Meine Ohr-Biographie
Mit 14 Jahren begann bei mir der Tinnitus, damals als leichtes Rauschen, der sich bis heute noch immer steigert. Mit 19 Jahren war dann ein leichter Hörverlust merkbar, mit 22 ging ohne Hörgeräte bereits nichts mehr in normaler Lautstärke. Der Akustiker musste auch weiterhin alle paar Wochen die Einstellungen nachjustieren und die Lautstärke weiter hochschrauben.
Verschiedene Ärzte wurden natürlich aufgesucht. Oberärzte, Primare; aber als Diagnose wurde nur festgestellt, dass es mit dem Hörvermögen weiter rapide bergab geht und ich mich darauf einstellen sollte, irgendwann nichts mehr zu hören. Erst mit 29 Jahren schickte mich mein damaliger Akustiker, dem dieser Werdegang keine Ruhe ließ, zu einem Primar, der die Vermutung Otosklerose hatte und daraufhin eine Stapesplastik durchführte.
Die Vermutung bestätigte sich, jedoch war diese schon weit im Mittelohr fortgeschritten und in der Cochlea zeigte sich beginnende Otosklerose. Das Hören nahm trotzdem noch ein gutes Stück zu. Ein Jahr später wurde auch auf der anderen Seite eine Stapesplastik vorgenommen. Auch hier zeigte sich eine Verbesserung, sogar noch um ein Stück mehr, da auch hier der Hörverlust vorher noch ein bisschen geringer war.
Beim Fädenziehen wurde ich ein bisschen gekniffen. Es war nicht schlimm, jedoch war zwei Tage später mein Ohr so sehr angeschwollen, dass ich wieder im Krankenhaus vorstellig wurde. Mein behandelnder Primar war auf Urlaub und der vertretende Oberarzt wollte mich sofort stationär aufnehmen, was mir aber nicht möglich war, weil ich alleinerziehend bin und auf die Minute keine Betreuung für meine Tochter zur Hand gehabt hätte. Die Wundversorgung wurde dann täglich ambulant durchgeführt samt medikamentöser Behandlung.
Die Schwellung und Entzündung bildete sich innerhalb einer Woche wieder gut zurück, jedoch leider auch das Hörvermögen. Es war schlechter als vor der Operation. Zusätzlich spielte plötzlich aber auch das andere Ohr nicht mehr mit. Ich verstand beidseitig fast gar nichts mehr. Medikamente bekam ich zu dem Zeitpunkt keine mehr. Da damals bei mir ein Arbeitsplatzwechsel bevorstand und ich nicht wusste wie ich das vereinbaren hätte sollen, was Einschulung, telefonieren, etc. betrifft, versuchte ich mich in Selbstmedikation und nahm einige Wochen tägl. bis zu 6 Betahistin 24 mg.
Nach ca. vier Wochen hatte ich zumindest soweit Erfolg, als dass sich auf dem schlechteren Ohr das Hören stabilisierte und wieder etwas Verstehen möglich war. Die bessere Seite zeigte keine wahrnehmbare Veränderung mehr. Die Einnahme von Betahistin drosselte ich langsam wieder auf 2-3 mal täglich und setzte auch meinen Arzt über den Selbstversuch in Kenntnis.
Wir vereinbarten eine CI-OP für das schlechtere Ohr, die dann ein Jahr später auch erfolgte. Die OP verlief gut und auch der daraus resultierende Schwindel ließ relativ schnell nach. Nach ungefähr sechs Wochen wurde das CI aktiviert. Die Töne, die über den PC eingespielt werden, um die Lautstärke festzulegen, schmerzten immens und es wurde auch sehr leise eingestellt. Im Alltag merkte ich nur ganz leicht, wenn ich mich konzentrierte, dass es überhaupt eingeschaltet war. Da war kein Schmerz. Auch in den folgenden Wochen änderte sich daran nichts. Sobald über den PC Töne eingespielt wurden, hatte ich einen Druck im Ohr, als würde es mir das Trommelfell zerreißen und ein stechender Schmerz raste bis in die Zehenspitzen.
Ich sollte Geduld haben und das Hören üben. Ich bekam eine Lern-CD mit Kurzgeschichten in 3 verschiedenen Geschwindigkeitsstufen mit nach Hause und übte täglich. Anfangs las ich im Booklet mit, aber bereits nach ein paar Tagen ging es ohne, auch wenn ich nicht jedes Wort verstand. Das Verstandene wurde mehr. Natürlich hat man die Geschichten bald auswendig intus und ich war es ja gewohnt, mir das meiste Gesprochene aus dem Sinn der Sätze zusammenzureimen. Die CD hing aber über den MP3-Player direkt am CI und ich musste auch recht laut stellen, sonst ging es nicht. So kam ich auf ein Hörvermögen von 60 Prozent beim Audiogramm ohne Störgeräusche. Unter uns gesagt: wenn man jahrelang immer wieder Audiotests hat, kennt man ja auch hier bereits einiges an Wörtern schon am Klang und der Reihenfolge. Der Lautsprecher direkt neben dem CI, die Stimmlage und Aussprache.... es hat doch sehr wenig mit dem Alltag zu tun.
Töne einzuspielen ging trotzdem nach wie vor nicht und ich wurde belächelnd immer wieder gefragt, ob ich es denn überhaupt tragen würde. Dass ich es von Anfang an täglich von morgens bis abends eingeschaltet hatte, egal ob im Büro, zuhause oder bei größeren Menschenansammlungen - auch wenn es oft bereits nach einigen Stunden sehr kräftezehrend war, glaubte mir niemand mehr. Die 60 Prozent schaffte ich auch erst, nachdem ich meine Logopädin soweit hatte, die Lautstärke nach oben zu schrauben, ohne vorher die Töne einzuspielen. Im Alltag war ja da kein Schmerz. Das war vor über einem Jahr. Irgendwann brach ich dann aber die Einstellungen zwischenzeitlich ab, denn die Lautstärke wollte sie nicht mehr erhöhen... ... sondern senken, da sie vermutete, dass sich die Tonlagen bereits überschlagen würden und ich deshalb nicht wirklich verstehen würde. Ich gönnte mir eine Auszeit in der Hoffnung, dass es einfach noch Zeit und Übung brauchte, aber dem war nicht so.
Vor drei Monaten nahmen wir das ganze wieder auf, aber die Leute haben nur mehr Fragezeichen in den Augen. Sie versuchen sich jetzt nicht mehr in Standardeinstellungen, sondern im Ausprobieren, bis jetzt ohne Erfolg. Es ist, als hätte der Radio schlechten Empfang. Ein Brummen überlagert die Töne und das Gesprochene in einem metallischen Nachhall.
Meine Schwester hat auch Otosklerose, jedoch noch nicht soweit fortgeschritten. Die Stapesplastik brachte aber auch ihr keinen Erfolg. Bei mir brennt der Hut, da auch das bessere Ohr betroffen ist und stetig schlechter wird. Es sollte eine Implantat-OP gemacht werden, um hier noch das akustische Hören für eine Weile zu erhalten. Ich bin zwar an der Kippe mit ca. 40 Prozent, jedoch wäre es einen Versuch wert.
Solange die CI-seite aber auf dem Level bleibt, ist das für mich keine Option, denn wenn was schief geht, ist dann nicht mehr wirklich was übrig, mit dem ich den Alltag und den Beruf meistern könnte, denn im Speditionswesen ist Kommunikation, vor allem auch telefonisch unumgänglich.
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Madeleine Mayr
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