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Die Sprache ist das Tor zu Welt..........

…sagte kürzlich die Audiotherapeutin in der Reha-Klinik zu uns, nachdem wir das tägliche Hörtraining geschafft hatten.

Genau dieses Tor öffnet sich für mich nach meiner Entscheidung für ein Cochlea Implantat (CI) täglich ein Stück weit mehr!

Von Kindheit an schwerhörig bekam ich meine ersten Hörgeräte mit 4 Jahren. Im Laufe der Zeit verschlechterte sich mein Gehör mehr und mehr, telefonieren war seit 30 Jahren nicht mehr möglich. Gespräche waren für mich nur möglich, wenn ich bei meinem Gesprächspartner gut vom Mund ablesen konnte. Die Verständigung wurde für mich so anstrengend, dass ich mich mehr und mehr zurückzog und mich mit 53 Jahren endlich für ein CI entschied.

Nachdem die Operation, die im Uniklinikum Mainz durchgeführt wurde, ohne Komplikationen verlief, hieß es für mich, Geduld zu haben. Erst nach erfolgter Wundheilung kann der Prozessor, der das Hören ermöglicht, eingeschaltet werden.

Nach vier Wochen konnte ich mich nun auf die Reise in die Welt des Hörens begeben: Die Freischaltung des Gerätes  erfolgte während eines einwöchigen Aufenthalts im Uniklinikum Mainz. Leider war dieses Erlebnis zunächst eher ernüchternd. Wie erwartet, konnte ich nur einen ziemlich metallisch klingenden Toneinheitsbrei hören (Mickey Mouse lässt grüßen), der von einem nervenden Pling-Pling unterlegt war. Aber immerhin - ich hörte!  Am Nachmittag dieses Tages hatte ich schon die erste Logopädie-Einheit und sollte Ein- und Mehrsilber verstehen und Wörter unterscheiden - es war ziemlich anstrengend und noch nicht sehr erfolgreich.

Im Laufe der nächsten Tage ließen das Pling-Pling und der Mickey-Mouse-Klang mehr und mehr nach. Ich konnte jetzt schon die Geräusche ein wenig besser differenzieren.

Langsam merkte ich in der Logopädie Fortschritte. Ich verstand nun tatsächlich das erste Wort:  Bademantel, auch Banane und Sandalen verstand ich. Wen wundert's - Bademantel ist seitdem mein Lieblingswort.

Bei all dem merke ich, dass es auf das regelmäßige Üben ankommt. Gerne produziere ich -  auch noch ein halbes Jahr nach der Implantation - Geräusche und achte darauf, wie es sich anhört (laufender Wasserhahn, Papier zerreißen, mit dem Löffel gegen ein Glas schlagen). Faszinierend ist es für mich, das Gezwitscher der Vögel so mühelos zu hören. Außerdem höre ich jetzt das Wasserrauschen, den Alarm unseres Milchschäumers und der Mikrowelle, das Klacken der Haustüre, ich höre, wenn mein Hund Wasser säuft..... Und das Bellen meines Hundes, natürlich.

Annette Rausch-MüllerDann wagte ich den Versuch, nach 30 Jahren wieder zu telefonieren. Zunächst kurze Gespräche mit meinem Mann und meiner Mutter, es klappte besser als erwartet und es wurde mit jedem Telefonat besser. Ich telefoniere inzwischen mit einer guten alten Freundin - die ich nur selten sehe - immer mal wieder. Für uns beide ist das eine tolle Sache. So nach und nach werde ich mir neue Telefon-Gesprächspartner suchen…

Das Hörtraining während der Reha in der Kaiserbergklinik Bad Nauheim war intensiv - in der Gruppe, einzeln und am Telefon und es hat mich ein gutes Stück voran gebracht. Gespräche mit Menschen machen mir wieder Spaß. Das Zuhören hat für mich eine neue Qualität und der Stress verschwindet. Auch den Zugang zur Musik habe ich wieder gefunden.

Die Reise in die Welt des Hörens geht für mich weiter und ich bin dankbar, dass ich das so intensiv erleben darf.

 

Annette Rausch-Müller

Februar 2018

  • Erstellt am .