auf meinem schlechten, linken Ohr implantiert. Drei Tage später war ich wieder zuhause. Vier Wochen später war die Anpassung des Sprachprozessors. Die erste Anpassung war am 15.12.15. Ich hörte erstmal nur alles wie eine Micky-Maus-Stimme. Nach der zweiten Anpassung am 22.12.15 war es schon besser und am Nachmittag hatte ich im Betrieb eine Weihnachtsfeier mitgefeiert. Jetzt versuchte ich nur noch alles aufzunehmen. Nach einiger Zeit war ich selber sprachlos, denn ich verstand teilweise meine Kollegen während einer Unterhaltung am Tisch und konnte auch die Stimmen auseinanderhalten und denjenigen Kollegen zuordnen. Ich ging mit einer Zufriedenheit nachhause. Jetzt wusste ich, dass ich das richtige getan habe. Nur noch Geduld, Geduld, Geduld. Am 6. Januar 2016 hatte ich die dritte Anpassung. Nach dieser habe ich auch alles gehört und verstanden, was vorher gar nicht möglich war. Sogar meinen Lieblingssänger konnte ich verstehen, der in Englisch gesungen hat. Ich war so happy.

Am zweiten Tag nach dieser Anpassung war ich mit meinen Lebensgefährten mittags zum Essen in unserem Lieblingslokal. Da war auch gerade eine größere Gesellschaft, da konnte ich alles ausprobieren, wie ich mich mit meinem Partner am Tisch unterhalten und verstehen konnte. Ich war glücklich.

Wir fuhren nachhause und legten uns zu einem Schläfchen hin. Ich behielt den Sprachprozessor an und legte mich nur auf die rechte Seite. Denn ich wollte mal die Stille in der Wohnung genießen und was ich so zu hören bekomme. Man erzählte mir vorher immer wieder, unser Mehrfamilienhaus sei sehr hellhörig. Im Treppenhaus würde man das Kommen und Gehen und auch teilweise in der Nebenwohnung Geräusche mithören können. Und ich hatte auch zwei Wellensittiche, die ich zum ersten Mal in einem anderen Raum auch hören konnte, nicht nur wenn ich direkt davor stand.

Während ich so im Bett lag und vor mich hindöste, bemerkte ich in meinem implantierten Ohr so etwas wie eine Ratsche gehört zu haben. Am Abend wollte ich wie immer mit meinem Lebensgefährten die Tagesschau anschauen. Da bemerkte ich, dass irgendetwas anders ist das Hören mit CI. Es hörte sich wieder alles so blechern und verzerrt an wie nach der ersten Anpassung.  Was war ich wütend.

Das Schlimme war noch, es war Freitagabend und Wochenende. Das soll ich bis Montag durchhalten. Nie und nimmer. Oh, was war ich enttäuscht. Alles verrutscht, verstellt etc. Montag gleich in der Uniklinik angerufen und gegen Mittag reingefahren.

Nochmal alles kontrolliert. Implantat war in Ordnung, aber warum die Einstellungen weg sind wusste keiner. Es wurde ein Röntgentermin vereinbart und geröntgt. Angeblich wäre das Implantat noch weiter reingerutscht. Reinrutschen ist besser als Rausrutschen. Denn beim Rausrutschen muss nochmal operiert werden. Von da an habe ich etwa alle 14 Tage eine Einstellung machen lassen, denn ich will wieder dahin wie nach der dritten Anpassung.

Leider geht es nicht so schnell. Es gab immer wieder kleine Rückschläge. Aber dann waren die Einstellungen endlich wieder gut. Am 27.06.16 hatte ich einen Hörtest absolviert, der mir bestätigte dass die Einstellungen auf den richtigen Weg zum besseren Hören sind.

Ende August 2016 habe ich den Antrag für das zweite CI am rechten Ohr gestellt. Mit dem neuesten Hörgerät Naida von Phonak, das ich für das rechte Ohr ausgetestet habe, verstehe ich schlecht. Denn das Gerät muss für meine Hörbereiche so übersteuert werden, dass es immer wieder pfeift. Außerdem habe ich festgestellt, dass das Hörgerät alles verstärkt, aber verstehen konnte ich immer noch nicht richtig. Dafür ist das CI mittlerweile zu dominant im Sprachverstehen geworden. Sprache wird vom CI aufgenommen, Hörgeräte verstärken den aufnehmenden Schall, und trotzdem versteht man verzerrt. CI überbrücken das geschädigte Innenohr und senden die elektrischen Impulse direkt an den Hörnerv.

Ich bereue diesen Weg mit dem CI keine Sekunde. Den Weg gehe ich auch beim zweiten CI nochmal. Hauptsache ich verstehe mehr als zuvor. Meine Lebensqualität ist gestiegen. Das Leben und Hören macht mir wieder Spaß.

Am 10.10.2016 bekam ich mein 2. CI auf dem rechten Ohr implantiert. Zwei Tage später wurde ich nach Hause entlassen. Wieder vier Wochen später, den 8. November, war die erste Anpassung meines Sprachprozessors für das rechte Ohr. Diesmal hörte ich keine Micky Maus Stimme wie beim ersten CI auf dem linken Ohr, sondern mehr wie ein Gepiepse einer hohen Stimme und trotzdem habe ich die Audiologin verstehen können. Es war ein schönes Gefühl, besser und mehr hören zu können. Musikhören war aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, eher nervig. Aber ich wusste auch, dass das Hören von Musik mit einem CI der schwierigste Teil des Hörtrainings ist.

Auch heute noch. Übung macht den Meister ist meine Devise. Meine Lebensqualität ist gestiegen und fühle mich immer mehr in der Gesellschaft wohl. Ich bin froh, dass der Fortschritt dieser Technik uns die Möglichkeit zum besseren Hören und Verstehen gibt.

 

Karin Herwegh

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